# taz.de -- Putin gegen westliche Firmen: Gasfeld-Beteiligungen beschlagnahmt | |
> Anteile ausländischer Firmen sollen ab 2024 an russische Unternehmen | |
> gehen. Können die Teileigentümer OMV und Wintershall Dea dagegen | |
> vorgehen? | |
Bild: Die österreichische OMV machte auch weiterhin mit Russland Geschäfte | |
WIEN taz | Russland wird die ausländischen Anteile an zwei sibirischen | |
Gasförderprojekten beschlagnahmen. Präsident Putin unterzeichnete am | |
Dienstag ein entsprechendes Dekret. Konkret geht es um die sibirischen | |
Gasfelder Juschno Russkoje und Achimov, an denen die BASF-Tochter | |
Wintershall Dea sowie der österreichische Mineralölkonzern OMV mit | |
Milliardenbeträgen beteiligt ist. | |
Die bisherigen Unternehmensverträge wurden durch Putins Dekret für ungültig | |
erklärt. „Bis Mitte 2024“ sollen die ausländischen Anteile an neu zu | |
schaffende russische Unternehmen übergehen. Der Erlös aus dem Verkauf der | |
Anteile solle auf Sonderkonten der bisherigen Eigentümer gehen, auf denen | |
die Eigentümer voraussichtlich aber nicht so ohne weiteres zugreifen können | |
– Stichwort Gegensanktionen Russlands gegen die EU. | |
Es handle sich um die erste Direktverstaatlichung ausländischer Anteile | |
durch die russische Führung, sagte der Russlandexperte Vasily Astrov vom | |
Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) dem | |
Radiosender Ö1. Es habe zwar schon früher Fälle von Unternehmen gegeben, | |
die unter russische Kontrolle gestellt wurden, etwa beim französischen | |
Unternehmen Danone oder dem dänischen Bierbrauer Carlsberg, sagt Astrov. | |
Das sei aber nicht dasselbe wie eine Direktverstaatlichung. | |
Wintershall Dea gab auf taz-Anfrage bekannt, von den geplanten | |
Beschlagnahmen aus den Nachrichten erfahren zu haben. Man sei dabei, die | |
Situation noch im Detail zu analysieren und könne noch keine näheren | |
Auskünfte erteilen. | |
Die Auswirkungen der Beschlagnahme spielt die [1][OMV], die nun alle | |
Optionen inklusive einer Veräußerung und eines Ausstiegs prüfen will, in | |
einer Stellungnahme herunter. Die 24,99%-Beteiligung am westsibirischen | |
Gasfeld Juschno Russkoje sei bereits 2022 „wertberichtigt“ worden. „Es si… | |
somit faktisch keine weiteren negativen Auswirkungen auf die Ergebnisse zu | |
erwarten“, so der Konzern. Der Umfang dieser „Wertberichtigung“ betrug la… | |
OMV 500 bis 800 Millionen Euro. Verlierer ist auch die Republik Österreich, | |
die mit 31,5 Prozent an der OMV beteiligt ist. | |
## Fragen der taz an die OMV bleiben unbeantwortet | |
Verwaltet wird die staatliche Beteiligung von der ÖBAG, der Österreichische | |
Beteiligungs AG, die auch Teile des OMV-Aufsichtsrats beschickt. Die ÖBAG | |
sieht aber offenbar keine eigene Zuständigkeit und verweist auf die OMV. | |
Die wiederum ließ einen Fragenkatalog der taz unbeantwortet. | |
Ein weiteres, nicht nur moralisches, Problem ist die enorme | |
[2][Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas]: Rund zwei Drittel der | |
Gasimporte kommen weiterhin aus Russland. Zuletzt, im Oktober, waren es gar | |
90 Prozent der importierten Mengen. Als größer Gasversorger deckt die OMV | |
30 bis 40 Prozent des österreichischen Bedarfs ab. Wie es heißt, hat das | |
Unternehmen mittlerweile seine Bezugsquellen diversifiziert. | |
Dennoch ist der Gesamtanteil russischen Gases an den österreichischen | |
Importen enorm – rund sieben Milliarden Euro gehen dafür jährlich nach | |
Russland. Regierung und OMV berufen sich auf den bis 2040 geschlossen | |
Liefervertrag mit der russischen Gazprom – einen „take or pay“-Vertrag, | |
weswegen auch bei einem früheren Ausstieg Österreich weiterhin Milliarden | |
nach Russland überweisen müsste. Experten zweifeln dies an, da Russland | |
immer wieder seine Liefermengen drosselte und damit womöglich selbst | |
vertragsbrüchig geworden sei. | |
Mit Sicherheit sagen lässt sich das aber nicht, da die teilstaatliche OMV | |
den Liefervertrag streng unter Verschluss hält. Nicht einmal die | |
österreichische Regierung hat laut eigenen Angaben Einsicht. Bei der | |
Anbahnung war die damalige Regierungsspitze sehr wohl beteiligt: Ex-Kanzler | |
Sebastian Kurz stand 2018 lächelnd neben Putin, als der ohne Not | |
verlängerte Vertrag von den Unternehmensbossen in Wien unterschrieben | |
wurde. | |
## Wien hat es mit Loslösung von Moskau nicht eilig | |
An der Kippe könnte die [3][Gasversorgung] schon Ende 2024 stehen, da dann | |
der aktuelle Transitvertrag zwischen der Ukraine und Russland endet. | |
Verlängert werden soll er seitens der Ukraine nicht mehr – | |
verständlicherweise, finanziert doch Putin seinen Krieg bekanntermaßen mit | |
den Einnahmen aus dem Energiegeschäft. | |
Das drohende Transitende könnte für Österreich große Probleme mit sich | |
bringen, warnen Experten. Zwar drohe voraussichtlich keine Gasmangellage, | |
jedoch würden die Preise bei Lieferengpässen wie schon im Vorjahr neuerlich | |
durch die Decke gehen. Um dies zu vermeiden, bräuchte es den Ausbau eines | |
40 Kilometer Pipeline-Teilstücks nahe Linz. Der Ausbau geschieht aber bis | |
dato nicht, weil die Finanzierung noch nicht geklärt ist. Und weil es die | |
österreichische Regierung weiterhin nicht allzu eilig mit der Loslösung von | |
Russland hat. | |
20 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Florian Bayer | |
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