# taz.de -- PM(D)S und Elternschaft: Ungeduldiger und ungerechter | |
> Die gesamte Energie von Müttern mit PM(D)S geht dafür drauf, ihre und die | |
> Emotionen ihrer Kinder zu regulieren. Unterstützung gibt es wenig. | |
Bild: Weitermachen. Aufstehen, Frühstück richten, Tränen trocknen, … | |
An besonders verzweifelten [1][prämenstruellen Tagen], die, an denen ich | |
kaum über die Energie verfüge, mein Bett zu verlassen oder wenigstens die | |
Vorhänge aufzuziehen, frage ich mich häufig: was würde ich tun, müsste ich | |
mich auch noch um ein Kind kümmern? Müsste ich in diesem Zustand die | |
Grundbedürfnisse eines von mir abhängigen Menschen erfüllen? Das sind die | |
Tage an denen ich verblüfft bin, dass die Welt noch nicht brennt, dass vor | |
endokrinologischen Forschungszentren noch keine Sitzstreiks stattfinden. | |
Doch halt! [2][Wer sollte denn dort sitzstreiken?] Etwa Elternteile mit | |
PM(D)S? Diejenigen, deren gesamte (eigentlich nicht vorhandene) Energie | |
dafür draufgeht, ihre und die Emotionen ihrer Kinder zu regulieren? Die | |
Tage vor den Tagen lebend – ja, Suizidwunsch ist ein real existierendes | |
Symptom von PM(D)S – und ohne Einweisung in eine psychiatrische Klinik zu | |
überstehen? Wohl kaum. | |
Ich habe im Freundeskreis und auf [3][Instagram] Betroffene mit PM(D)S | |
gefragt, wie sich das so anfühlt, in diesen emotional explosiven Tagen, für | |
ein Kind da sein zu müssen. Eine Antwort, die alle eint: das schlechte | |
Gewissen. | |
Ein schlechtes Gewissen, das sich bis zum Selbsthass ausweiten kann. Sie | |
seien gereizter, ungeduldiger, ungerechter und schimpften mehr. | |
Als Zustand doppelter Fremdbestimmung wurde PM(D)S mit Kind beschrieben. | |
Einerseits bestimme das PM(D)S über einen, andererseits das Kind. Und man | |
selbst? Einfach weitermachen. Denn Urlaub vom Kind bekommen Eltern nicht. | |
Von Alleinerziehenden ganz zu schweigen. | |
In den allermeisten Fällen herrscht auch noch die Dreifachbelastung aus | |
Lohnarbeit, PM(D)S, Kindererziehung vor. | |
## Immer weitermachen | |
Weitermachen. Aufstehen, Frühstück richten, Tränen trocknen, wickeln, | |
Termine wahrnehmen, Wutausbrüche händeln, freundlich mit anderen Eltern, | |
Erzieher*innen, Lehrer*innen kommunizieren, Lohnarbeit, Hausaufgaben, | |
Nase putzen, einkaufen, kochen, Tränen trocknen, Interesse zeigen, | |
Pausenboxen vorbereiten, präsent sein, Gute-Nacht-Geschichte vorlesen, | |
trotzdem Freund*in sein, trotzdem Partner*in sein, immer sein, immer | |
weitermachen. | |
Und all das, während man sich selbst zerfleischt. Weil man sich die Frage | |
stellt ob man mit solch einem ausgeprägten PM(D)S überhaupt ein Kind hätte | |
bekommen sollen. Weil in den Nachrichten von Krieg, Armut und Klimawandel | |
berichtet wird und man die Ambivalenz dieses Kind über alles zu lieben und | |
dennoch zu bereuen es in diese kaputte Welt gesetzt zu haben, nicht mehr | |
erträgt. | |
Zerfleischt, weil man mal wieder zu laut wurde, wenn Bob der Baumeister zum | |
zehnten Mal abgespielt werden sollte. Zerfleischt, weil man überhaupt | |
irgendetwas abgespielt hat, statt mit dem Kind zu spielen. Zerfleischt, | |
weil Tiefkühlpizza, statt gemeinsam zubereitetem Gemüseauflauf auf den | |
Tisch kam. | |
Eine Person schrieb, sie hege in dieser Zeit den Wunsch einfach abzuhauen. | |
Wer weiß wie viele von denen, die sich tatsächlich dafür entschieden haben | |
ihre Familie zu verlassen an PM(D)S leiden und wie vielen von ihnen hätte | |
geholfen werden können. Gäbe es nur ENDLICH Forschung dazu. | |
Kinder machen Kindersachen. PM(D)S-Betroffene machen PM(D)S-Sachen. Bis sie | |
irgendwann Hilfe erhalten. Bis dahin: vernetzt euch! | |
10 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Sarah Lorenz | |
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