# taz.de -- Konfliktforscher über Benin und Niger: „Frauen brechen die Einna… | |
> Unter der Militärherrschaft in Niger leidet auch Nachbarland Benin, sagt | |
> der beninische Konfliktforscher Kamal Donko. Nicht nur im Kampf gegen | |
> Terror. | |
Bild: September 2023: ein Mann möchte Lebensmittel von Niger nach Malanville, … | |
taz: Herr Donko, vor knapp 3 Monaten hat in [1][Niger] das Militär | |
geputscht. Was bedeutet das für den Norden von Benin, das direkt an Niger | |
grenzt? | |
Kamal Donko: Nicht nur hier, sondern in ganz Benin sprechen wir täglich | |
über die Lage in Niger. Beide Länder hängen voneinander ab, weil es seit | |
jeher viel Migration gibt. Beispielsweise haben Kinder in Benin ihre Eltern | |
in Niger und umgekehrt. Jetzt wird die Mobilität durch die Grenzschließung, | |
die zu den westafrikanischen Sanktionen gehört, beeinträchtigt. | |
Wie erleben Sie das hier in Parakou, der größten Stadt im Norden Benins? | |
Es ist üblich, dass junge Nigrer in den Schulferien nach Parakou kommen, | |
um etwas Geld zu verdienen. Einem jungen Mann habe ich gerade ein Handy | |
abgekauft, um ihn zu unterstützen. Viele können jetzt nicht mehr nach Niger | |
zurück. Sie sitzen hier fest. | |
Viele Grenzen in Westafrika sind Tausende Kilometer lang und können | |
unmöglich überwacht werden. Wie verhält es sich mit jener zwischen Niger | |
und Benin? | |
Es gibt einen Grenzfluss, der sich bis heute auf Piroggen überqueren lässt. | |
Diesen Weg will aber nicht jeder nutzen. | |
Importgüter, die beispielsweise über den Hafen von Cotonou im Süden Benins | |
an der Atlantikküste durch das Land bis nach Niger gebracht werden sollen, | |
lassen sich auch gar nicht in kleinen Holzbooten transportieren. | |
Auf dem Weg von Cotonou nach Parakou haben Sie gemerkt: Die Straße ist | |
leer. Nur wenige Lkws sind unterwegs. | |
Es gibt Bilder aus der Grenzstadt Malanville, auf denen Lkws zu sehen sind, | |
die nicht weiterfahren können. | |
Die Schlangen dort sind viele Kilometer lang. Vor allem in den ersten Tagen | |
nach dem Putsch war es chaotisch. Lebensmittel wie Mais sind längst | |
verdorben. Das sind große Verluste. Auch müssen Unternehmer Kredite | |
bedienen. Banken interessiert es nicht, ob Grenzen geschlossen sind oder | |
nicht. Jetzt fängt außerdem die Erntezeit an. Yams werden bereits geerntet. | |
Wir fragen uns, wohin wir unsere Produkte dann verkaufen. | |
Wer hängt noch von der Transportbranche ab? | |
Vielfach verkaufen Frauen am Straßenrand Lebensmittel. Früher haben viele | |
an der Mautstelle gestanden, an der es immer lebhaft war. Heute ist dort | |
fast niemand mehr. Die Frauen verdienen zwar manchmal nur einige Cents. | |
Trotzdem ist das wichtig für die Familien. Manchmal haben Männer vier | |
Frauen, die letztendlich alleine mit ihren Kindern leben. Für die müssen | |
sie sorgen, weil die Männer abwesend sind. Durch den weggefallenen Verkehr | |
brechen ihnen die Einnahmen weg. | |
Dabei haben schon die Grenzschließungen in Mali im Januar 2022 gezeigt, | |
dass sich so kaum Druck auf eine Junta ausüben lässt … | |
Es sind Schnellschüsse. In Benin haben wir während der Coronapandemie | |
erlebt, wie wichtig offene Grenzen sind. Die nach Niger wurde damals nie | |
geschlossen, was der Bevölkerung sehr geholfen hat. | |
Wirkt sich der Staatsstreich auch auf die Sicherheitslage in Benin aus? Im | |
Norden hat es mehrere Angriffe von bewaffneten Gruppen gegeben. | |
Niger hat das Abkommen zur militärischen Kooperation im Kampf gegen | |
Terrorismus mit Benin ausgesetzt. Das heißt, dass Benins Streitkräfte | |
Angreifer nicht mehr grenzüberschreitend verfolgen können. Auch | |
Informationen werden nicht mehr ausgetauscht. Das schwächt uns im Norden | |
zusätzlich. | |
[2][Seit 2020 hat es in Westafrika sechs Staatsstreiche gegeben]. Stehen | |
der Region weitere Putsche bevor? | |
Auch Länder wie Benin und Togo können leicht destabilisiert werden. Es ist | |
möglich, auf lokaler Ebene Unzufriedenheit zu schüren. Das kann sich dann | |
ausbreiten. | |
Wie lässt sich das verhindern? | |
Die Bevölkerung muss bei Entscheidungen einbezogen werden. Infrastruktur zu | |
verbessern, ist gut. Doch für den Straßenbau werden Häuser abgerissen. Wenn | |
jemand dort ein Geschäft hatte und mit den Einnahmen eine Kredit abbezahlen | |
muss, ist das nicht mehr möglich. So etwas sorgt für Ärger. | |
23 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Zwischen-Mali-Burkina-Faso-und-Niger/!5958062 | |
[2] /Putsche-in-Afrika/!5956400 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
## TAGS | |
Niger | |
Benin | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Militärregierung | |
Uranmine | |
Mali | |
Schwerpunkt Pressefreiheit | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Benin | |
Niger | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nach drei Jahren Militärregierung: In Mali ist nicht alles schlecht | |
Im Ausland werden vor allem die Defizite der Regierung hervorgehoben. Vor | |
Ort betonen Menschen dagegen die Erfolge – trotz harter Lebensumstände. | |
Journalismus in Westafrika: Staatsstreiche gegen Pressefreiheit | |
In der Sahelregion steht es schlecht um die freie Berichterstattung. Immer | |
wieder werden Journalist:innen bedroht, verhaftet oder getötet. | |
Afrika und der Krieg in Nahost: Keine einheitliche Haltung | |
Die Staaten Afrikas positionieren sich unterschiedlich im Konflikt zwischen | |
Israel und der Hamas. Das sorgt für Probleme. | |
Filmbranche in Westafrika: Der Traum vom Kino | |
Eine Filmindustrie hat sich bisher nicht im afrikanischen Benin entwickelt. | |
Dennoch hoffen junge Menschen auf eine Karriere im Kino und Fernsehen. | |
Putsch in Niger: Der „Stabilitätsanker“ löst sich | |
Kein Land in der Sahelzone beherbergt so viele ausländische Eingreiftruppen | |
und wird so gern von deutschen Ministern besucht wie Niger. Und jetzt? |