| # taz.de -- Nahostkonflikt in Berlin: Propaganda mit Spinnerparolen | |
| > Ein Abend unter Antiimperialisten: In einem Berliner Stadtteilladen | |
| > scheint man bei einem „Soliabend für Gaza“ Israel einfach wegzaubern zu | |
| > wollen. | |
| Bild: „Victory“-Zeichen bei einer Solidaritätsdemonstration für Palästina | |
| „S.O.S. Gaza“ steht auf einem Plakat vor dem Eingang zum Zielona Góra im | |
| Berliner Stadtteil Friedrichshain. Das nennt sich selbst „Stadtteilladen“ | |
| und selbstverwaltetes Hausprojekt. Jeden Dienstag ist hier FLINTA*-Abend, | |
| jeden zweiten Freitag gibt es eine Soli-Veranstaltung für Kuba. | |
| An diesem Samstag aber steht Solidarität mit Gaza auf dem Programm. An der | |
| „Soli Bar“ wird Geld gesammelt, um damit Babynahrung, Medizin und was sonst | |
| noch so bei der schrecklichen Lage in Gaza hilfreich sein könnte, in das | |
| Kriegsgebiet zu bringen. | |
| Es ist richtig was los hier, familiäre Stimmung, auch Kinder sind zugegen, | |
| ein paar tragen ihre Kufiya. Die Besucher wirken weniger empört als | |
| betroffen. Alle blicken in dem überfüllten Veranstaltungsraum auf eine | |
| Leinwand, auf der der Film „Striplife“ gezeigt wird, eine wirklich | |
| interessante Dokumentation über das Leben und den Alltag in Gaza, die | |
| allerdings schon zehn Jahre alt ist. | |
| Man sieht eine Schafhirtin, die auf kargem Land, direkt neben der | |
| Grenzmauer zu Israel, darauf hofft, dass ihre Tiere ein wenig Grünzeug zu | |
| futtern finden. Kinder vollführen in den Trümmern zerbombter Häuser gewagte | |
| Kunstsprünge. Ein Rapper rappt, obwohl das, so wird man informiert, derzeit | |
| eigentlich nicht erlaubt ist. Warum genau nicht, das bleibt ein Geheimnis. | |
| An der Hamas kann es ja wohl kaum liegen, die spielt in dem Film überhaupt | |
| keine Rolle. Wahrscheinlich sind auch daran die Israelis schuld. | |
| ## Subtil vermittelt | |
| Denn obwohl der Film seine Propaganda eher subtil vermittelt, macht er doch | |
| klar: An all dem Elend und den Beinamputationen der gezeigten | |
| Rollstuhlfahrer sind diese verdammten israelischen Bomben schuld. Stimmt ja | |
| auch. Bloß: die Raketen der Hamas und des Islamischen Dschihad, die immer | |
| dann nach Israel abgefeuert werden, wenn die Terrororganisationen mal | |
| wieder wegen drohender Überfüllung ihre Waffenarsenale leeren müssen und | |
| die Lust darauf, Israel zu vernichten, einfach nicht mehr zu bändigen ist, | |
| die fehlen in dem Gaza-Porträt komischerweise. | |
| Man schaut sich ein wenig um in dem Laden, in dem viel Italienisch | |
| gesprochen wird, der Abend wird schließlich von diversen italienischen | |
| Anti-Imp-Gruppen organisiert. Auf einem der Poster zur Veranstaltung neben | |
| der Bar sind Bilder von Pro-Palästina-Demonstrationen abgedruckt. Auf einem | |
| wird ein Transpi mit dem Slogan „Berlin ist ein Polizeistaat“ hochgehalten, | |
| auf einem anderen steht „Stoppt den Genozid in Gaza“. Das Übliche halt. Am | |
| Info-Stand wird man darüber informiert, dass auf in israelischen Städten | |
| aufgehängten Bannern die Forderung „Null Einwohner in Gaza!“ prangen würd… | |
| Solche Spinnerparolen mag es geben in Israel, aber ob ganz Tel Aviv damit | |
| zugepflastert ist, darf doch bezweifelt werden. | |
| Auf einem verteilten Flugblatt prangt die Headline „USA, Deutschland und | |
| Israel: Hände weg vom palästinensischen Volk!“ Von den | |
| „Deutsch-Imperialisten“ ist die Rede und einem „McWorld/McCrusade“ des … | |
| den USA angeführten „imperialistischen Systems“ gegen den Dschihad der | |
| Palästinenser. Auf dem Büchertisch liegt das Buch „Leisten Sie keinen | |
| Widerstand“ des Achtundsechziger-Antisemiten [1][Dieter Kunzelmann] aus, | |
| der hinter einem 1969 geplanten Anschlag auf eine Synagoge steckte. | |
| Dieser ganze krude Mix aus hundertprozentig einseitiger Parteinahme und | |
| Antiimperialismus und dazu noch der strenge Duft aus der Vokü führt dazu, | |
| dass es einem leicht schlecht wird. Man lenkt sich damit ab, einen der | |
| Aufkleber an einem Türrahmen hermeneutisch zu deuten. | |
| Auf diesem steht „From the river to the sea – Palestine will be free“ und | |
| man erkennt einen süß gezeichneten Bären, der „BDS“ auf dem Latz stehen | |
| hat, einen BDS-Bären also. Der scheint sich einen Regenbogen in den | |
| palästinensischen Farben aus den Pranken schütteln zu können, auf dem es | |
| sich ein weiterer blau-weißer Bär bequem macht. Im Hintergrund: das Meer. | |
| Was bedeutet das nun wieder? Dass das Wegzaubern Israels eine richtig | |
| bärige Sache ist? Vielleicht sollte man dazu mal im Buch von Kunzelmann | |
| nachschlagen. | |
| 24 Nov 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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