Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neukölln-Untersuchungsausschuss: „Es musste etwas im Busch sein�…
> Im Neukölln-Untersuchungsausschuss nimmt der ehemalige Leiter der EG
> Resin kein Blatt vor den Mund. Auch der Leiter des LKA wird als Zeuge
> gehört.
Bild: Demonstranten forderten im September 2022 vor der Sitzung des Untersuchun…
Berlin taz | Es ist die erste Sitzung des
[1][Neukölln-Untersuchungsausschusses nach der Sommerpause]. Der frühere
Leiter der Ermittlungsgruppe Resin, Michael E. trat am Freitagnachmittag in
den Zeugenstand. Der 55-Jährige gehört zu der Sorte Beamten, die kein Blatt
vor den Mund nehmen. Mit der Thematik Rechtsextremismus sei er bereits 27
Jahre vertraut gewesen, als er 2017 beim Staatsschutz zum Leiter der
Ermittlungsgruppe Resin berufen worden sei, sagte der Beamte.
Der Untersuchungsausschuss befasst sich im Abgeordnetenhaus mit einem
möglichen Behördenversagen bei der Aufklärung der rechtsextremistischen
Anschlagsserie in Neukölln, die bis 2009 zurückreicht. Obwohl unzählige
Ermittler mit den Anschlägen befasst waren und die Tatverdächtigen bekannt
sind, konnte für die Brandanschläge bis heute niemand verurteilt werden.
[2][Der Prozess wird nochmals aufgerollt.]
Vor der EG Resin, die beim Staatsschutz angesiedelt war, hatte die an einen
Polizeiabschnitt angegliederte EG REX bis 2016 die Ermittlungen geführt.
[3][Die Resin ging im Mai 2019 in der Sonderermittlungsgruppe „Bao Fokus“
auf]. Die hatte insgesamt 63 zum Neukölln-Komplex zählende Straftaten einer
erneuten kriminalistischen Betrachtung unterzogen, darunter 16
Brandstiftungen, verübt in der Zeit von Juni 2016 bis März 2019.
Michael E. hat die Resin nur ein gutes Jahr geleitet. Er sei dann abgelöst
worden, weil sein Name in einer der Feindeslisten der Rechtsextremisten
aufgetaucht sei. Nachvollziehbar zu seiner eigenen Sicherheit sei die
Ablösung gewesen, aber er selbst hätte lieber weiter gemacht. „Ich lasse
mich von Bedrohungen nicht beeindrucken“, sagte er.
## Durchstechereien und familiäre Kontakte in die Szene
Aufgrund eigener Expertise sei ihm schon nach wenigen Stunden Aktenstudium
klar gewesen, wer für die Neuköllner Anschlagsserie infrage komme, sagte E.
am Freitag. Er listete drei, vier Personen, die im Neukölln-Komplex immer
wieder auftauchen, unter Abkürzung ihres Nachnamens auf. Die Resin habe
sich zum Ziel gesetzt, die Täter bei den Brandstiftungen auf frischer Tat
zu ertappen, um sie gerichtsfest überführen zu können. Viele nächtliche
Sondereinsätze zum Zwecke der Observation habe die EG Resin gefahren, aber
merkwürdigerweise sei in diesen Zeiten nie etwas geschehen.
Auf die Frage, wie er sich das erkläre, sagte E. unverblümt: „Vielleicht
wurden die Einsätze durchgesteckt.“ Er habe den Kreis der Wissenden
innerhalb der Polizei deshalb zunehmend klein gehalten. Auch die
angrenzenden Abschnitte seien nicht mehr informiert worden, man habe die
Observationen ohne zusätzliche Kräfte gemacht. Selbstverständlich habe er
seinen Verdacht Vorgesetzten mitgeteilt. Es habe auch Nachprüfungen bei
Beamten gegeben, die familiäre Kontakte zu Szeneangehörigen hätten, diese
seien aber nie dadurch aufgefallen, dass sie dubiose Abfragen in der
Polizeidatenbank tätigten.
„Es musste etwas im Busch sein, von dem ich nichts wusste“, sagte E. Es
habe auch diese unerfreuliche Chat-Gruppe innerhalb der Polizei mit
zweifelhaften Inhalten gegeben. Aber das habe er damals noch nicht gewusst.
Hochgradig ungewöhnlich habe er auch das Verhalten des Oberstaatsanwalts F.
gefunden, so E. Später war [4][Oberstaatsanwalt F. war wegen Verdachts auf
AfD-Nähe] von den Neukölln-Ermittlungen abgezogen worden. Er habe unzählige
Male versucht, bei F. gerichtliche Beschlüsse für gezielte
Überwachungsmaßnahmen zu erwirken, so E. Nur in geschätzt vier von zehn
Fällen sei das gelungen. Alle früheren Maßnahmen hätten auch nicht
gegriffen, so habe F. solche Ansinnen abgewehrt. Drei Umzugskartons mit
möglichem Beweismaterial hätten die Staatschutzbeamten zur
Staatsanwaltschaft getragen. Dort hätten sie sehr lange gestanden, „ohne
einmal angefasst worden zu sein“.
## Umstrukturierungen im Staatsschutz
Am Vormittag war auch der Leiter des Berliner Landeskriminalamts (LKA),
Christian Steiof, im Untersuchungsausschuss gehört worden. Der berichtete,
dass es ab 2013 in Folge des Bekanntwerdens der NSU-Mordserie zu großen
Umstrukturierungen im Staatsschutz gekommen war. Nahezu die Hälfte des
Personals zur Bekämpfung des Rechtsextremismus sei ausgetauscht worden, „um
frisches Blut reinzubringen“. Das sei natürlich mit einem großen
Wissensverlust verbunden gewesen. Jahrelang erworbenes „Kopfwissen“, so
Steiof, sei so verloren gegangen. „So eine Aktion würde ich heute nicht
noch einmal machen“, sagte der LKA-Chef.
Nach dem Anschlag von Anis Amri 2016 auf den Weihnachtsmarkt am
Breitscheidplatz sei im Staatsschutz der Bereich Islamismus verstärkt
worden. „Aber wir haben nie Personal zur Bekämpfung des Rechtsextremismus
abgezogen“, versicherte Steiof. Im Gegenteil. Das Personal sei im Laufe der
Jahre von einst 60 auf heute 131 Ermittler aufgestockt worden. Auch die
zwischenzeitlich erfolgte Trennung zwischen allgemein motivierter rechter
Kriminalität und organisierter rechter Kriminalität sei wieder aufgehoben
worden. Ab 2017, einhergehend mit der Gründung der EG Resin, sei im LKA
klar gewesen, dass es sich bei den Neuköllner Taten um eine Serie handelt.
Wie er seine Versetzung aus Fürsorgegründen zum Bereich Islamismus verdaut
habe, wurde der frühere Leiter der EG Resin, Michael E., am Nachmittag im
Untersuchungsausschuss gefragt. Der Schritt sei ihm aufgrund seiner
langjährigen Expertise im Bereich Rechtsextremismus nicht leichtgefallen,
so. E. „Mit Islamismus hatte ich bis dahin ja nichts am Hut.“ Aber der
Wissenstransfer zu seinem Nachfolger habe sehr gut geklappt. „Ich werde bis
heute noch angerufen und nach meiner Meinung gefragt“.
1 Sep 2023
## LINKS
[1] /Rechtsextremismus-in-Berlin/!5934558
[2] /Staatsanwaltschaft-legt-Berufung-ein/!5951069
[3] /Untersuchungsausschuss-Neukoelln/!5940150
[4] /Rechte-Anschlagserie-in-Berlin-Neukoelln/!5858231
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Rechter Terror in Berlin-Neukölln
Polizei Berlin
Staatsschutz
deutsche Justiz
Rechter Terror in Berlin-Neukölln
Rechter Terror in Berlin-Neukölln
Rechter Terror in Berlin-Neukölln
Polizei Berlin
Rechter Terror in Berlin-Neukölln
## ARTIKEL ZUM THEMA
Humboldt-Vorlesung zu rechter Justiz: „Nicht auf dem rechten Auge blind“
Misst die Justiz bei Rechten und Linken mit zweierlei Maß? Mit einer
Ringvorlesung wolle man dieser Frage nachgehen, sagt Schirmherr Martin
Heger.
Neukölln-Untersuchungsausschuss: Neonazis plastisch beschrieben
Obwohl gegen ihn ein Ermittlungsverfahren läuft, stellt sich ein Polizist
im Neukölln-Untersuchungsausschuss den Fragen. Und überrascht mit manchen
Antworten.
Rechte Anschlagsserie in Berlin-Neukölln: Polizei sucht Maulwurf
In der rechtsextremen Anschlagsserie von Neukölln gab es eine
Hausdurchsuchung bei einem Polizisten. Er soll Dienstgeheimnisse
weitergegeben haben.
Staatsanwaltschaft legt Berufung ein: Neukölln-Prozess geht in Runde zwei
Die Generalstaatsanwaltschaft findet sich mit den milden Urteile für drei
Neonazis nicht ab. Ferat Kocak fordert, Strukturen in den Blick zu nehmen.
Extremismus bei Berlins Polizei: Die Gefahr ist rechts
136 Polizisten in Berlin stehen unter Rechtsextremismusverdacht. Die
polizeiinternen Ermittlungen laufen nun in einem eigenen Fachkommissariat.
Neukölln-Untersuchungsausschuss: Am rechten Netzwerk vorbei gesehen
Die Polizei habe die Anschläge seit 2009 nicht als Serie offenbar immer
gleicher Täter erkannt, sagt Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen
Rechts.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.