# taz.de -- „The Daily Telegraph“ wechselt Besitzer?: Übernahme aus der W�… | |
> „The Daily Telegraph“ könnte in den Besitz eines Golfstaats übergehen. | |
> Das passt dem konservativen Establishment nicht. | |
Bild: Unter ausländischem Einfluss? „Daily Telegraph“ am Kiosk | |
London taz | Die britische Zeitung The Daily Telegraph wurde einst [1][als | |
Boris Johnson's Sprachroh]r bezeichnet. Doch der Telegraph könnte in den | |
Besitz eines Golfstaats übergehen. | |
Die Familie Barclay, in deren Besitz die konservativ bis rechts | |
positionierte Zeitung gemeinsam mit dem rechten Politmagazin The Spectator | |
seit 2004 ist, verlor im Juni ihre Kontrolle darüber. Grund ist ein | |
Schuldenberg in Höhe von umgerechnet 1,4 Milliarden Euro. Versuchen, | |
finanzielle Unterstützung bei anderen britischen Medienbesitzern zu finden, | |
kam ein besseres Angebot zuvor. | |
Das Investmentunternehmen RedBirdwill den Schuldenberg übernehmen. Hinter | |
RedBirdverbirgt sich der Vizepräsident der Vereinigten Arabischen Emirate: | |
Abu Dhabis Scheich Mansour bin Zayed Al-Nahyan. [2][Mansour ist bekannt als | |
Besitzer des Fußballvereins Manchester City.] | |
## Möglicher Einfluss von China oder Russland | |
Der bereits überwiesene Betrag sollte die Liquidation der Zeitung | |
verhindern, der Deal ist aber noch nicht von den zuständigen Behörden | |
abgesegnet. Das liegt an kritischen Stimmen aus den Reihen konservativer | |
Politiker:innen, die sich gemeinsam in einem offenen Brief gegen die | |
Übernahme durch einen anderen Staat aussprachen. | |
Der lauteste unter ihnen war der ehemalige Tory-Chef Iain Duncan Smith. In | |
einem Meinungsstück im Daily Telegraph selbst sprach er von potenziellen | |
Risiken, etwa möglichem Einfluss von China oder Russland auf Abu Dhabi. | |
Gerade in einer Zeit der Beeinflussungsversuche in den sozialen Medien sei | |
die Unabhängigkeit des Daily Telegraph wichtig. | |
Die Investitionsgesellschaft versprach, dass man die derzeitigen | |
Redaktionen von Telegraph und Spectator unberührt lassen wolle, und | |
betonte, dass die redaktionelle Unabhängigkeit essenziell für den Ruf und | |
die Glaubwürdigkeit der Publikationen sei. Der Vorsitzende von RedBird, der | |
ehemalige CNN-Chef Jeff Zucker, sagte sogar, er würde sein Amt niederlegen, | |
sollte Abu Dhabi auf die Zeitung Einfluss nehmen. | |
Doch die für Medien verantwortliche Ministerin Lucy Frazer wollte sich | |
nicht auf bloße Versprechen verlassen. Sie beauftragte die britische | |
Wettbewerbsbehörde mit einer Überprüfung. Dabei geht es um die Frage, ob | |
der Besitz der Zeitung durch einen fremden Staat eine Gefährdung der | |
britischen Demokratie darstellen könnte. Ähnliches soll gleichzeitig von | |
der britischen Medienaufsichtsstelle überprüft werden. Ergebnisse werden | |
spätestens am 26. Januar erwartet. | |
## Gefährdung der britischen Demokratie? | |
Auch wenn bisher keinem anderen Staat eine der großen britischen Zeitungen | |
oder sonstige Medien als Ganzes gehören, war der Daily Telegraph im | |
Privatbesitz keineswegs frei von Kontroversen. Als sie die Zeitung 2004 | |
übernahmen, war der Sitz der Barclays in der Steueroase der britischen | |
Kanalinseln. So anders als Abu Dhabi ging es dort nicht zu, denn erst 2008, | |
also vier Jahre nach der Übernahme, gab es in den Kanalinseln die ersten | |
demokratischen Wahlen seit 450 Jahren. | |
Die Barclay-Brüder David und Frederick standen Margaret Thatcher nahe und | |
befürworteten später den Brexit. Sie haben ihr Kapital nicht nur auf den | |
Kanalinseln, sondern etwa auch auf Bermuda angelegt und waren in | |
Großbritannien von Steuerpflichten befreit. Der Ankauf der Zeitung soll | |
durch Anleihen der Bank HBOS unter Peter Cummings, dem damaligen Chef der | |
Immobiliensparte, gelaufen sein. Es war das größte Darlehen, das unter | |
Cummings Führung je vergeben wurde. | |
Als HBOS 2008 fast kollabierte und von Lloyds Bank übernommen wurde, | |
forderte Letztere die Rückzahlung der Anleihen. Das war der Beginn der | |
Probleme der Barclays, denn auch zahlreiche ihrer anderen Unternehmen | |
entstanden als kreditfinanzierte Übernahmen. | |
In Großbritannien kennt man sich aus mit der Beeinflussung von Medien durch | |
ihre Besitzer: [3][Times und Sun etwa gehören zum Murdoch-Imperium.] Der | |
2021 gegründete rechte TV-Sender GB-News wurde durch Legatum, ein | |
Investfond in Dubai, mitgegründet. 2010 übernahm der russische Oligarch | |
Alexander Lebedew die Zeitung The Independent. Doch dass eine altehrwürdige | |
Zeitung komplett vom Staatsoberhaupt eines anderen Landes, dazu noch einer | |
Diktatur, übernommen wird, das wäre selbst für Großbritannien neu. | |
3 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
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