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# taz.de -- Schneechaos im Freistaat: Bahn, Bayern, Endstation
> Schnee und Kälte haben den Bahnverkehrin Südbayern lahmgelegt. So etwas
> in Zukunft zu verhindern, wird nicht leicht, ist aber auch nicht
> unmöglich.
Bild: Bayern weiß, weil schwarz
Bayerische Bäume können dem Gewicht der Schneemassen nicht standhalten und
stürzen auf Bahngleise. Wie so oft aber, [1][wenn in Bayern was nicht
funktioniert,] ist Berlin schuld. So auch jetzt am totalen Stillstand des
öffentlichen Nahverkehrs in München.
Am Boden, Dutzende Zentimeter unter der weißen Decke, vereisen Weichen,
Heizsysteme springen nicht an. In der Höhe frieren Oberleitungen ein.
Frieren tun auch die Menschen am Münchner Hauptbahnhof, die vergeblich auf
die Abfahrt ihrer Züge warten – einige so lange, dass sie die Nacht im ICE
verbringen müssen. Zahlreiche Bahnstrecken rund um die bayerische
Landeshauptstadt werden gesperrt, der Zugverkehr von dort und dorthin steht
still. Innerhalb der Stadt fährt keine Tram. Auch der Flughafen muss seinen
Flugbetrieb für mehrere Tage fast komplett einstellen.
Auf der Schiene geht tagelang nichts mehr. Der Deutschen Bahn und dem
Münchener Verkehrsbetrieb MVG fehlen Räumfahrzeugen. Tramfahrer:innen
müssen selbst Hand anlegen und mit Eiskratzer und Salzeimer Meter für Meter
ihrer Strecken freilegen. Am Freitag, immerhin, waren die meisten Linien –
oder besser: „Eiskutschen“, wie in leuchtenden Lettern auf einigen der Züge
stand – wieder in Betrieb. Verspätungen und Ausfälle aber gab es nach wie
vor.
Die Deutsche Bahn bittet um Entschuldigung und verweist auf die extreme
Wetterlage, genau wie Bayerns Verkehrsminister [2][Christian Bernreiter]
(CSU): „Was wir in München erlebt haben, war kein normaler Wintereinbruch,
sondern die größte Schneemenge in München seit Beginn der
Wetteraufzeichnung. Das war eine extreme Sondersituation in kürzester
Zeit.“ Tatsächlich hat es in München am ersten Dezemberwochenende so viel
geschneit wie noch nie in einem Dezember seit Anfang der 1930er Jahre,
satte 45 Zentimeter türmten sich auf. Am Mittwoch danach, dem Nikolaustag,
gesteht Bernreiter aber auch: „Die Situation auf der Schiene dauert jetzt
schon deutlich zu lange an“, die Bahn müsse sich in Zukunft besser für
Extremsituationen wappnen. „Da ist deutlich gespart worden, zum Beispiel
beim schweren Räumgerät“, beklagt der Landesverkehrsminister.
## Ein CSU-Desaster
Maßgeblich verantwortlich fürs Sparen waren die Bundesverkehrsminister, von
2010 bis 2021 Bernreiters CSU-Parteikollegen Peter Ramsauer, Alexander
Dobrindt, Christian Schmidt und Andreas Scheuer. „Nach jahrzehntelanger
Sparpolitik“ sei die Bahn nun eben [3][„auf Kante genäht“], kritisiert a…
Detlef Neuß, der Bundesvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn. Das
deutsche Schienennetz gilt nahezu unbestritten als marode. Die Konsequenz,
laut Neuß: „große Störanfälligkeit“.
Plötzlichen Schneemassen ist auch ein perfekt saniertes Schienensystem
nicht zu hundert Prozent gewappnet. Wenn Bäume zusammenbrechen, können sie
auch beheizte Weichen blockieren. Wenn Fachkräfte beschädigte Leitungen
reparieren sollen, kann es sein, dass [4][Schnee] und Glatteis auch ihnen
den Weg zur Arbeit erschweren. Und trotzdem sind Länder wie Österreich und
die [5][Schweiz] schneller aus der Schneeschockstarre aufgetaut. Ihre
Bahnen speisen sich nicht aus Haushaltsgeldern, die jährlich neu verhandelt
werden. Ihnen stehen Mittel aus extra Töpfen zur Verfügung, die
langfristige Planungen und Investitionen in Personal und Infrastruktur über
mehrere Jahre hinweg ermöglichen. So stehen in der Schweiz im Falle
extremer Wintereinbrüche spezielle Teams bereits, einzig und allein betraut
mit der Aufgabe, die Schienen so schnell wie möglich wieder befahrbar zu
machen.
Das Argument, dass starke Schneefälle und extreme Kälte in Deutschland in
Zeiten von Klimakrise und Erderhitzung nicht zu erwarten waren, zählt auch
nicht ganz. Die Klimakrise macht [6][Wetterextreme wahrscheinlicher],
mahnt Detlef Neuß zu recht an – Schneefall hängt sogar direkt mit der
Veränderung des Weltklimas zusammen. Wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit
aufnehmen, die im Winter als extremer Schnee runterkommen kann.
Grundsätzlich schneit es den Aufzeichnungen zufolge seltener – aber wenn,
dann richtig. Außerdem wären etwa Investitionen in Zäune, die im Winter
Schnee vor Schienen abfangen, ein guter Schutz gegen Schlamm und Geröll in
anderen Wetterlagen.
Die deutsche Bundesregierung ist sich der Schwächen der Deutschen Bahn
schon lange bewusst. Nicht nur im Winter mangelt es an Personal, die
Pünktlichkeitsquoten sanken zuletzt auf einen Tiefpunkt. Der Bund plant
deshalb eine tiefgreifende Bahnreform und wollte bis 2027 40 Milliarden
Euro in den Staatskonzern, vor allem in die Sanierung des Gleisnetzes
stecken. Angesichts des Haushaltsstreits in der Bundesregierung wackelt
diese Summe. Sicher sind Einnahmen aus der Lkw-Maut, die der Bundestag vor
Kurzem erhöht hat und die direkt in die Bahn fließen sollen. Wie nötig das
ist, hat die Ausnahmesituation in Bayern gezeigt. Der Bahn geht es ohnehin
schlecht, Wetterextreme infolge des Klimawandels sorgen für noch mehr
Chaos. Mehr Geld für die Schiene kann das nicht ganz verhindern. Helfen
aber würde es auf jeden Fall.
Während in Bayern weiter vor Schnee und Glätte gewarnt wird, suchen einige
Menschen das Glück im Unglück: Immerhin, der Streik der
Lokführergewerkschaft GDL am Donnerstag und Freitag habe sie nicht so hart
getroffen. Es sei ja schon vorher nix gefahren.
8 Dec 2023
## LINKS
[1] /Wintereinbruch-in-Sueddeutschland/!5978104
[2] https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiowelt/verkehrsminister-bernre…
[3] /Volker-Wissing-und-die-Probleme-der-Bahn/!5952265
[4] /Joggen-gehen-und-nachdenken/!5931719
[5] /Investitionen-in-die-Deutsche-Bahn/!5961271
[6] /Forscherin-ueber-zuviel-Regen-im-Norden/!5949037
## AUTOREN
Nanja Boenisch
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