# taz.de -- G20-Gipfel unter Indiens Vorsitz: Putin sucht die große Bühne | |
> Kriege drohen die Weltgemeinschaft zu zerreiben: Nun rückt der Gaza-Krieg | |
> in den Fokus der G20. Russlands Präsident Putin ist wieder dabei. | |
Bild: Vom Kreml zugeschaltet: Beim virtuellen G20-Treffen beteiligte sich auch … | |
MUMBAI taz | „Als mir der indonesische Präsident Joko Widodo den Hammer | |
überreichte, hatte ich gesagt, dass wir gemeinsam die G20 inklusiv, | |
ehrgeizig, handlungsorientiert und entschlossen machen werden“, sagte der | |
indische Premierminister Narendra Modi am Mittwoch beim virtuellen | |
G20-Gipfel, dessen Vorsitz zu Ende geht. Diese Worte sagte er auch [1][im | |
September in Neu-Delhi], als die Staats- und Regierungschefs der 19 | |
wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sowie die EU zusammenkamen. Da | |
schien die Welt noch ein Stück weit weniger polarisiert zu sein. | |
Die Präsidentschaft Indiens fiel mit dem weiter andauernden russischen | |
Angriffskrieg gegen die Ukraine in keine leichte Zeit. Die Gräben zwischen | |
westlichen Ländern und Russland vertieften sich wieder. Es schien fast, | |
dass sie unüberwindbar geworden sind. Daraus folglich wäre das G20-Forum | |
der Wirtschaftsnationen obsolet geworden. Wenn Gespräche nicht mehr | |
möglich sind, was können dann Gipfel ausrichten? Doch es gelang die | |
Überraschung, dass sich am Ende auch China und Russland zu Zugeständnissen | |
bereit zeigten: Am 9. September wurde die „Erklärung von Neu-Delhi“ | |
veröffentlicht. | |
Abstriche gab es von vielen Seiten – gerade hinsichtlich der Klimaziele, | |
die so wichtig gewesen wären. Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz | |
[2][Robert Habeck musste schon beim Treffen der | |
Energieminister:innen in Goa] um Worte ringen, um das Positive | |
hervorzuheben. Denn der große Verstoß blieb aus. Zur Einigung führte, dass | |
am Ende die führenden Industrienationen die russische Aggression nicht mehr | |
so deutlich verurteilten wie im Vorjahr. Es wurde auf Resolutionen der | |
Vereinten Nationen (UN) verwiesen, die das taten. | |
## Putin bezeichnet den Ukraine-Krieg als „Tragödie“ | |
Ferngeblieben waren der Veranstaltung in Delhi der chinesische Präsident Xi | |
Jinping sowie Russlands Präsident Wladimir Putin. Gegen ihn wurde im März | |
2023 vom Internationalen Strafgerichtshof Haftbefehl erlassen. Virtuell | |
schaltete sich Putin jedoch am Mittwoch zu. Zum Beginn der Rede Modis | |
fehlten dagegen die Regierungschef:innen aus Deutschland, Italien und | |
den USA. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kam verspätet dazu. | |
Bei Putins Redebeitrag waren nicht alle Länder zugeschaltet. Er teilte | |
seine Sicht auf die „zutiefst instabile Weltlage“ und bezeichnete die | |
russische Invasion als „Tragödie“. Russland habe niemals Friedensgespräche | |
mit Kyjiw abgelehnt, so Putin, der auch die Tötung von Zivilisten in Gaza | |
thematisierte. Zum offiziellen Ende von Indiens Vorsitz überschattete der | |
Krieg in Gaza das Treffen. „Wir alle verurteilen Terrorismus und Gewalt | |
aufs Schärfste“, sagte Modi. | |
[3][Die Einigung über die Freilassung israelischer Geiseln] im Austausch | |
gegen palästinensische Gefangene begrüßten Regierungen von Deutschland über | |
die USA bis zu Indien. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan | |
kritisierte, dass in Gaza Kriegsverbrechen begangen würden, und forderte | |
„eine Initiative zur Verwirklichung einer Zweistaatenlösung“. Wie schon | |
beim Krieg in der Ukraine steht Indien zwischen den Stühlen. Die Regierung | |
Modi pflegt enge Verbindungen nach Tel Aviv beziehungsweise zum Kabinett | |
Netanjahu. Doch Indien erkannte Palästina 1988 auch als eines der ersten | |
Länder als Staat an. Das stellte Modi am Mittwoch nicht infrage, er | |
ergänzte, dass humanitäre Hilfe für Gaza so schnell, wirksam und sicher wie | |
möglich geleistet werden solle. „Diplomatie und Dialog sind der einzige | |
Weg, um geopolitische Spannungen zu lösen“, war sein Fazit. | |
Am Dienstag beim virtuellen Brics-Treffen wichtiger Schwellenländer | |
(Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) wurde bereits eine | |
sofortige und dauerhafte humanitäre Waffenruhe gefordert, was Indien, | |
vertreten durch Außenminister Subrahmanyam Jaishankar, unterstrich. Für | |
Indien war es trotz des wachsenden Konflikts mit China ein erfolgreiches | |
Jahr, das seltenen Besuch ins Land brachte. | |
## Brasilien übernimmt den G20-Vorsitz | |
Dementsprechend hoch waren im Jahr vor den anstehenden Parlamentswahlen die | |
Erwartungen an den G20-Vorsitz, eine neue Weltordnungspolitik zu prägen, in | |
der Indien eine stärkere Rolle innehat, und das multilaterale System | |
wiederzubeleben. Die G20, die mit der Afrikanischen Union 21 feste | |
Mitglieder hat, ist seit 2009 das zentrale Forum für internationale | |
wirtschaftliche Zusammenarbeit. | |
Ob es das in Zeiten polarisierender Kriege bleiben kann, muss sich nun in | |
Brasilien zeigen. Den offiziellen G20-Präsidentschaftshammer hat Brasiliens | |
Präsident Lula da Silva bereits erhalten. Er hoffe, dass ein | |
Waffenstillstand in Gaza der „Weg“ zur Beendigung des Krieges sein könne, | |
so da Silva. Ein leichteres Jahr wird es wohl für den neuen Vorsitz nicht. | |
Ein Ende des Krieges kann nur allen recht sein. | |
22 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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