# taz.de -- Neukölln-Untersuchungsausschuss: Neonazis plastisch beschrieben | |
> Obwohl gegen ihn ein Ermittlungsverfahren läuft, stellt sich ein Polizist | |
> im Neukölln-Untersuchungsausschuss den Fragen. Und überrascht mit manchen | |
> Antworten. | |
Bild: Untersuchungsausschuss zum „Neukölln-Komplex“ bei der Sitzung am 29.… | |
Berlin taz | Die Vernehmung des Polizisten Norbert M. am Freitag im | |
Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zum Neukölln-Komplex war mit | |
großer Spannung erwartet worden. Wie oft wird sich der Zeuge auf ein | |
Aussageverweigerungsrecht berufen? | |
Tags zuvor war bekannt geworden, dass gegen M. [1][ein Ermittlungsverfahren | |
eröffnet worden ist]. Er steht im Verdacht, Dienstgeheimnisse, die die | |
Ermittlungen im rechten Neuköllner Milieu betreffen, weitergegeben zu | |
haben. Die Informationen seien möglicherweise auch an die rechtsextreme | |
Szene gelangt, meint die Generalstaatsanwaltschaft. Sieben Orte waren am | |
Mittwoch durchsucht worden, darunter auch M.s Wohnung. | |
Mehr als vier Stunden dauerte die Befragung des 56-jährigen Beamten M. im | |
Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. M. machte dabei nicht den | |
Eindruck, ein Sympathisant von Rechtsextremisten zu sein. Im Gegenteil. | |
Seit 1983 bei der Schutzpolizei, gehörte M. seit 2007 zu einer kleinen | |
Dienstgruppe, die der rechten Szene in Neukölln das Leben schwer machen | |
sollte. „Aus Überzeugung“ habe er sich in dieser Sache engagiert, so M. am | |
Freitag. | |
M. beantwortete nahezu alle Fragen, auch solche, die das gegen ihn | |
anhängige Ermittlungsverfahren berühren könnten. Ob er ausschließen könne, | |
dass Daten an dritte Personen weitergegeben worden seien, wurde er gefragt. | |
„Ich habe es nicht gemacht und das auch nicht festgestellt“, war die | |
Antwort. | |
Von 2007 bis 2016 gehörte M. der Ermittlungsgruppe Rechtsextremismus (EG | |
Rex) an, von 2017 bis 2021 deren Nachfolgeorganisation, der Operativen | |
Gruppe Rechtsextremismus (OG Rex). | |
## Angehörige der Szene identifizieren | |
Aufgabe der EG Rex sei es gewesen, die Neuköllner rechtsextreme Szene aus | |
der Anonymität zu holen, zu identifizieren, Polizeipräsenz an deren | |
Treffpunkten zu zeigen sowie Ansprechpartner für die von der Anschlagsserie | |
Betroffenen zu sein, sagte M. Weil die Fallzahlen zunächst zurückgingen, | |
sei die EG Rex 2016 aufgelöst worden. Auf Drängen der Betroffenen sei ein | |
Jahr später die OG Rex gegründet worden. | |
Die Aufgabe der OG Rex habe sich darauf beschränkt, mit den Opfern rechter | |
Gewalt Kontakt zu halten. Der Staatsschutz sei der Auffassung gewesen, so | |
M., „dass wir bei den Observationen eher stören“. [2][Die | |
Neukölln-Ermittlungen wurden zu diesem Zeitpunkt von der beim Staatsschutz | |
angesiedelten EG Resin] geführt. | |
Ab 2015 hatte M. bei der EG Rex eine Führungsposition. Nur drei Beamte | |
waren dort zu dieser Zeit noch tätig. Einer davon war der Beamte Stefan K. | |
Jener K., der im April 2017 außerhalb des Dienstes zusammen mit rechten | |
Fans des 1. FC Union schwer betrunken einen afghanischen Asylbewerber | |
krankenhausreif prügelte und dafür im März 2023 rechtskräftig verurteilt | |
worden ist. | |
## Krankschreibung geschickt | |
Eigentlich sollte auch Stefan K. am Freitag im Untersuchungsausschuss | |
gehört werden. Der Polizist hatte aber im Vorfeld der Sitzung eine | |
Krankschreibung geschickt. Zum Zeitpunkt des Vorfalls gab es die EG Rex | |
nicht mehr, in die OG Rex habe K. aus privaten Gründen nicht mehr gewollt, | |
sagte M. Der Vorfall habe ihn „überrascht und schockiert“, so M. Dass „so | |
etwas in ihm schlummert“, habe er bei der Zusammenarbeit mit K. nicht | |
gemerkt. | |
Für den Ruf der OG Rex sei der Vorfall ein schwerer Rückschlag gewesen, so | |
M. „Ihr habt einen rechten Schläger bei euch“: So habe der Vorwurf der | |
Betroffenen gelautet. Es sei schwer gewesen, bei den Leuten wieder | |
Vertrauen zu gewinnen. Dem Landeskriminalamt hätten die Betroffenen aber | |
noch weniger vertraut. | |
Über viele Jahre sei gegen zwei, drei Tatverdächtige der rechten Szene | |
ermittelt worden, viele Anschläge habe es in dieser Zeit gegeben. [3][Warum | |
es keine Ermittlungserfolge gab]? „Ich weiß es nicht, ich hätte mir das | |
auch gewünscht“, versicherte M. | |
Als er angefangen habe, 2007 in Rudow bei der EG Rex, habe die dortige | |
Rechtsextremisten-Szene noch 120 Personen gezählt. 15-, 16-Jährige seien | |
das gewesen, die sich aus Kita, Schule und dem Fußballclub gekannt hätten. | |
Die Szene habe sich dann immer mehr reduziert, sagte M. Mit Beginn der | |
Brandanschläge sei es keine offene Szene mehr gewesen. „Ein kleiner Kreis | |
hat weitergemacht“. | |
Der linken Szene bescheinigte M. „eine hervorragende Aufklärungsarbeit“ | |
über die rechtsextreme Szene zu machen, auch er habe davon für die | |
Polizeiarbeit profitiert. | |
## Im Innendienst tätig | |
Vom Vertreter der Linkspartei, Niklas Schrader, im Ausschuss nach rechten | |
Szeneangehörigen gefragt, wartete M. unter Nennung von Vornamen und | |
Abkürzung der Nachnamen mit plastischen Beschreibungen auf. „Reizbar und | |
unterbenebelt, eine gefährliche Konstruktion“ sagte er über einen. Über | |
einen anderen: „Der ist nicht nur ein Abrisskalender.“ Oder: „Fällt opti… | |
nicht auf, im Hintergrund aber immer dabei.“ Oder: „Nazi, Frauenschläger, | |
sehr gefährlich, fast immer voll.“ | |
M. verrichtet seit geraumer Zeit auf einem Polizeiabschnitt in Neukölln | |
Innendienst. | |
Die Welt hatte unter Bezugnahme auf das Ermittlungsverfahren gegen M. | |
berichtet, der Beamte soll die Ermittlungen gegen die rechte Szene auf | |
eigene Faust voranzubringen versucht haben. In der Form, dass M. selbst | |
versucht haben soll, einen Informanten anzuwerben. Die Person, die er mit | |
Dienstinterna bestückt haben soll, soll aber nur vorgetäuscht haben, ein | |
Neonazi zu sein. Tatsächlich habe es sich um einen Szeneangehörigen der | |
Linken gehandelt, der das gegnerische Spektrum habe unterwandern wollen. | |
Bei der Pressekonferenz im Anschluss an den Ausschuss konstatierte der | |
Sprecher der CDU-Fraktion, Stephan Standfuß, M. habe die Fragen zu 99 | |
Prozent beantwortet und sehr glaubwürdig gewirkt. Sein Eindruck sei, dass | |
M. ein engagierter Beamter gegen Rechtsextremismus sei. | |
Die Vermutung habe sich bestätigt, dass es ein Fehler gewesen, die EG Rex | |
aufzulösen, sagte Niklas Schrader. Der Vertreter der Grünen, André Schulze, | |
sprach von einer „gelungenen, ergiebigen Befragung“ des Zeugen M. Von der | |
Presse nach einer Einschätzung zur Stichhaltigkeit des Vorwurfs des | |
Geheimnisverrats gefragt, hieß es einvernehmlich: Das könne der Ausschuss | |
nicht beurteilen. | |
29 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Rechte-Anschlagsserie-in-Berlin-Neukoelln/!5959391 | |
[2] /Neukoelln-Untersuchungsausschuss/!5957561 | |
[3] /Urteil-im-Neukoelln-Komplex/!5914868 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
## TAGS | |
Rechter Terror in Berlin-Neukölln | |
Polizei Berlin | |
Abgeordnetenhaus | |
Neukölln | |
Rechtsextremismus | |
Rechter Terror in Berlin-Neukölln | |
Polizei Berlin | |
Polizei Berlin | |
Rechter Terror in Berlin-Neukölln | |
Rechter Terror in Berlin-Neukölln | |
Rechter Terror in Berlin-Neukölln | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neukölln-Untersuchungsausschuss: Kein Briefing im Fall Bektaş | |
Der Mord an Burak Bektaş vor 12 Jahren ist bis heute unaufgeklärt. Die | |
heute zuständige Hauptkommissarin gibt sich bei ihrer Anhörung zugeknöpft. | |
Neukölln-Untersuchungsausschuss: Nächste Runde eingeläutet | |
Der Neukölln-Untersuchungsausschuss schließt mit Klaus Kandt und Barbara | |
Slowik die Befragung der Polizeizeugen ab. | |
Neuköllner Anschlagsserie: Karten nicht auf den Tisch gelegt | |
Der Skandal um unbearbeitete Strafverfahren gegen rechts zieht Kreise bis | |
zum Neukölln-Untersuchungsausschuss. Polizeichefin Slowik in der Kritik. | |
Rechtsextreme Straftaten in Berlin: Aufklärung jahrelang verschleppt | |
Noch mehr Fälle als bislang bekannt: Sechs Prozent aller rechten Straftaten | |
blieben im Berliner Landeskriminalamt liegen. | |
Ermittlungen gegen Berliner Polizisten: 300 Straftaten rechts liegen gelassen | |
Jahrelang blieben beim für Rechtsextremismus zuständigen Staatsschutz | |
Straftaten liegen. Das LKA ermittelt gegen einen Kommissariatsleiter und | |
einen Ermittler. | |
Rechte Anschlagsserie in Berlin-Neukölln: Polizei sucht Maulwurf | |
In der rechtsextremen Anschlagsserie von Neukölln gab es eine | |
Hausdurchsuchung bei einem Polizisten. Er soll Dienstgeheimnisse | |
weitergegeben haben. | |
Neukölln-Untersuchungsausschuss: „Es musste etwas im Busch sein“ | |
Im Neukölln-Untersuchungsausschuss nimmt der ehemalige Leiter der EG Resin | |
kein Blatt vor den Mund. Auch der Leiter des LKA wird als Zeuge gehört. | |
Untersuchungsausschuss Neukölln: Die Überraschung liegt im Detail | |
Bei der letzten Sitzung vor der Sommerpause treten die ersten Polizisten im | |
Neukölln-Untersuchungsausschuss in den Zeugenstand. |