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# taz.de -- Homöopathie als Kassenleistung: Homöopathische Sparmaßnahme
> Nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Lauterbach sollen
> Krankenkassen keine homöopathischen Mittel mehr bezahlen. Es geht ihm ums
> Prinzip.
Bild: Unedler Tropfen: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach glaubt nicht a…
BERLIN taz | Keine Leistungskürzungen bei den Krankenkassen – [1][das hat
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) immer wieder versprochen].
Doch nun sollen homöopathische und anthroposophische Therapien aus dem
Angebot der gesetzlichen Krankenkassen fliegen. Weil es sich bei der
Homöopathie um eine wirkungslose Leistung handele, so der Minister, sei die
geplante Streichung auch keine Leistungskürzung, sondern lediglich eine
Vergütungskürzung.
Homöopathische und anthroposophische Therapien stehen nicht im
Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Das dafür notwendige
Nutzenbewertungsverfahren würden sie auch nicht bestehen. Dass viele
gesetzliche Krankenkassen dennoch Behandlungen und Mittel als freiwillige
Zusatzleistung übernehmen, dürfte vor allem Marketinggründe haben.
Alternative Heilmethoden sind laut Umfragen vor allem bei gebildeten,
mutmaßlich finanzkräftigen Patient*innen beliebt – und die Private
Krankenversicherung übernimmt zum Beispiel Homöopathie umfänglich.
Grundlage der Kostenübernahme bei den Gesetzlichen sind Sondervorschriften
mit geringeren Anforderungen an den Nachweis der Wirksamkeit bei besonderen
Therapierichtungen. Dem will Lauterbach nun „in Kürze“ per Gesetz den
Garaus machen, wie er am Donnerstag pressewirksam verkündete. Es sei eine
politische Entscheidung gewesen, die Sondervorschriften überhaupt
einzuführen, kommentierte Florian Lanz, Sprecher des Spitzenverbands der
Gesetzlichen Krankenversicherung GKV, Lauterbachs Pläne. „Es wäre jetzt
erneut eine politische Entscheidung, diese wieder zu streichen.“
Die Diskussion um die Homöopathie ist quasi so alt wie die Erfindung
derselben. Vor ungefähr fünf Jahren wurde die Debatte neu befeuert. In der
Kritik steht auch die Bedeutungskulisse, die rund um homöopathische Mittel
aufgebaut wird, etwa durch medizingleiche Aufmachungen von Verpackungen und
Beipackzetteln oder durch die ärztliche Verschreibung und die Übernahme auf
Kassenrezept. Demgegenüber steht nach wissenschaftlicher Mehrheitsmeinung
ein fehlender Nutzen homöopathischer Mittel.
## 7 von 300000 Millionen Euro
In wissenschaftlich fundierten Studien konnte demnach keine Wirkung über
den Placebo-Effekt hinaus festgestellt werden. Gleichwohl stehen auch
hinter der Vermarktung homöopathischer Mittel die Lobbyinteressen von
Unternehmen. Über 500 Millionen Euro werden jährlich mit Globuli und Co
umgesetzt – nur ein Bruchteil davon allerdings auf Rezept.
Für homöopathische Arzneimittel haben alle gesetzlichen Krankenkassen
zusammen laut GKV 2021 rund 7 Millionen Euro ausgegeben, für
anthroposophische Arzneimittel knapp 15 Millionen Euro. Insgesamt gaben die
Krankenkassen im vergangenen Jahr knapp 300 Milliarden Euro aus. „Was die
Finanzwirkung angeht, handelt es sich mehr um eine symbolische Geste als um
eine Maßnahme mit einem tatsächlichen Effekt“, so GKV-Sprecher Lanz.
Doch Lauterbach geht es tatsächlich ums Prinzip. Grundlage dessen, was
vergütet werde, müsse der wissenschaftliche Sachstand sein. Homöopathie
habe nach wissenschaftlichem Sachstand keinen medizinischen Nutzen: „Die
Krankenkassen sollten nicht Leistungen bezahlen, die medizinisch nichts
bringen“, sagte Lauterbach am Donnerstag.
Während von FDP und SPD kaum Gegenwind gegen seine Pläne zu erwarten ist,
[2][gelten die Grünen als ambivalenter in der Globuli-Frage.] Auf ihrem
Parteitag 2020 hatten sie sich vermeintlich darauf geeinigt, dass nur
erwiesen wirksame Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen
werden sollten. 2022 brach der Streit dennoch erneut auf, [3][als die
Landesärztekammern nach und nach die Zusatzausbildung Homöopathie aus ihrem
Weiterbildungskatalog strichen]. Die baden-württembergischen Grünen um
Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) positionierten sich damals für
die Homöopathie-Ausbildung und für den Erhalt von Homöopathie als
Kassenleistung.
## Die Privaten Krankenkassen können sich freuen
Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, begrüßte das
Vorhaben des Ministers, steigenden Krankenkassenbeiträgen den Kampf
anzusagen. „Angesichts der schwierigen finanziellen Lage der gesetzlichen
Krankenkassen braucht es jetzt aber statt lediglich homöopathischer
Einsparmaßnahmen echte wirkungsvolle Instrumente zur nachhaltigen
Stabilisierung der Finanzierung unseres Gesundheitswesens“, so Dahmen. Er
pochte auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte regelmäßige Anhebung der
Steuerzuschüsse zur gesetzlichen Krankenversicherung. Das
Bundesgesundheitsministerium hatte dem mit Verweis auf die aktuelle
Haushaltslage zuletzt eine Absage erteilt.
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Andrew Ullmann, begrüßte die
Streichung homöopathischer Mittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen
Krankenkassen und betonte die Bedeutung evidenzbasierter Medizin. Ullmann
forderte ebenfalls weitreichendere Maßnahmen zur Stabilisierung der
Krankenkassen.
Bei der PKV dürfte man sich indes auf die Streichung von Homöopathie und
Co. aus dem Angebot der gesetzlichen Kassen freuen. „Kassenpatienten, die
auch weiterhin die Kosten für alternative Heilmethoden absichern möchten,
können dies mit einer entsprechenden privaten Krankenzusatzversicherung
tun“, hieß es auf Anfrage von einem Sprecher.
11 Jan 2024
## LINKS
[1] /Finanzierung-der-Krankenkassen/!5883447
[2] /Gruenen-Konflikt-ueber-Homoeopathie/!5702645
[3] /Homoeopathie-Weiterbildung-gestrichen/!5857374
## AUTOREN
Manuela Heim
## TAGS
Homöopathie
Karl Lauterbach
Krankenversicherung
Medizin
Gesundheitspolitik
Forschungsprojekt
Schwerpunkt Coronavirus
Gesundheitspolitik
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