# taz.de -- Studie zu Lohngerechtigkeit: Altersarmut programmiert | |
> Mickrige Renten und Fachkräftemangel: Die Auswirkungen von Lohndumping | |
> sind gravierend, zeigt eine neue Studie der Gastro-Gewerkschaft NGG. | |
Bild: Beschäftigte in der Lebensmittel- und Gastrobranche arbeiten besonders h… | |
BERLIN taz | Viel Freude auf den wohlverdienten Ruhestand dürfte bei den | |
Beschäftigten im Niedriglohnsektor in Berlin wohl kaum aufkommen. Nur rund | |
1.000 Euro Rente Brutto im Monat stünde ihnen zu – und auch nur, wenn sie | |
45 Jahre Vollzeit gearbeitet haben. Dabei ist diese [1][systemisch | |
verordnete Altersarmut] nur eine von vielen beunruhigenden Zahlen, die die | |
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten am Mittwoch im „Fairness-Check der | |
Arbeit in Deutschland“ vorstellte. | |
„Die Löhne in Deutschland müssen deutlich nach oben“, fordert | |
NGG-Vorsitzender Guido Zeitler. Das [2][Pestel-Institut], welches die | |
Untersuchung im Auftrag der NGG durchführte, rechnete durch, welchen | |
Effekte eine Erhöhung des Mindestlohns von derzeit 12 Euro auf 14 Euro | |
haben könnte. Die Zahl ist nicht willkürlich, sondern entspricht der | |
EU-Richtlinie, dass der Mindestlohn 60 Prozent des Median-Lohns entsprechen | |
soll. | |
Bei über zwei Drittel der Beschäftigungsverhältnisse im Niedriglohnsektor | |
handelt es sich um Teilzeit oder um geringfügige Beschäftigung. Besonders | |
in der Gastronomie und in der Lebensmittelbranche sind Niedriglöhne weit | |
verbreitet. In Berlin waren im April 2022 rund 16 Prozent aller | |
Beschäftigten im Niedriglohnsektor beschäftigt. | |
Mehr als 1,3 Milliarden Euro Brutto würden derzeit 415.000 Beschäftigte in | |
Berlin mehr verdienen, die derzeit einen Stundenlohn von unter 14 Euro | |
haben. Das wäre nicht nur für die Arbeiter:innen ein Gewinn, sondern | |
auch volkswirtschaftlich, argumentiert Zeitler: „Durch die höhere Einkommen | |
erzeugen wir höhere Kaufkraft.“ | |
## Fachkräftemangel durch Dumpinglöhne | |
Armutsfest im Alter wäre selbst ein Stundenlohn von 14 Euro nicht. Dafür | |
bräuchte es mindestens 16,50 Euro pro Stunde, rechnet die Studie vor. Die | |
NGG fordert daher nicht nur eine Erhöhung des Mindestlohns, sondern vor | |
allem deutlich mehr Tarifverträge. | |
Dumpinglöhne hingegen führen langfristig nicht nur zur Altersarmut, sondern | |
verschärfen auch den [3][Fachkräftemangel]. „Wer ohne Tarif beschäftigt, | |
verliert auf kurz oder lang seine Leute“, prophezeit Gewerkschafterin | |
Claudia Tiedge. Neben der geringen Bezahlung sind es vor allem die harten | |
Arbeitsbedingungen, wegen derer viele Fachkräfte der Branche den Rücken | |
kehren. | |
Auch wird die Einhaltung des Mindestlohns kaum kontrolliert: Nur | |
durchschnittlich alle 48 Jahre wird ein Betrieb in Berlin [4][vom Zoll | |
kontrolliert]. Damit bildet die Hauptstadt bundesweit das Schlusslicht. | |
„Eine Vorschrift ist am Ende nur so viel wert, wie sie am Ende auch geprüft | |
wird“, sagt Studienautor Matthias Günther. | |
15 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Prognose-fuer-Beschaeftigte-in-Deutschland/!5959144 | |
[2] https://www.pestel-institut.de/ | |
[3] /Politik-und-Fachkraeftemangel/!5884026 | |
[4] /Mutmasslich-illegales-Firmennetzwerk/!5962638 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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