| # taz.de -- Ermittlungen gegen Berliner Polizisten: 300 Straftaten rechts liege… | |
| > Jahrelang blieben beim für Rechtsextremismus zuständigen Staatsschutz | |
| > Straftaten liegen. Das LKA ermittelt gegen einen Kommissariatsleiter und | |
| > einen Ermittler. | |
| Bild: Der für Rechtsextremismus zuständige Staatsschutz des LKA Berlin beim A… | |
| Berlin taz | Es ist der nächste rechte Skandal innerhalb der Polizei | |
| Berlin. Beim für politische Kriminalität zuständigen Staatsschutz blieben | |
| über Jahre 300 Fälle aus dem Bereich rechtsextreme Kriminalität | |
| unbearbeitet liegen. Die Polizei ermittelt nun wegen Strafvereitelung im | |
| Amt gegen sich selbst – und zwar gegen den ehemaligen Leiter eines | |
| Kommissariats in der LKA-Abteilung 53 und einen Ermittler. | |
| Auf taz-Anfrage bestätigte Polizeisprecherin Anja Dierschke die | |
| unbearbeiteten rechten Straftaten. Diese seien intern bereits im September | |
| bei einem routinemäßigen Führungswechsel aufgefallen. Daraufhin seien im | |
| Oktober Dezernatsleitung, Behördenleitung und Polizeipräsidentin Barbara | |
| Slowik über den „Rückstand in der Aktenlage“ informiert worden. Bekannt | |
| wurden sie allerdings erst jetzt nach einem Bericht im [1][Boulevard-Blatt | |
| BZ]. | |
| Laut Polizeisprecherin Dierschke stammen die liegen gebliebenen rechten | |
| Straftaten größtenteils aus den Jahren 2020 und 2021. Mittlerweile seien | |
| sie überprüft und an die Staatsanwaltschaft geschickt worden, damit dort | |
| Ermittlungsaufträge ausgelöst werden könnten. Parallel habe man ein | |
| Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen eingeleitet. | |
| Die Frage sei nun, wem die liegen gebliebenen Akten strafrechtlich | |
| anzulasten seien, so Dierschke. Eine mögliche politische Motivation sei | |
| derzeit nicht bekannt, aber auch noch nicht auszuschließen. Die Ermittlung | |
| führt das für Beamtendelikte zuständige Fachkommissariat 341. | |
| Polizeipräsidentin Barbara Slowik war für eine Stellungnahme dazu am | |
| Donnerstag nicht zu erreichen. | |
| ## „Für Betroffene ein Schlag ins Gesicht“ | |
| Während die BZ im Zusammenhang über mögliche „Überlastung“ spekuliert, | |
| scheint es schwer zu glauben, dass in einem vielköpfigen Kommissariat des | |
| Staatsschutzes nicht aufgefallen sein dürfte, dass 300 Fälle unbearbeitet | |
| blieben. Auch stellt sich die Frage, warum der Vorgang erst jetzt | |
| öffentlich wird, nachdem er intern bereits im September bekannt wurde. | |
| Warum die Polizei nicht von sich aus die Öffentlichkeit über die liegen | |
| gebliebenen Straftaten informierte, konnte Polizeisprecherin Dirschke am | |
| Donnerstag nicht beantworten. Ebenso dürfte interessant sein, warum der | |
| Polizeibeauftragte Alexander Oerke nicht intern über den Vorgang informiert | |
| wurde. Den kann man auch innerhalb der Polizei außerhalb der Dienstwege | |
| über Missstände informieren. | |
| Noch unüberschaubar sind Qualität und Art der Straftaten. Die Größenordnung | |
| jedenfalls ist immens. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 gab es laut | |
| Polizeistatistik für politisch motivierte Gewalt 2.189 Straftaten. 300 | |
| liegen gebliebene Fälle wären also rund 14 Prozent eines Jahresaufkommens. | |
| Hinzu kommt die politische Dimension – hinter jeder nicht verfolgten | |
| mutmaßlichen Straftat steht potenziell ein alleingelassenes Opfer rechter | |
| Gewalt und ein nicht verfolgter rechter Täter. | |
| Im Abgeordnetenhaus beschäftigt sich bereits ein Untersuchungsausschuss mit | |
| zahlreichen Ungereimtheiten, Ermittlungsversäumnissen und Behördenversagen | |
| bei der Aufklärung einer rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln – die | |
| 300 unbearbeiteten Straftaten werfen auch in diesem Zusammenhang neue | |
| Fragen auf. | |
| „Für Betroffene rechter Gewalt ist das ein Schlag ins Gesicht“, sagt der | |
| innenpolitische Sprecher der Linken, Niklas Schrader, der taz. Bereits im | |
| Neukölln-Komplex sei sehr viel schiefgelaufen. „Das Vertrauen ist stark | |
| beschädigt bis nicht mehr vorhanden – 300 liegen gebliebene rechte | |
| Straftaten zerstören es weiter.“ Schrader ist „sehr verärgert“ und häl… | |
| für einen Skandal, dass er als Abgeordneter davon erst aus der Presse | |
| erfahren habe. „Wenn das intern schon seit Oktober bekannt war, warum | |
| wurden wir dann nicht von der Innensenatorin informiert?“ | |
| ## Senatorin Spranger (SPD) fordert Aufklärung | |
| Linke und Grüne haben das Thema auf die Tagesordnung des Innenausschusses | |
| am Montag gesetzt und fordern dort Antworten von Innensenatorin Iris | |
| Spranger (SPD) und Polizeipräsidentin Slowik. Für Schrader ist auch zu | |
| klären, inwiefern die Straftaten Bezüge zum Neukölln-Komplex aufwiesen. Das | |
| könne man derzeit noch nicht ausschließen. Ebenso interessiere ihn, warum | |
| die liegen gebliebenen Straftaten erst nach drei Jahren bei einem Wechsel | |
| der Kommissariatsleitung aufgefallen seien. „Das zeugt nicht davon, dass | |
| die Selbstkontrolle der Polizei funktioniert“, so Schrader. Auch müsse man | |
| prüfen, warum der Polizeibeauftragte nicht eingeschaltet worden sei. | |
| Ario Mirziaie von den Grünen, Sprecher für Strategien gegen Rechts, fordert | |
| ebenfalls „lückenlose Aufklärung, wie es überhaupt so weit kommen konnte, | |
| dass 300 Fälle nicht bearbeitet wurden“. Der Fall reihe sich in eine Serie | |
| von Vorfällen ein, die bei Betroffenen rechter Straftaten „Misstrauen in | |
| den Staat schüren“. Man erwarte „belastbare Antworten zu einer möglichen | |
| politischen Motivation der Beschuldigten und notwendige Konsequenzen, die | |
| künftig vermeiden, dass sich dieses staatliche Versagen wiederholt“, so | |
| Mirziaie. | |
| Innensenatorin Spranger (SPD) schien am Donnerstag hingegen selbst vom | |
| Vorfall überrascht. Sie forderte „weitergehende Informationen von der | |
| Polizei Berlin“ und sagte auf taz-Anfrage, dass sie die „klare | |
| Erwartungshaltung“ habe, „dass dieser Sachverhalt rückhaltlos aufgeklärt | |
| wird“. Wie auch immer sich Ermittlungen und Hintergründe darstellten, | |
| Spranger forderte: „Ein solcher Fall darf nicht eintreten, kein Opfer darf | |
| darunter leiden, kein Straftäter davonkommen.“ | |
| Der Polizeibeauftragte Alexander Oerke antwortete auf taz-Anfrage, dass er | |
| ebenfalls vom Vorgang erst aus der Presse erfahren habe – bei ihm liege | |
| keine Eingabe oder Beschwerde vor. | |
| 23 Nov 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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