# taz.de -- Sparen beim Goethe-Institut: Old Europe nicht in Gefahr | |
> Laut der „Süddeutschen Zeitung“ liegt es an Kulturferne, dass neun | |
> Goethe-Institute geschlossen werden. Das stimme nicht, findet Erhard | |
> Grundl von den Grünen. | |
Bild: Außenminister Kinkel 1992 bei der Eröffnung des Goethe-Instituts Moskau… | |
Vorausschicken möchte ich: Jedes geschlossene Goethe-Institut ist eines zu | |
viel. [1][Wenn jetzt 9 von 158 Goethe-Instituten in 98 Ländern schließen], | |
ist das ein Verlust. Denn wie Jörg Bong in der Süddeutschen Zeitung (SZ) | |
schreibt, das [2][Goethe-Institut] gehört zu den besten Ideen in der | |
Geschichte der Bundesrepublik, wenn es „um Völkerfreundschaft, um | |
Weltoffenheit und Frieden“ geht. | |
Auch nach innen haben wir dank des Goethe-Instituts gewonnen und sind | |
„internationaler, moderner, diverser geworden – also intelligenter …“, … | |
formuliert es Bong (SZ, 11. 10. 23). Präziser kann man die Bedeutung des | |
Goethe-Instituts kaum darstellen. | |
Allerdings gehört die normative Kraft des Faktischen zum Gesamtbild. Wäre | |
nicht der Spardruck da, würde nicht geschlossen, wohl aber reformiert. Im | |
Gegenteil, gerade jetzt, angesichts multipler Krisen sind über Jahre | |
erarbeitete Vertrauensverhältnisse dort, wo das Goethe-Institut präsent | |
ist, unglaublich wertvoll. Nichts verbindet mehr als ein Verständnis für | |
Geschichte, Kultur und Sprache des anderen zu haben, inklusive eines | |
Wissens um die Mythen und Traumata. | |
But it’s the budget, stupid, möchte man frei nach Bill Clinton sagen! | |
Es geht um den Haushalt. Vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage | |
hatte der Deutsche Bundestag 14 Millionen Euro für das Goethe-Institut | |
gesperrt, unter der Auflage, bis zum Herbst einen Spar- und Reformplan | |
vorzulegen. Trotz eines überzeugenden Konzepts und der Aufhebung der | |
Sperrung musste gekürzt werden, allerdings weit unterhalb des | |
Maßgabebeschlusses. | |
## In Frankreich weiterhin fünf Standorte | |
Geschlossen werden nun, nach einer Entscheidung des Goethe-Präsidiums, | |
Institute dort, wo in einzelnen Ländern mehrere Einrichtungen vorhanden | |
sind. In Frankreich bleibt das Goethe-Institut weiter an fünf Standorten | |
und mit 30 Prüfungszentren vertreten. In Italien bleiben es vier Standorte | |
und 40 Prüfungszentren. | |
Nicht gekürzt wurde bei den deutsch-französischen Kulturinstituten, die es | |
zum Beispiel in Ramallah, Atlanta und Erbil gibt. Weitere gemeinsame sollen | |
hinzukommen, wie etwa im argentinischen Córdoba. Klar ist auch, dass das | |
Goethe-Institut als Teil der Außenpolitik auf neue geopolitische | |
Herausforderungen reagieren muss, will es seiner Rolle weiter gerecht | |
werden. | |
Dabei geht es aber nicht darum, dass das „alte Europa“ nicht mehr | |
interessiert, wie Bong in der SZ vom 11. 10. 23 schreibt. Es geht vielmehr | |
um eine Neuausrichtung, die auch zum Schutz dieses alten Europas | |
erforderlich ist. | |
Eine größere Präsenz von Goethe-Instituten in Osteuropa ist ein Gebot der | |
Stunde, gerade da in Russland ein Institut in Nowosibirsk schließen musste | |
und [3][dort die Häuser in Moskau oder St. Petersburg nur noch in | |
reduzierter Form arbeiten dürfen]. Nach Lesart des Putin-Regimes sind dort | |
die Mitarbeitenden des Goethe-Instituts „ausländische Agenten“. | |
## Weder Ignoranz noch Kulturferne | |
Zudem kommen dem Goethe-Institut gerade auch vor dem Hintergrund der | |
verstärkten Fachkräfteeinwanderung weitere Aufgaben zu. Es muss zusätzlich | |
vor Ort für die sprachliche und landeskundliche Qualifizierung dieser | |
Kräfte sorgen. | |
Zu unterstellen, dass das Ziel der Schließung einzelner Institute nun sei, | |
das alte Europa zu „zersägen“, wie die SZ am 18. 11. 23 behauptet, oder | |
dass gar hier „Hand an die europäische Verständigung“ gelegt würde (SZ, … | |
10. 23), dass die deutsch-französische Freundschaft mit Füßen getreten | |
werde (SZ, 11. 10. 23) und die Entscheidung auf Ignoranz oder Kulturferne | |
zurückzuführen sei (SZ, 18. 11. 23), entbehrt in meinen Augen jeder | |
sachlichen Grundlage – freundlich ausgedrückt. | |
Man könnte auch schlicht von Polemik sprechen. Ganz abgesehen davon, dass | |
einiges sachlich falsch dargestellt ist. So entscheidet nicht | |
Außenministerin Baerbock, welche Institute geschlossen werden, sie hätte | |
allenfalls ein Vetorecht. Und Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die hier | |
raunend miterwähnt wird, hat mit den Schließungen schlicht gar nichts zu | |
tun (SZ, 6. 10. 23). | |
Richtig ist, dass die Reform des Goethe-Instituts angesichts seiner | |
außenpolitischen Bedeutung erfolgreich umgesetzt werden muss. | |
Bildungsarbeit und Qualifizierung ist dabei nur ein Aspekt. Als Teil der | |
Außenpolitik wirkt das Goethe-Institut dadurch, dass es kultur- und | |
gesellschaftspolitische Entwicklungen widerspiegelt. Dass das Institut im | |
Gastgeberland den Finger am Puls der Zeit hat und für einen kultur- und | |
gesellschaftspolitischen Austausch sorgt. Hierfür braucht es die | |
entsprechenden Mittel und hat es eine breite Lobby. | |
5 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Deutsche-Kulturinstitute/!5959485 | |
[2] /Goethe-Institut/!t5023222 | |
[3] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5937066 | |
## AUTOREN | |
Erhard Grundl | |
## TAGS | |
Goethe-Institut | |
Auswärtiges Amt | |
Kulturpolitik | |
Budget | |
Kulturaustausch | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Kulturpolitik | |
Ton Steine Scherben | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bekenntnisse zum Nahost-Krieg: Deutschland, schalt dich ab! | |
Viele verspüren Druck, sich zu Israel oder Palästina zu bekennen. Doch die | |
Angst, falsch verortet zu werden, ist oft größer als die Sorge um das Leid | |
Betroffener. | |
Kulturförderung für junge Erwachsene: Kulturpass geht an den Start | |
Konzerte, Bücher, Museum: 18-Jährigen steht ab Mittwoch ein Freibetrag von | |
200 Euro für Kultur zur Verfügung, verwaltet über eine App. | |
Claudia Roth als Kulturstaatsministerin: Keine Macht für Niemand | |
Claudia Roth wird Staatsministerin für Kultur und Medien. Mit der | |
Grünen-Spitzenpolitikerin wird es für Preußen-Nostalgiker ungemütlich. |