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# taz.de -- Rechte Anschlagsserie in Berlin-Neukölln: Polizei sucht Maulwurf
> In der rechtsextremen Anschlagsserie von Neukölln gab es eine
> Hausdurchsuchung bei einem Polizisten. Er soll Dienstgeheimnisse
> weitergegeben haben.
Bild: Zum Neukölln-Komplex zählen Ermittler bis zu 23 Brandanschläge
Berlin taz | Der [1][Neukölln-Komplex] bleibt ein Puzzle mit unzähligen
Teilen. Zwei offenbar entscheidende Stücke haben sich am Mittwoch in der
langjährigen rechtsextremen Anschlagsserie mit über 70 Anschlägen aber
möglicherweise zusammengefügt. Erneut gab es im größtenteils unaufgeklärten
Komplex um angezündete Autos, Hakenkreuz-Schmierereien und Morddrohungen
gegen Engagierte eine Razzia bei einem Polizisten – der Fall könnte
Hinweise auf einen handfesten Polizeiskandal liefern.
Doch der Reihe nach: Der ehemalige Chef-Ermittler Michael E. sprach jüngst
im mit der Anschlagsserie befassten [2][Untersuchungsausschuss des
Abgeordnetenhauses] davon, dass Observationen von Neonazis möglicherweise
daran scheiterten, dass es einen Maulwurf in den Reihen der Polizei gegeben
haben könnte. Michael E., Leiter der seit 2017 ermittelnden Gruppe „Resin“,
wundert sich bis heute, warum die verdächtigen Neonazis immer dann die Füße
still hielten, wenn seine Einheit Überwachungen durchführte.
Seine Ermittler hatte den Täterkreis anhand von Indizien recht schnell auf
ein paar lokal bekannte Neonazis eingegrenzt. Sie wollten die mutmaßlichen
Täter auf frischer Tat ertappen und legten sich dafür häufig verdeckt auf
die Lauer – die Rechten zogen allerdings immer nur dann los, wenn sie nicht
überwacht wurden. Michael E. schlussfolgerte im Untersuchungsausschuss:
„Vielleicht wurden die Einsätze durchgesteckt. Es musste etwas im Busch
sein, von dem ich nichts wusste.“
Möglicherweise haben Generalstaatsanwaltschaft und Polizei nun den
richtigen Busch durchsucht: Am Mittwochmorgen ließen die
Sicherheitsbehörden drei Razzien an sieben Orten durchführen, wie es in
einer [3][knappen Mitteilung] heißt. Die Ermittlungen richten sich gegen
einen Polizeibeamten aus einer Einheit, die sich ebenfalls seit 2017 mit
der Anschlagsserie in Neukölln beschäftigte.
## Polizist soll im Untersuchungsausschuss aussagen
„Der Mann steht im Verdacht, unter anderem als Mitglied der operativen
Gruppe ‚Rex‘ (OG Rex) Dienstgeheimnisse unbefugt an eine Kontaktperson
weitergegeben zu haben, wobei er nicht ausschließen konnte, dass diese
Informationen auch Dritten zur Kenntnis gelangen könnten.“ Nach
Informationen der taz sollen die Durchsuchungen bei Norbert M.
stattgefunden haben, der am Freitag auch im Untersuchungsausschuss
vernommen werden soll.
Die Durchsuchungen erfolgten laut Polizei und Staatsanwaltschaft am
Mittwochmorgen an Wohnung und Dienststelle des Beschuldigten sowie bei zwei
Zeugen. Die Polizei habe Mobiltelefone und „sonstige Datenträger“
beschlagnahmt, die nun ausgewertet würden. Nähere Angaben machte die
Generalstaatsanwaltschaft auf taz-Anfrage wegen der laufenden Ermittlungen
nicht.
In der OG „Rex“ waren nur wenige Beamte. Die Gruppe existierte parallel zur
Ermittlungsgruppe „Resin“ beim LKA. Die im März 2017 gegründete OG
bearbeitete auch den Neukölln-Komplex und hielt unter anderem Kontakt mit
Betroffenen der Anschlagsserie.
## Beamter mit Kontakten in rechte Szene weiter im Dienst
Besonders brisant: Einer der Beamten in der OG „Rex“ war Stefan K., der
selbst Kontakte in die rechte Szene haben soll, wie sich später
herausstellte. Aufgeflogen war K., weil er im April 2017 außer Dienst
zusammen mit zwei rechten Union-Fans aus rassistischen Gründen und besoffen
einen afghanischen [4][Asylbewerber krankenhausreif prügelte] und dafür im
März 2023 rechtskräftig verurteilt wurde, als das Landgericht ein Urteil
des Amtsgerichts von 2022 bestätigte.
Die Betroffenen der Neuköllner Anschlagsserie kannten K. als vermeintlich
vertrauensvollen Ansprechpartner aus der OG „Rex“. Als seine Identität und
rechten Verbindungen wegen des rassistischen Angriffs auf den Afghanen
aufflogen, fielen die Betroffenen aus allen Wolken.
Interessant auch: K. sollte eigentlich zusammen mit M. diesen Freitag im
Untersuchungsausschuss aussagen, hat sich allerdings mit einem Attest krank
gemeldet, wie es aus dem Ausschuss hieß. Dafür soll nur dessen durchsuchter
Kollege der OG „Rex“ vernommen werden – in der nächsten Sitzung sind dann
drei weitere Beamte der Gruppe dran.
Für Niklas Schrader, den Innenexperten der Linksfraktion, hat sich mit der
Razzia der Verdacht erhärtet, dass es in der Polizei eine undichte Stelle
gab. Schrader sagte der taz: „Es wurde immer abgetan, dass die
Tatverdächtigen Infos aus der Polizei bekommen – durch die Entwicklung hat
sich der Verdacht darauf allerdings erhärtet. Sollte sich das bewahrheiten,
wäre das ein handfester Polizeiskandal. Der Untersuchungsausschuss sollte
sich darauf konzentrieren.“ Die OG „Rex“ sei auch in Kontakt mit
demokratischen Initiativen in Süd-Neukölln gewesen, sagte Schrader, „es ist
also möglich, dass von hier interne Informationen an die Täter geflossen
sind.“
## Terrorserie noch immer unaufgeklärt
Tatsächlich ist das Vertrauen in Polizei und Staatsanwaltschaft bei den
Betroffenen der Anschlagsserie aufgrund zahlreicher Ungereimtheiten
zutiefst erschüttert. Es war nicht der erste Fall, in dem es Verbindungen
aus den Sicherheitsbehörden zum mutmaßlichen Täterkreis gegeben hat: So
wurde ein Staatsanwalt wegen Befangenheit und [5][Verdacht auf AfD-Nähe
versetzt]. Und ein in der Hufeisensiedlung wohnhafter Polizist und
AfD-Mitglied eines benachbarten Polizeiabschnitts war zusammen mit einem
der Verdächtigen in einer Chatgruppe und hatte auch dort sensible
Informationen geteilt. Einer der Täter ist ehemaliges Mitglied der AfD
Neukölln.
Noch immer ist die Terrorserie mit 72 Brandanschlägen, Bedrohungen und
Sachbeschädigungen, die sich gegen Personen richtete, die sich gegen
Rechtsextremismus engagierten, zum größten Teil unaufgeklärt. Zwar war der
mutmaßliche Täterkreis schon früh bekannt, dennoch reichten die Indizien
nie für eine Verurteilung wegen Brandstiftung. In einem Gerichtsverfahren
gegen zwei Hauptverdächtige ist eine Berufung seitens der
Staatsanwaltschaft anhängig, zwei Hauptverdächtige wurden lediglich wegen
rechtsextremer Schmierereien verurteilt.
Verschiedene zivilgesellschaftliche Initiativen kritisierten unterdessen,
dass der wegen des rassistischen Angriffs verurteilte Stefan K. trotz
seiner rechtskräftigen Verurteilung noch immer im Dienst sei, und
[6][forderten seine Suspendierung]. Die Behörde von Innensenatorin Iris
Spranger (SPD) beantwortete auf taz-Anfrage bis Redaktionsschluss nicht, ob
und warum K. noch immer im Dienst sei.
Ferat Koçak, Linken-Abgeordneter und Betroffener der Anschlagsserie, bleibt
angesichts vieler offener Fragen verunsichert: „Unsere Angst beschränkt
sich nicht nur auf die Nazis, die diese Anschläge umgesetzt haben, sondern
auch auf die Behörden, die uns nicht schützen.“
28 Sep 2023
## LINKS
[1] /Rechter-Terror-in-Berlin-Neukoelln/!t5612550
[2] /Neukoelln-Untersuchungsausschuss/!5957561
[3] https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2023/pressemitteilung.137029…
[4] /Angriff-auf-Gefluechteten/!5831531
[5] /Rechte-Anschlagsserie-in-Neukoelln/!5705701
[6] /Nach-Urteil-wegen-rassistischen-Angriffs/!5921950
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
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