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# taz.de -- Männliche Brustprivilegien: Zeit für Nippel-Gleichberechtigung
> Das Land Berlin räumt ein, dass der Rauswurf einer Frau aus einem
> Wasserspielplatz wegen ihres fehlenden Oberteils diskriminierend war.
> Geht doch!
Bild: Weibliche Brüste in der Öffentlichkeit zu zeigen, ist kein Verbrechen
Die Aufregung war groß, als Gabrielle Lebreton im Sommer 2021 von der
Security rabiat von einem Wasserspielplatz [1][in Berlin geworfen wurde],
weil sie sich ohne Badeoberteil gesonnt hatte. Ihr Freund, ebenfalls oben
ohne, blieb hingegen unbehelligt. Schnell entbrannte bundesweit eine
Diskussion über männliche Brustprivilegien im öffentlichen Raum.
Auf einer Demo wenige Tage später radelten Feminist*innen über das
Tempelhofer Feld, die Männer im BH und die Frauen oben ohne. Die Initiative
„Gleiche Brust für alle“, ein Zusammenschluss von Aktivist*innen aus
Berlin, Dresden, Göttingen, Augsburg und anderen Städten, startete eine
[2][Petition]: Darin fordern sie, „dass alle Personen unabhängig des
Geschlechts sich gleichermaßen ohne Einschränkungen mit freiem Oberkörper
bewegen dürfen“.
Auch Gabrielle Lebreton ließ sich das nicht gefallen: Weil die Architektin
in der Ungleichbehandlung eine Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts
erkannte, verklagte sie das Land Berlin nach dem
Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG), eine [3][bundesweit einmalige
Regelung], mit der Bürger*innen gegen staatliche Diskriminierung
vorgehen können.
Doch dem Tiger wurden zunächst die Zähne gezogen: Das Landgericht Berlin
wies die Klage im vergangenen Jahr ab und erklärte die Ungleichbehandlung
wegen des Schutzes eines „geschlechtlichen Schamgefühls“ in Teilen der
Gesellschaft für gerechtfertigt. Ein [4][Rückschlag nicht nur für das
LADG], das dadurch quasi wirkungslos geworden war, sondern auch für die
feministische Bewegung.
## Schluss mit der unerwünschten Sexualisierung!
Doch Lebreton wollte sich damit nicht zufriedengeben, immerhin wurde sie
aufgrund ihres weiblichen Körpers vor den Augen ihres Sohnes öffentlich
gedemütigt. Mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte legte
sie Berufung ein – mit Erfolg: [5][Das Land Berlin erkannte nun an], dass
Frauen nicht schlechter behandelt werden dürfen als Männer, wenn sie sich
in der Öffentlichkeit sonnen.
Freilich erst, nachdem das Berliner Kammergericht deutlich gemacht hatte,
dass eine Schlechterbehandlung gegenüber männlichen Besuchern anzunehmen
sei, an deren Rechtfertigung Zweifel bestünden. So oder so bekam Gabrielle
Lebreton nach über zwei Jahren in zweiter Instanz Recht.
Die Folgen des Urteils sind weitreichend: Zum einen bekommt das LADG seine
Zähne zurück. Denn was nützt es, wenn gegen eine klare Diskriminierung
nicht vorgegangen werden kann, weil irgendjemand etwas anstößig finden
könnte. Zum anderen herrscht im öffentlichen Raum in Berlin nun
Nippel-Gleichberechtigung. Und das nicht nur im Freibad, wie es in einigen
Städten wie Göttingen oder Hamburg und mittlerweile auch in Berlin bereits
der Fall ist.
Ganz zu Ende ist die Geschichte damit allerdings noch nicht: Denn das Land
Berlin erkennt die Diskriminierung zwar an, will dafür jedoch nicht so
richtig zahlen. Statt der geforderten 10.000 Euro Entschädigung bietet es
lediglich 750 Euro. Eine Frechheit, findet Lebretons Anwältin Leonie Thum:
„Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein“, sagt
sie. Schließlich gehe es darum, dass so etwas nicht noch einmal passiert.
Bei 750 Euro Strafe könnte sich allerdings selbst das stets klamme Berlin
noch die ein oder andere Diskriminierung leisten.
Gabrielle Lebreton wünscht sich für die Zukunft vor allem eines: „Dass die
systematische und unerwünschte Sexualisierung des weiblich gelesen Körpers
aufhört.“ Dafür allerdings braucht es mehr als Gesetze.
21 Dec 2023
## LINKS
[1] /Kampf-fuer-Gleichberechtigung/!5843208
[2] https://www.change.org/p/gleiche-brust-f%C3%BCr-alle
[3] /Berlins-neues-Antidiskriminierungsgesetz/!5688439
[4] /Plansche-Urteil-in-Berlin/!5878153
[5] /Plansche-Prozess/!5977917
## AUTOREN
Marie Frank
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
LADG
Brüste
Sexismus
Nacktheit
wochentaz
Kunstgeschichte
Landesantidiskriminierungsgesetz
Kunst
Schönheit
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