# taz.de -- Medienwissenschaftlerin über Peter Weir: „Alle seine Figuren suc… | |
> Das Hamburger Metropolis-Kino zeigt Langfilme des australischen | |
> Regisseurs Peter Weir. Der blieb trotz Erfolg immer eine Art | |
> Hollywood-Außenseiter. | |
Bild: Wenn viktorianische College-Kultur und erotisch aufgeladene Wildnis kolli… | |
taz: Frau Wottrich, Sie haben einst Ihre Magisterarbeit über die Filme von | |
Peter Weir geschrieben. Wissen Sie noch, was Sie an ihm so interessant | |
fanden? | |
Erika Wottrich: Ich fand ihn toll und mochte alle seine Filme. Als ich zu | |
studieren begonnen habe, [1][lief gerade „Der Club der toten Dichter“ in | |
den Kinos] – und ich war begeistert. So habe ich mein Studium mit Peter | |
Weir begonnen und auch beendet. | |
Seine Filme zeichnen eine immense inhaltliche und stilistische Bandbreite | |
aus: vom Naturmystizismus von „Die letzte Flut“ (1977) bis zu einer | |
romantischen Tragikomödie wie „Green Card“ (1990). Was verbindet sie | |
miteinander? | |
In fast all seinen Filmen kommt es zu Kollisionen zwischen zwei Welten. In | |
„Picknick am Valentinstag“ ist dies zum Beispiel die viktorianische | |
englische College-Kultur und die wilde, erotisch aufgeladene Natur. Oder in | |
„Der letzte Zeuge“ das moderne Amerika gegen die traditionell lebende | |
Gemeinschaft der Amischen. Peter Weir hat das damit erklärt, dass er als | |
Australier ja weit weg lebt von seinen europäischen Wurzeln. Und weil er | |
die Geschichte seiner Herkunft nicht kennt, fehlt etwas – und so ist er | |
immer ein Suchender. Alle seine Filmfiguren suchen etwas. | |
Ist er nicht vor allem ein sehr geschickter Erzähler? | |
Ja, aber er hat auch einen eigenen Stil, der sich jedoch nicht in den | |
Vordergrund drängt. Er inszeniert seine oft leicht mysteriösen Geschichten | |
mit wenig Dialog und er lässt sich Zeit damit. Vom australischen Kino sagt | |
man ja, es stehe zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Film: Vom | |
amerikanischen kommt die Vorliebe für das Genrekino, vom europäischen die | |
eher langsame Erzählweise. | |
Weirs Karriere ist bemerkenswert und begann schon mit seinen ersten, noch | |
in Australien gedrehten Filmen. | |
Er hatte auch Glück, denn er begann in der Zeit der Neuen Welle des | |
australischen Films in den 1970er-Jahren als Regisseur zu arbeiten. Und da | |
wurde viel in die aufkeimende australische Filmindustrie investiert. | |
Neben dem Regisseurkollegen George Miller („Mad Max“) hat er auch den | |
Darsteller Mel Gibson zu einem internationalen Star gemacht – durch die | |
Filme „Gallipoli“ (1981)und „Ein Jahr in der Hölle“ (1982). | |
Und zwar in Rollen, die man ihm vorher nicht zugetraut hätte! Das Gleiche | |
passierte mit Harrison Ford in „Der einzige Zeuge“. Peter Weir hat oft | |
Schauspieler gegen ihr Image besetzt und sie waren dann in seinen Filmen | |
auch sehr gut. | |
War er nicht auch der erste, der – [2][in „The Truman Show“ (1998)] – d… | |
Komödianten Jim Carrey mit einer ernsten Rolle betraut hat? | |
Ja, ganz ähnlich wie Robin Williams in „Der Club der toten Dichter“. Sie | |
wollten beide ins Fach der Charakterdarsteller wechseln, Weir bot ihnen die | |
Chance. | |
Weir hat sieben Filme in Hollywood gedreht und war für sechs davon für den | |
Oscar nominiert. Bekommen hat er ihn aber erst 2022 für sein Lebenswerk. | |
War er also einerseits erfolgreicher Hollywood-Regisseur, blieb aber, wie | |
etwa auch Alfred Hitchcock, ein Außenseiter? | |
Er verlangt den ZuschauerInnen in seinen Filmen immer ein wenig mehr ab, | |
denn er erklärt wenig und traut dem Publikum zu, dass es selbst | |
interpretieren kann. Und er ist nie sentimental: In „Der einzige Zeuge“ | |
oder „Green Card“ gelingt es ihm immer gerade so am Kitsch vorbei zu | |
rutschen. | |
[3][Das Metropolis-Kino] zeigt im Januar und Februar nun alle 15 Langfilme | |
Peter Weirs, auch sein kaum bekanntes Debüt „Homesdale“ (1971), angekündi… | |
als „groteske Komödie“. Auch sein zweiter Film mit dem schönen Titel „T… | |
Cars That Ate Paris“ – deutscher Verleihtitel: „Die Killer-Autos von Pari… | |
– war 1972 ja sehr makaber. Für seinen Humor ist Weir aber eher nicht | |
bekannt, oder? | |
Es hat auch bei mir gedauert, bis ich diese Seite an ihm entdeckt habe. | |
Dabei gehörte er in seiner Jugend zu einer Schauspielgruppe, die Sketche im | |
Stil von Monty Python aufgeführt haben. | |
Seinen letzten Film „Der lange Weg“ hat er 2010 herausgebracht. Glauben | |
Sie, da kommt noch was? | |
Nein – und ich finde es schade, dass es keine neuen Filme von ihm mehr | |
geben wird. Er hatte zwar noch weitere Filmprojekte geplant, ist dann aber | |
in den Ruhestand gegangen. Wohl auch, weil die Studios seine Art von Filmen | |
nicht mehr produzieren. „Der lange Weg“ wurde ja auch schon unabhängig | |
finanziert und war dann nicht so erfolgreich wie seine früheren Filme. Er | |
hat seine Karriere mit dem letzten Stadium eines Vulkans verglichen: Der | |
ist entweder aktiv, er ruht oder er ist erloschen. Im August wird Peter | |
Weir 80 Jahre alt, und ich hoffe, im Laufe des Jahres werden seine Filme | |
auch noch an vielen anderen Orten gezeigt. | |
2 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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