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# taz.de -- Senat zögert bei teurerer Parkvignette: Wenn schon, denn schon
> Der Staat muss Autofahrern das Parken nicht erleichtern. Tut er es doch,
> sollte er dafür viel, viel mehr berechnen als bislang 10,20 Euro
> jährlich.
Bild: Schön, oder? Wie viel schöner aber noch könnte es ohne parkende Autos …
Kann es sein, dass [1][die schwarz-rote Koalition] und vor allem die
CDU-geführte Senatsveraltung für Verkehr wirklich alles tut, um den Vorwurf
der Autofreundichkeit zu bestätigen, der ihr seit Amtsantritt anhängt? Was
damit begann, dass auch fast fertige Radwege auf der Kippe standen, geht
nun damit weiter, dass der Senat sich, sehr freundlich gesagt, mit einer
angemessenen Gebühr für das Anwohnerparken schwertut.
Dieses kostet bislang – kein Witz – 10,20 Euro im Jahr. Knapp 12
Quadratmeter öffentlichen Raums gibt es also für 12 Monate zum Preis von
zwei großen Bieren oder einmal Kino. Zwar waren Gebühren fürs wohnungsnahe
Parken bis Mitte 2020 bundesweit gesetzlich gedeckelt. Aber 30 Euro
jährlich, also das Dreifache, wären auch da schon erlaubt gewesen.
Die rot-grün-rote Vorgängerregierung hatte vorsichtig daran gedacht, daraus
120 Euro zu machen. Aber dem hat Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) am
Dienstag eine Absage erteilt: „120 Euro werden es bestimmt nicht.“ Das warf
in jener Pressekonferenz zu Recht die Frage auf, ob dem Senat bekannt sei,
wie teuer Anwohnerparken in anderen Metropolen sei – Berlin sieht sich ja
gern als Weltstadt. [2][In Zürich werden nämlich umgerechnet rund 308 Euro
fällig], in Amsterdam 535 Euro und in Stockholm 827 Euro.
Ja, rein rechnerisch wären 120 Euro fast zwölfmal so viel wie bislang. Und
diese Vervielfachung löste schon im Wahlkampf und davor Skepsis bis
Ablehnung aus. Während man bei der Linkpartei an eine Staffelung je nach
Einkommen dachte, sah Kai Wegner (CDU) als damaliger Oppositionsführer und
heutiger Regierungschef Abzocke von Autofahrern und eine Steigerung, die
[3][“für viele Berliner sehr hoch sei“].
Was Wegner dabei völlig außer Acht ließ: Es ging und geht nicht darum,
einen Vereinsbeitrag oder eine Theaterkarte zwölfmal so teuer zu machen und
damit Zugangshürden aufzubauen. Es geht stattdessen um eine zusätzliche
Ausgabe bei der Entscheidung, sich mit dem Auto durch die Stadt zu bewegen.
Diese Entscheidung aber ist mit einer viel, viel größeren Ausgabe
verbunden. [4][Für einen Neuwagen] gaben Autofarer in Deutschland
vergangenes Jahr durchschnittlich rund 34.000 Euro aus, bei
[5][Gebrauchtwagen waren es 18.800 Euro]. Die [6][monatlichen
Unterhaltskosten] liegen im Schnitt bei mindestens 350 Euro.
## Unsozial? Nein!
34.000 Euro. 18.800 Euro. Mehrere hundert Euro pro Monat, damit der Wagen
überhaupt fahren darf und fahrfähig bleibt. Und angesichts dieser Summen
sollen dann zehn Euro monatlich für eine Anwohner-Parkvignette unsozial,
schwer verträglich und Abzocke sein? Die Antwort darauf ergibt sich bei
diesem Größenverhältnis von allein, aber sie sei hier nochmal
aufgeschrieben: Nein, es ist nicht unsozial, wenn jemand, der ein
Vieltausendfaches in den Kauf eines Autos stecken konnte, nun 10 Euro dafür
zahlen muss, es wohnungsnah abstellen zu dürfen.
Eine Frage stellt sich noch ganz grundsätzlich: Wieso dürfen Autos
überhaupt im öffentlichen Raum stehen? Ja, es gibt das, was als
Daseinsvorsorge bezeichnet wird: Der Staat hat vor allem für Sicherheit,
Bildung, Energieversorgung und Unterstützung für die zu sorgen, die es aus
eigener Kraft nicht schaffen. Wie stark das jeweils passiert, ist
Ansichtssache und bildet sich im Parteienspektrum ab.
Was nach gängigen Definitionen nicht zur Daseinsvorsorge gehört und weder
im Grundgesetz noch in den Zehn Geboten steht: 12 oder mehr Quadratmeter
wertvollen öffentlichen Raums für ein privates Auto zur Verfügung zu
stellen. Warum müssen die nicht verpflichtend und weit platzsparender in
vielgeschossigen Parkhäusern stehen oder auf eigenen Grundstücken oder
Flächen von Vermietern? Warum dürfen Autos selbst die schönste Straßenecke
zuparken? (Was dann immer für ein Aha-Erlebnis sorgt, wenn für
Filmaufnahmen mal das Parken verboten und die Straße autofrei zu erleben
ist.)
Es ist eine rein politische Entscheidung zu sagen: Ja, auch in der Stadt
gestehen wir die Nutzung öffentlichen Raums als Parkplatz zu. Das aber kann
sich der Staat dann auch gut bezahlen lassen und das eingenommene Geld
dafür verwenden, den hier nun belegten öffentlichen Raum an anderer Stelle
schöner zu gestalten.
10 Nov 2023
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/rbmskzl/politik/senat/koalitionsvertrag/
[2] https://www.stadt-zuerich.ch/pd/de/index/dav/parkkarten_bewilligungen/parkk…
[3] https://www.tagesspiegel.de/berlin/cdu-chef-wegner-kritisiert-plane-fur-teu…
[4] https://n26.com/de-de/blog/kosten-fuer-ein-auto
[5] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36405/umfrage/durchschnittli…
[6] https://www.t-online.de/auto/technik/id_84482754/auto-unterhaltskosten-so-v…
## AUTOREN
Stefan Alberti
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