| # taz.de -- Tiktok und „ Daily Telegraph“: Freier Markt nur, wenn es passt | |
| > Gerade im Mediengeschäft mischen sich auch erzkapitalistische Staaten | |
| > gern in ihren geheiligten freien Markt ein. Ob das allerdings Sinn | |
| > ergibt? | |
| Bild: Die britische Regierung stoppte den Verkauf des „Daily Telegraph“ nac… | |
| „Der Markt regelt alles“, lautet der Glaubenssatz des entwickelten | |
| Kapitalismus. Oder wenn schon nicht der Markt, dann aber Google. Dass dies | |
| natürlich so nicht stimmt, lässt sich tröstlicherweise an der einen oder | |
| anderen Einmischung erzkapitalistischer Staaten in ihren ach so geheiligten | |
| Markt ablesen. Ob die allerdings so viel Sinn ergeben, sei dahingestellt. | |
| Da erlassen also die USA ein [1][Gesetz, um Tiktok] zu verbieten. Genauer | |
| gesagt soll die Social-Media-Plattform in den Vereinigten Staaten dem | |
| Einfluss des chinesischen Mutterkonzerns Bytedance entzogen werden. | |
| Bytedance muss die US-Aktivitäten von Tiktok innerhalb von 270 Tagen | |
| entweder an ein US-Unternehmen verkaufen oder es ist Schluss. | |
| Die Uhr tickt, US-Präsident Joe Biden hat das Gesetz vor zwei Wochen | |
| unterschrieben und damit in Kraft gesetzt. Hintergrund sind Befürchtungen, | |
| dass China hier ungehindert Daten sammelt und mit seinen Algorithmen | |
| US-Hirne verwirrt. „Oder gar mehr Daten gesammelt hat als sie selbst und | |
| damit Marktführer ist“, sagt die Mitbewohnerin. „Wer die Daten hat, hat die | |
| Macht!“ | |
| Auch in Großbritannien, wo die auf ihren Markt so stolzen Konservativen | |
| regieren, dreht der Markt ein bisschen zu frei. Die konservative Zeitung | |
| [2][Daily Telegraph] stand bekanntlich zum Verkauf (taz berichtete). Und | |
| zunächst sah es so aus, als ob das Konsortium RedBird IMI im Einvernehmen | |
| mit der früheren Eigentümerfamilie Barclay zum Zuge käme. | |
| ## Und frühere Einkaufstouren? | |
| Da RedBird IMI aber von einem Fonds aus den Vereinigten Arabischen | |
| Emiraten mitfinanziert wird, bei dem die dortige Herrscherfamilie | |
| involviert ist, platzte der Deal letzte Woche. Denn die Regierung hat ein | |
| Gesetz angekündigt, nachdem ausländische Staaten oder Personen keine | |
| Anteile an britischen Presseunternehmen erwerben dürfen. Hätten sie das | |
| bloß schon erlassen, als der Australier Rupert Murdoch in den 1980ern | |
| [3][auf Einkaufstour] ging! | |
| Aber wäre da den Brit*innen wirklich was erspart geblieben? Denn | |
| schlimmer geht immer. In UK gehört jetzt der Rechtsaußen-Finanzinvestor | |
| Paul Marshall zu den aussichtsreichsten Kandidaten für eine | |
| Telegraph-Übernahme. Marshall finanziert schon den umstrittenen | |
| Nachrichtenkanal GB News. Der Sender ist das, was Julian Reichelts Nius | |
| gerne wäre, also eine Art Fox-News-Abklatsch mit großer Abteilung für | |
| Verschwörungsschwurbel. „Also auch ein kapitalistischer Datenmoloch“, so | |
| die Mitbewohnerin. | |
| Auch in den USA könnte die Sache mit dem Tiktok-Verbot nach hinten | |
| losgehen. Vielleicht greift ja die Trump-Organisation zu und koppelt Tiktok | |
| an die „True Social“-Plattform des großen Angeklagten. Der war als | |
| US-Präsident noch strengstens für ein Tiktok-Verbot und ist heute natürlich | |
| komplett dagegen. Gewonnen wäre dann nichts, wie in Großbritannien beim | |
| Daily Telegraph. Außer der Erkenntnis, dass Eingriffe in den freien | |
| (Medien-)Markt so eine Sache sind … | |
| 13 May 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Steffen Grimberg | |
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