# taz.de -- Gesetz zu Gesundheitsdaten verabschiedet: Digitale Akte für alle | |
> Der Bundestag verabschiedet mehrere Gesetze zur Digitalisierung von | |
> Gesundheitsdaten. Das wirkt sich auf alle gesetzlich Versicherten aus. | |
Bild: Digitale Patientendokumentation in einer Berliner Klinik | |
BERLIN taz | Die [1][elektronische Patientenakte (ePA)] wird ab 2025 für | |
alle gesetzlich Versicherten, die nicht widersprechen, Pflicht. Das | |
entsprechende Digitalgesetz hat der Bundestag am Donnerstag mit den Stimmen | |
der Ampelkoalition [2][beschlossen]. | |
Das Gesetz sieht außerdem vor, dass das E-Rezept bereits ab dem kommenden | |
Januar zum Standard werden soll und dass etwa Telemedizin und zertifizierte | |
Gesundheits-Apps eine größere Rolle spielen sollen. Das zeitgleich | |
beschlossene Gesundheitsdatennutzungsgesetz [3][räumt Forscher:innen | |
aus Wissenschaft und Industrie die Möglichkeit ein, über das | |
Forschungsdatenzentum als Mittler, die Daten aus den Patientenakten zu | |
verwenden]. | |
Momentan gilt: Persönliche Daten, die bei einer Behandlung in einer | |
Arztpraxis, bei der Psychotherapeutin oder im Krankenhaus anfallen, bleiben | |
in der Regel vor Ort in der jeweiligen Akte des Patienten. Soll etwa die | |
Hausärztin auf die Befunde aus der Klinik zugreifen können, muss sich der | |
Patient in der Regel selbst um den Transfer der Dokumente kümmern. | |
Mit der elektronischen Patientenakte wird sich das ändern: Hier sollen alle | |
behandelnden Stellen auf Diagnosen und Befunde, verordnete Medikamente, | |
Ergebnisse von Laboranalysen oder bildgebenden Verfahren zugreifen können | |
– so die Betroffenen die Zugriffsrechte nicht einschränken. | |
Zwar ist es auch jetzt schon möglich, dass Versicherte sich eine ePA | |
einrichten lassen. Doch davon macht kaum jemand Gebrauch. Stand diese Woche | |
liegt die Zahl laut der Gematik, das ist die Gesellschaft für die | |
Digitalisierung des Gesundheitssystems, bei knapp 900.000. Das entspricht | |
rund 1,2 Prozent aller gesetzlich Versicherten in Deutschland. Ab 2025 wird | |
diese Zahl drastisch ansteigen: Wer nicht widerspricht, bekommt die ePA | |
dann automatisch. | |
## Kritik am Gemeinwohl-Begriff | |
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte am Donnerstag, die | |
neuen Regelungen würden zu einer „besseren, effizienteren Medizin“ führen. | |
Konkret nannte er das Beispiel eines chronisch kranken Patienten. Werde der | |
in einer neuen Facharztpraxis vorstellig, könne diese mit der ePA auf die | |
medizinische Vorgeschichte zugreifen. Das vermeide Doppeluntersuchungen und | |
ermögliche eine bessere Behandlung. | |
Kritik von der Opposition gab es unter anderem am Begriff „Gemeinwohl“. Die | |
Daten aus den ePA sollen pseudonymisiert – also etwa ohne Namen – der | |
wissenschaftlichen und industriellen Forschung zugänglich gemacht werden, | |
wenn es dem Gemeinwohl dient. Während die Union das als Einschränkung | |
kritisierte, kam aus der Linkspartei die Befürchtung, dass dieser Begriff | |
in der Praxis sehr dehnbar genutzt werden würde. Den unklaren | |
Gemeinwohlbegriff kritisiert auch Lucas Auer vom Verbraucherzentrale | |
Bundesverband (vzbv). Dadurch sei die Datennutzung für fast alle Zwecke und | |
Akteure möglich. | |
Grundsätzlich rät Verbraucherschützer Auer Versicherten schon zur Nutzung | |
der ePA. Er sagt aber auch: „Als Patient muss man damit mehr Verantwortung | |
übernehmen.“ Denn standardmäßg sei der Zugriff eben für alle | |
Behandler:innen und die Forschung erlaubt. Auer kritisiert außerdem: | |
„An manchen Stellen ist die Patientensouveränität nicht zu Ende gedacht.“ | |
So müssten Ärzt:innen darauf hinweisen, wenn sie besonders sensible Daten | |
wie etwa einen Schwangerschaftsabbruch oder eine psychische Krankheit in | |
die Akte einstellen, damit Betroffene direkt widersprechen können. | |
Allerdings lassen sich nicht einzelne Arzneien aus dem Medikationsplan | |
ausblenden. Wer etwa Psychopharmaka nimmt oder einen medikamentösen Abbruch | |
hatte, macht das also für alle anderen Ärzt:innen, die auf den | |
Medikationsplan zugreifen können, sichtbar. | |
Grundsätzliche Kritik kommt von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. | |
„Schwerstkranke und Pflegebedürftige, die ihre informationelle | |
Selbstbestimmung ausüben wollen, werden durch die Einführung der | |
elektronischen Patientenakte benachteiligt“, kritisiert Vorstand Eugen | |
Brysch. So gebe es weder ein Recht auf einen Medikationsplan in | |
Papierform noch darauf, dass alte Befunde von den Praxen in die ePA | |
eingestellt werden müssen. Damit könnten wichtige Informationen in der Akte | |
fehlen. | |
14 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Elektronische-Patientenakte/!5918459 | |
[2] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw50-de-digitalisierung-… | |
[3] /Plaene-fuer-digitales-Gesundheitssystem/!5973508 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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