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# taz.de -- Rechte Wahlerfolge: Ablenkung mit Milli Vanilli
> Die Serie der Horrornachrichten wurde mit den Wahlen in Argentinien und
> den Niederlanden fortgesetzt. Da helfen ungewöhnliche
> Unterhaltungsmaßnahmen.
Bild: Das Pop-Duo „Milli Vanilli“ bei einem Auftritt in der Musiksendung �…
Am Dienstag war ich im Kino Babylon in Berlin-Mitte [1][bei einer „neuen
Journalismus-Show“] [2][bei einer „neuen Journalismus-Show“]. Es ging um
konstruktiven Klima-Journalismus, also Geschichten, die nicht nur erklären,
wie schlimm das alles mit der Klimakrise ist, sondern Lösungen aufzeigen,
wie man (ein bisschen) aus ihr herauskommt. Das ist gut, war nur leider
nicht sonderlich gut gemacht. Kein Wunder, auf der Bühne standen
Textarbeiter*innen, keine Entertainer*innen. Es war zäh, und ich bereute
schon bald, nicht wie geplant in Neukölln zum Film „Frutos de Resistencia“
mit anschließender Diskussion gegangen zu sein. Untertitel: „Warum in
Spaniens Gewächshäusern Widerstand wächst“. Das klingt doch auch sehr
konstruktiv.
Und konstruktive Geschichten, die können wir doch jetzt gut gebrauchen.
Immer diese schlimmen Nachrichten. Corona, Krieg und wieder Krieg. Am
Montag wachten wir dann auch noch mit [3][einem Trump-Verschnitt als neuem
argentinischen Präsidenten auf]. Javier Milei zweifelt die Anzahl der Opfer
der Militärdiktatur an. Wenn er seine Vorhaben umsetzt, den US-Dollar als
Währung einführt und Sozialprogramme streicht, wird Argentinien vermutlich
noch weiter in die Inflation abrutschen, und die Armen werden noch ärmer
werden.
Am Mittwoch gewann ein weiterer Mini-Trump eine Wahl, [4][dieses Mal in den
Niederlanden]. Geert Wilders wurde 2016 wegen einer Hassrede verurteilt. Er
hatte versprochen, dafür zu sorgen, dass keine weiteren Marokkaner ins Land
kommen. Als am Mittwochabend das Wahlergebnis feststand, forderte er, „dass
etwas gegen den Asyl-Tsunami getan wird.“
Steigen irgendwo die Stimmenanteile für rechte Parteien, fordert immer
irgendjemand schärfere Asylgesetze, um ihnen den Wind aus den Segeln zu
nehmen. So auch am Donnerstag. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai
forderte, die Migration nach Deutschland stärker zu steuern. Denn:
„Entweder wir entwickeln in der Migrationspolitik pragmatische Lösungen,
oder wir bekommen es mit Wahlergebnissen wie in den Niederlanden und in
Italien zu tun“, sagte er. Man kann es auch so sagen: Wer rechte Politik
macht, braucht keine AfD mehr. Klingt einleuchtend, funktioniert aber nie,
siehe Hessen, wo die SPD trotz Hardliner-Faeser abschmierte und die AfD
zweitstärkste Kraft wurde. Und am Ende haben wir dann nur noch rechte
Parteien.
## Die irrige Verwendung des Begriffs Rechtsruck
Woran liegt es eigentlich, dass diese rechten Trump-Verschnitte immer
ähnliche Frisuren haben? Aber bevor wir in die Abteilung Panorama
abgleiten, noch ein paar medienkritische Worte: Wie oft habe ich am
Donnerstag von einem „Rechtsruck“ in den Niederladen gelesen? Laut Duden
ist ein Ruck eine „kurze Bewegung, die abrupt, stoßartig einsetzt oder
aufhört“. Ein langsamer Kopfruck zum Beispiel wäre ein Oxymoron, ein
Widerspruch in sich. Dass rechte Parteien bei den Wahlen in Bayern, Hessen
und den Niederlanden so gut abgeschnitten haben, ist das Ergebnis
kontinuierlicher Bemühungen rechter Akteure. Keine plötzliche
180-Grad-Wende der politischen Stimmung in der Gesellschaft.
Apropos kontinuierliche Bemühungen. Die FAZ bereitet offenbar schon die
Kanzlerschaft von Carsten Linnemann vor. [5][Der Generalsekretär der CDU
durfte in einem Interview] vorab das neue Grundsatzprogramm seiner Partei
vorstellen. Er will das Bürgergeld abschaffen, Leute zu Arbeit verpflichten
und erst ab 80.000 oder sogar 100.000 Euro Einkommen (statt 62.000) den
Spitzensteuersatz verlangen. Rentner sollen 2.000 Euro im Monat steuerfrei
dazuverdienen können. Dabei können die meisten ja froh sein, wenn sie 2.000
Euro Rente bekommen. Klientelpolitik at it’s best.
Man kann es natürlich als Entertainment verstehen – einmal lachen und gut
ist. Nur, dass die CDU gerade gute Chancen hat, den nächsten Kanzler zu
stellen. Von daher: Vielleicht ist so eine Journalismus-Show doch das
bessere Entertainment. Oder ich schau mir die neue Doku über Milli Vanilli
an. [6][Deren Geschichte ist zwar auch tragisch], hat aber
Unterhaltungswert ohne gesellschaftliches Zerstörungspotenzial.
26 Nov 2023
## LINKS
[1] /Journalismus-live/!5971466
[2] /Journalismus-live/!5971466
[3] /Praesidentschaftswahlen-in-Argentinien/!5974516
[4] /Rechtsruck-in-Niederlanden/!5974954
[5] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/cdu-carsten-linnemann-ueber-die-haus…
[6] /Summer-of-Scandals-auf-Arte/!5319153
## AUTOREN
Johanna Treblin
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