# taz.de -- Neurotischer „Ärztestreik“: Blutrote Lettern helfen nicht | |
> Tausendfach schließen Praxen, um gegen das „Kaputtsparen“ im | |
> Gesundheitssystem zu demonstrieren. Beitragszahler:innen müssen aber | |
> mit ins Boot. | |
Bild: Im Wartezimmer einer Arztpraxis | |
BERLIN taz | Die Bildersprache des Verbändebündnisses „Praxis in Not“, das | |
hinter dem aktuellen tausendfachen „Streik“ von Arztpraxen steht, ist ein | |
Problem. Auf der Website von „[1][Praxis in Not“] sieht man einen düsteren | |
Raum in einem Abbruchhaus, darin steht ein vorsintflutlicher | |
Gynäkologenstuhl, an der Wand lehnen Holzkrücken, Staub und Schimmel | |
überall. „Medizin 2025: Kaputtgespart“ steht in blutroten Lettern über dem | |
Bild. | |
Himmel, wie hysterisch ist das denn? Als ob alle Arztpraxen dichtmachen und | |
verfallen müssen wegen der Sparpolitik des bösen Gesundheitsministers Karl | |
Lauterbach. | |
Diese Art der Kommunikation hilft niemandem angesichts der Diskussion um | |
die Zukunft der niedergelassenen Ärzt:innen. Bei diesen handelt es sich | |
gewissermaßen um Zwitterwesen: Es sind Freiberufler, aber sie sind dem | |
freien Markt nicht so ausgesetzt wie etwa Gastronomen, sondern haben durch | |
die gesetzlich versicherten Patient:innen eine gesicherte | |
Einnahmequelle. | |
Allerdings ist genau diese Einnahmequelle über die gesetzliche | |
Krankenversicherung das Problem: Die Krankenkassen speisen sich nun mal aus | |
den Beiträgen der Versicherten, diese Summen sind leider endlich und auch | |
konjunkturabhängig. | |
## Wachsender Bedarf | |
Der Bedarf an gesundheitlicher Versorgung ist aber nicht endlich, im | |
Gegenteil, er wächst in einer [2][alternden Gesellschaft] mit medizinischem | |
Fortschritt. Es ist verständlich, dass die Ärzt:innen diesen Widerspruch, | |
der über die Budgetierung dann zu quasi unbezahlter Mehrarbeit führt, nicht | |
allein ausbaden wollen. | |
Unverschämt ist allerdings, wenn Ärzt:innen drohen, nur noch privat | |
Versicherte zu behandeln. Immerhin haben sie ein teures Medizinstudium | |
umsonst, also von der Allgemeinheit finanziert, bekommen. | |
Absehbar ist: Die Beiträge des Einzelnen für die gesetzlichen Krankenkassen | |
werden in einer alternden Gesellschaft steigen müssen. Nicht alle | |
Ärzt:innen werden zu Hochverdiener:innen. Unbezahlte Mehrarbeit kann man | |
von Ärzt:innen aber auch nicht unbedingt verlangen. Nach Lösungen des | |
Problems muss man gemeinsam suchen – ehrlich, cool und ohne Hysterie. | |
28 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.praxisinnot.de/ | |
[2] https://www.destatis.de/DE/Themen/Querschnitt/Demografischer-Wandel/_inhalt… | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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