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# taz.de -- Antworten zur Kindergrundsicherung: Noch weniger Geld für die Ärm…
> Noch immer ist die lang geplante Kindergrundsicherung keine beschlossene
> Sache. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum aktuellen Stand im
> Überblick.
Bild: Schuhe, Spielzeug, Schabernack: Kinder kosten Geld, doch einige sollen ba…
Was ist die Kindergrundsicherung eigentlich?
Die Idee dafür war ursprünglich, bereits bestehende Sozialleistungen zu
bündeln: Kindergeld, Kinderfreibetrag, Kinderzuschlag und Leistungen nach
dem Sozialgesetzbuch. Die müssen bislang an ganz unterschiedlichen Stellen
beantragt werden. Oft fehlt das Wissen über die Berechtigung.
Es wird geschätzt, dass nur jedes dritte berechtigte Kind Leistungen aus
dem Kinderzuschlag erhält. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt,
mit der Bündelung der Leistungen im ersten Jahr nach der [1][Einführung 47
Prozent] der Berechtigten zu erreichen, in folgenden Jahren soll die
Inanspruchnahme weiter steigen.
Ab wann tritt die Kindergrundsicherung in Kraft?
Ursprünglich hat die Regierung den 1. Januar 2025 angedacht. Nachdem auch
Sozialverbände das Ziel für zu ambitioniert hielten, bremste letztlich die
Bundesagentur für Arbeit (BA): dort sollen die bisherigen Familienkassen zu
einem „Familienservice“ ausgebaut werden und für die Abwicklung zuständig
sein. Sie hielt den Start zum 1. Januar aus finanziellen und
organisatorischen Gründen für nicht machbar. Das Familienministerium gab im
Dezember bekannt, dass deshalb eine [2][stufenweise Einführung ab Mitte
2025] geprüft werde.
Wie viel Geld gibt es pro Kind?
Das kommt auf das Einkommen der Eltern und auf das Alter der Kinder an. Es
soll einen „Kindergarantiebetrag“ von etwa 250 Euro geben, das heutige
Kindergeld, das alle Eltern beziehen werden. Hinzu kommen alle bisherigen
Leistungen, die wie jetzt auch nicht für alle gelten und die im
„Kinderzusatzbetrag“ gebündelt werden sollen. Der Höchstsatz für 0- bis
5-Jährige beträgt 530 Euro, 555 Euro für 6- bis 13-Jährige und 636 Euro für
14- bis 17-Jährige.
Was müssen (arme) Eltern machen, um Geld aus der Kindergrundsicherung zu
bekommen?
Eigentlich sollten Familien informiert werden, inwiefern sie
leistungsberechtigt sind. Regelmäßig soll der Anspruch anhand von
Steuerdaten überprüft werden, so die Idee. Allerdings sind jetzt nur noch
automatisierte Verfahren beim Kinderzusatzbetrag und im
Kindergrundsicherungs-Check vorgesehen.
Ist das komplizierter oder einfacher als vorher?
Das Versprechen der Bundesregierung war, dass es einfacher wird. Das ist
noch nicht absehbar, es könnte ähnlich kompliziert werden wie zuvor.
„Der Antragsaufwand wird nicht minimiert – sondern im Gegenteil
gegebenenfalls sogar höher sein als vorher“, befürchtet der Sozialverband
Deutschland in einer Stellungnahme. Ähnlich äußert sich Ende November der
[3][Normenkontrollrat] (NKR), der der Bundesregierung eine nie da gewesene
Bürokratie-Last attestiert: Zumindest für die Verwaltung liefe die
Kindergrundsicherung nicht auf eine Vereinfachung heraus, da „eine Vielzahl
von Behörden“ mit dem Vollzug beschäftigt sein werden. Ob es für die
Betroffenen von Familienarmut einfacher oder komplizierter wird, steht auf
einem anderen Blatt.
Eigentlich war vom Familienministerium beispielsweise angedacht, dass
Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket mit in die
Kindergrundsicherung fließen – dies war wohl mit dem FDP-geführten
Finanzministerium nicht zu machen, sodass weiterhin je nach Leistung die
Kommunen zuständig bleiben.
Bekommen arme Kinder mehr oder weniger Geld als vorher?
Minderjährige Kinder bekommen jetzt schon nichts, das Geld geht an die
Eltern – das wird sich mit der Kindergrundsicherung nicht ändern. Bei den
ärmsten Kindern kommt weniger Geld an: Bei Kindern von Asylbewerber_innen
werden die Mittel gekürzt. Durch eine gestaffelte Anrechnung des
Kindesunterhalts kann es auch für Kinder von Alleinerziehenden zu
Verschlechterungen kommen.
Ist der Titel „größtes sozialpolitisches Vorhaben der Ampelkoalition“
gerechtfertigt?
Die Regierung von SPD, Grünen und FDP ist sowieso nicht besonders sozial.
Im Koalitionsvertrag gibt es teils große Versprechen, die nicht eingehalten
wurden – auch beim Klimageld und Leistungen in der Pflege.
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hat also nicht ganz unrecht, wenn sie
betont, dass es das [4][„größte sozialpolitische Vorhaben der Ampel“] ist.
Die Messlatte hängt allerdings nicht besonders hoch.
Wie wird sichergestellt, dass das Geld auch bei den Kindern ankommt?
Es wird keine neuen Kontrollmechanismen geben, obwohl beispielsweise Markus
Herbrand, finanzpolitischer Sprecher der FDP, [5][in einem Gastbeitrag in
der Wirtschaftswoche] Eltern von armen Kindern unterstellte, sie würden das
Geld für Alkohol und Zigaretten ausgeben. Dieser Vorwurf wurde vielfach als
armutsfeindlich zurückgewiesen; dass er falsch ist, belegt auch eine
[6][Studie der Bertelsmann Stiftung]. „Die meisten armutsgefährdeten Eltern
sparen an allem – nur nicht an ihren Kindern“, sagte auch Sabina Schutter
von SOS Kinderdorf [7][in der taz Anfang des Jahres].
Warum gibt es so viel Kritik an dem Projekt?
Das liegt wohl daran, dass die Ampelkoalition sehr öffentlich darüber
verhandelte, wie viel Geld in das Projekt fließen soll – um sich dann auf
2,4 Milliarden im Haushalt 2024 zu einigen, was sehr nah an der
2-Milliarden-Forderung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) lag.
Paus hatte zuvor 12 Milliarden angekündigt.
Die Union pocht darauf, die Kindergrundsicherung abzuschaffen, da sie „viel
zu bürokratisch“ (Dennis Thering) sei, das Geld solle laut Silvia Breher,
der familienpolitischen Sprecherin, „besser direkt den Kindern und
Jugendlichen zukommen“. Kritik gibt es nicht nur am befürchteten
bürokratischen Aufwand, sondern auch daran, dass die Kindergrundsicherung
Kindern in Armut nicht hilft:
So kritisierte das Bündnis Kindergrundsicherung in einer [8][Stellungnahme
Anfang November], dass die Kindergrundsicherung einen „echten
Systemwechsel“ benötige, und fordert eine Nachbesserung. „Die aktuell
genannten Vorhaben entsprechen aber eher einer Verwaltungsreform als einer
echten Kindergrundsicherung“, kritisierte auch Bettina Kohlrausch,
wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen
Instituts (WSI) der arbeitnehmer_innennahen Hans-Böckler-Stiftung.
23 Jan 2024
## LINKS
[1] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/familienleistungen/kindergrunds…
[2] /Finanzielle-Unterstuetzung-fuer-Familien/!5978531
[3] https://www.normenkontrollrat.bund.de/Webs/NKR/SharedDocs/Downloads/DE/Stel…
[4] https://www.sueddeutsche.de/politik/kindergrundsicherung-lisa-paus-ampelreg…
[5] https://www.wiwo.de/politik/deutschland/streit-um-kindergrundsicherung-noch…
[6] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/kommt-…
[7] /Eckpunkte-zur-Kindergrundsicherung/!5914203
[8] https://kinderarmut-hat-folgen.de/wp-content/uploads/2023/11/231109_PM_Parl…
## AUTOREN
Nicole Opitz
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