# taz.de -- Debatte um Kulturförderung: Oyoun zeigt die Zähne | |
> Das Kulturzentrum weist neue Vorwürfe zurück. Es verklagt die | |
> Kulturverwaltung wegen Ende der Förderung und macht Festival mit der | |
> „Jüdischen Stimme“. | |
Bild: Betrübt ob der drohenden Schließung: Lara Chahal, Nina Martin und Louna… | |
Berlin taz | Das Kulturzentrum Oyoun wehrt sich gegen neu aufgekommene | |
Antisemitismus-Vorwürfe. „Wir machen viel zu Antidiskriminierung und vor | |
allem gegen Antisemitismus“, erklärte Mitgründerin und Leiterin für | |
Fundraising Nina Martin am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in den | |
Räumen an der Neuköllner Hasenheide. | |
Martin verwies auf den [1][„Code of Conduct“ des Oyoun], der „jegliche Fo… | |
von Rassismus oder Diskriminierung wie antischwarzen, antimuslimischen | |
Rassismus oder Antisemitismus“ verbietet und auch Besucher*innen in | |
diesem Sinne verpflichtet. Über die Einhaltung würden zwei ausgebildete | |
Antidiskriminierungsbeauftragte wachen, so Martin, die auch externe | |
Gast-Veranstaltungen überprüften und im Zweifel das Gespräch mit | |
Veranstaltern suchten. | |
Der Tagesspiegel hatte vor zwei Tagen von neuen Vorwürfen gegen [2][die von | |
Schließung bedrohte Kulturinstitution] berichtet. Unter anderem geht es | |
darum, dass das Oyoun seine Räume wiederholt Organisationen wie der | |
„Palästina Kampagne“ und „Palästina spricht“ überlassen hat, die nach | |
Auffassung der Kulturverwaltung gegen das Existenzrecht Israels gerichtete, | |
antisemitische Positionen vertreten. Bereits im Mai 2022 habe die | |
Kulturverwaltung das Oyoun gewarnt, solchen Gruppen Räume zur Verfügung zu | |
stellen, so die Zeitung, dies verstoße gegen das 2019 beschlossene | |
Landeskonzept zur Weiterentwicklung von Antisemitismus-Prävention“. | |
In einer schriftlichen Stellungnahme, die am Donnerstag verteilt wurde, | |
bekräftigte das Oyoun, das Landeskonzept Antisemitismus werde immer | |
eingehalten. Der Tagesspiegel berichtete zudem von weiteren Vorwürfen rings | |
um das Thema Antisemitismus gegen Geschäftsführerin Louna Sbou im früher | |
von ihr mitbetriebenen Café Be’kech. Dazu erklärten Sbou und Martin, diese | |
Vorwürfe seien vor der Zeit des Oyoun geschehen und hätten mit der | |
aktuellen Situation nichts zu tun. | |
## Offizielles Wording | |
Aktuell droht dem Oyoun das Aus zum Jahresende, weil die Kulturverwaltung | |
seine Förderung einstellt. Hintergrund ist eine Veranstaltung des Vereins | |
Jüdische Stimme vom 4. November. Auch dieser Verein gilt dem Senat als | |
antisemitisch. Die Kulturverwaltung hatte im Vorfeld das Oyoun | |
aufgefordert, die Veranstaltung abzusagen. Als dies nicht geschah, | |
[3][kündigte Kultursenator Joe Chialo (CDU) in einer Sitzung des | |
Kulturausschusses zwei Tage später die Überprüfung der Förderung an]. | |
Zwei Wochen darauf, am 20. November, erklärte Chialo im selben Ausschuss, | |
die Förderung des Oyoun laufe zum Jahresende aus. Von einem Zusammenhang | |
mit der Veranstaltung sprach er dann aber nicht mehr, seither ist das | |
offizielle Wording, die Förderung laufe „regulär“ aus, weitergehende | |
Zusagen an das Oyoun habe es nie gegeben. | |
Das sehen die Macher*innen des Oyoun anders. Es habe „mehrfach“ eine | |
Zusage der Kulturverwaltung für eine Förderung bis einschließlich 2025 | |
gegeben, bekräftigte Geschäftsführerin Louna Sbou am Donnerstag. Ohne diese | |
Zusage hätte es auch weitere Fördermittel für viele geplante | |
Veranstaltungen und Projekte gar nicht gegeben. | |
Das Oyoun hat daher am 7. Dezember Klage gegen die Kulturverwaltung | |
eingereicht. Die Macher*innen sehen die Senatsverwaltung in der Pflicht | |
die Förderung fortzusetzen, pro Jahr mit knapp einer Million Euro. Davon | |
seien 30 Arbeitsplätze abhängig, zudem viele schon vereinbarte | |
Kooperationen mit Künstler*innen und Gruppen sowohl in Berlin als auch | |
national und international. | |
## „Bedrohung der Meinungsfreiheit“ | |
Als Beweis dafür, dass der Förderstopp kein reguläres Auslaufen der | |
Förderung sondern politisch motiviert ist, nannte Martin auch die | |
Kurzfristigkeit, mit der all dies geschah. Erst vor wenigen Tagen habe der | |
Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses den Weg für eine Neuausschreibung des | |
Kulturstandorts freigemacht. Die Ausschreibung habe kein Datum für eine | |
Frist, so Martin, vermutlich werde das Haus in der Lucy-Lameck-Straße über | |
Monate leer stehen. „Wenn die Förderung einfach ausgelaufen wäre, wäre das | |
alles längerfristig vorbereitet worden“, erklärte sie. | |
Die Macher*innen des Oyoun bekräftigten am Donnerstag ihren Anspruch, | |
minoritären Gruppen und Perspektiven einen „safe space“ für Austausch und | |
Repräsentation zu geben. Das Haus hat einen | |
queerfeministisch-postkolonial-migrantischen Schwerpunkt, arbeitet | |
intersektional und viel mit internationalen Kooperationspartnern zusammen. | |
Doch dieser Schwerpunkt, der von der Berliner Landespolitik vor einigen | |
Jahren noch gewünscht und gelobt worden sei, sei offenbar nicht mehr | |
erwünscht, sagte Sbou. | |
Was mit dem Oyoun gerade geschehe, müsse als „Weckruf für die Bedrohung der | |
Meinungsfreiheit“ gesehen werden, Kultureinrichtungen und Kulturschaffende | |
müssten jetzt zusammen stehen. Sbou wies darauf hin, dass einen Offenen | |
Brief zum Erhalt des Oyoun bereits über 13.000 Menschen unterschrieben | |
hätten. Ihre Kollegin Martin erklärte, sie sehe die Gefahr einer Zunahme | |
von gruppenbezogenem Rassismus und Generalverdacht. „Migrantische | |
Positionen sind nur dann erlaubt, wenn sie die Perspektive der | |
Mehrheitsgesellschaft nicht erweitern“, sagte sie. | |
Für dieses Wochenende hat das Haus, das sich seit Beginn seiner Arbeit | |
Anfang 2020 einen internationalen Ruf erarbeitet hat, ein Protest-Festival | |
organisiert. Unter dem Motto [4][“Threads of Resiliance“] gibt es seit | |
Donnerstagabend ein breit gefächertes Programm, unter anderem mit | |
Vertreter*innen der Jüdischen Stimme und Naomi Klein (online) zum Thema | |
„Israel, Palestine and the Doppelganger Effect“. | |
14 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://oyoun.de/code-of-conduct/ | |
[2] /Kulturfoerderung-gecancelt/!5972860 | |
[3] /Kulturpolitik-im-Nahost-Konflikt/!5968435 | |
[4] https://oyoun.de/programm/?mc_cid=4fe2cfdb9b&mc_eid=af789823b7 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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