Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Protest gegen Castor-Transporte: Atommüll-Fahrten unnötig
> Wegen Erdbebengefahr sollen Dutzende Atommülltransporte von Jülich nach
> Ahaus rollen. Doch die Gefahr existiert offenbar gar nicht.
Bild: Atommüll im Jülicher Forschungszentrum
Bochum taz | In Nordrhein-Westfalen gibt es neue Proteste gegen Dutzende
unnötige Transporte von hochradioaktivem Atommüll aus dem Forschungszentrum
Jülich ins Zwischenlager Ahaus. Am Zielort im Westmünsterland
demonstrierten am Montagabend [1][Atomkraftgegner]:innen und
Landwirt:innen gegen die Castor-Atommüllbehälter, deren Lkw-Anlieferung
in der Nacht von Dienstag auf diesen Mittwoch – noch ohne radioaktive
Beladung – geprobt werden sollte.
Vor Ort war auch die parteilose Ahauser Bürgermeisterin Karola Voß. Die
Stadt klagt vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gegen die geplanten
Autobahntransporte. Dennoch ist für die Nacht vom 21. auf den 22. November
ein weiterer Probelauf geplant, bei dem auch die Atomaufsicht des grün
geführten NRW-Wirtschaftsministeriums teilnehmen will.
Bei dem Atommüll handelt es sich um den Brennstoff des ersten deutschen
Hochtemperaturreaktors (HTR), der seit 1966 auf dem Gelände des
Forschungszentrums im rheinischen Jülich betrieben wurde. Nach massiven
Störfällen, die etwa zu einer übermäßig starken radioaktiven Kontamination
des Reaktors und einer Verstrahlung des Bodens darunter geführt haben,
wurde der HTR 1988 stillgelegt.
Seit 1992 lagert der Atommüll in Form von 192.000 Brennelementkugeln in 152
Castoren auf dem Gelände des Forschungszentrums. Bereits seit 2009 wird
darüber gestritten, was mit den Behältern passieren soll. Nachdem die
Genehmigung für den Verbleib in Jülich schon 2013 ausgelaufen war, hatte
der damalige NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) als Atomaufsicht
bereits 2014 eine unverzügliche Räumung des dortigen Atommülllagers wegen
angeblicher Erdbebengefahr angeordnet.
## Keine sicherheitsrelevante Erdbebengefahr
Allerdings: Diese [2][Erdbebengefahr] gibt es offensichtlich gar nicht.
Bereits im Oktober 2022 sei das [3][Bundesamt für die Sicherheit] der
nuklearen Entsorgung zu der Einschätzung gekommen, [4][„dass der
Gesamtkomplex der seismischen Bemessung und der davon abhängigen
sicherheitstechnisch zu bewertenden Auswirkungen mit positivem Prüfergebnis
abgeschlossen werden“] konnte, ließ Duins Nachnachfolgerin Ende Oktober
mitteilen.
Das ist Nordrhein-Westfalens Vizeministerpräsidentin und
Wirtschaftsministerin, die grüne Mona Neubaur. Auch bei einem Treffen mit
Umweltverbänden wie dem BUND und überregionalen wie lokalen
Anti-Atom-Initiativen am 30. Oktober habe Neubaur noch einmal bestätigt,
dass es in Jülich keine sicherheitsrelevante Erdbebengefahr gebe, erfuhr
die taz.
Doch die geplanten Probetransporte in Richtung Ahaus zeigen: Die Jülicher
Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH will den Atommüll möglichst
schnell loswerden – und schafft so ein Problem, besonders für Neubaur.
Denn: „Wir setzen uns für eine Minimierung von Atomtransporten ein“, heißt
es im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen NRW-Landesregierung von
CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst unmissverständlich. Und weiter: „Im Fall
der in Jülich lagernden Brennelemente bedeutet dies, dass wir die Option
eines Neubaus eines Zwischenlagers in Jülich vorantreiben.“
Gründe dafür gibt es viele: Nicht nur gelten die zum Transport nach Ahaus
40 bis 50 notwendigen Lkw-Fahrten mit hochradioaktivem Atommüll mitten
durch das dichtbesiedelte NRW als gefährlich. „Wie alle deutschen
Zwischenlager ist Ahaus nicht ausreichend gegen Terroranschläge und
Flugzeugabstürze gesichert, hat deshalb nur eine Betriebsgenehmigung bis
2034“, sagt außerdem Felix Ruwe von der Bürgerinitiative Kein Atommüll in
Ahaus.
## Castoren nur für 40 Jahre ausgelegt
Auch seien die Castor-Behälter nur für eine Laufzeit von 40 Jahren
ausgelegt, kritisiert Ruwe. Angesichts der völlig ungeklärten Endlagerfrage
müsse der Atommüll also absehbar umgepackt werden. Dies sei aber nicht in
Ahaus, wohl aber in Jülich möglich. Das sieht selbst Jülichs parteiloser
Bürgermeister Axel Fuchs genauso: „Ich könnte mir auch ein Zwischenlager in
Jülich vorstellen“, meinte er Mitte Oktober im WDR.
NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur erklärt dazu, noch sei „keine
Entscheidung für eine der beiden Optionen“ Jülich oder Ahaus getroffen
worden. Allerdings halte die Bundesregierung die Ahaus-Option für
„grundsätzlich vorzugswürdig“. Atomkraftgegner:innen aber lassen das
nicht gelten: „Als Chefin der NRW-Atomaufsicht hat Mona Neubaur alle Hebel
in der Hand“, meint etwa Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland
gegen Atomanlagen: „Neubaur muss endlich die Räumungsverfügung für Jülich
aufheben und alle Beteiligten zum Bau eines neuen, sicheren Zwischenlagers
in Jülich drängen.“
7 Nov 2023
## LINKS
[1] https://www.ausgestrahlt.de/presse/uebersicht/wende-im-julicher-castor-stre…
[2] /Proteste-gegen-Atommuell-Lieferungen/!5578898
[3] https://www.bsi.bund.de/DE/Home/home_node.html
[4] https://www.wirtschaft.nrw/atomaufsichtliche-anordnung-zur-unverzueglichen-…
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
Castor-Transport
Forschungszentrum Jülich
Atommüll
Schwerpunkt Atomkraft
Atomenergie
Schwerpunkt Atomkraft
Castor
Schwerpunkt Atomkraft
Anti-AKW-Proteste
Schwerpunkt Atomkraft
Forschungszentrum Jülich
## ARTIKEL ZUM THEMA
Zwischenlager für Atommüll: Gericht erlaubt Castortransporte von Jülich nach…
152 Behälter mit Brennelementkugeln dürfen durch NRW gekarrt werden.
Kritiker monieren Risiken und argumentieren, das ganze Manöver sei unnötig.
Drohnenflüge über Atomanlagen: UFOs im Norden
In Brunsbüttel und Stade überfliegen unbekannte Drohnen die
Industriegebiete. Dort lagern auch radioaktive Abfälle aus den
stillgelegten AKW.
Atommüll-Transporte: Sicherheitslücken bei Castor-Proben
Bis zu 152-mal soll hochradioaktiver Atommüll über NRWs Autobahnen rollen –
doch Übungsfahrten offenbaren Sicherheitslücken.
Grüne Ministerin lädt Aktivisten aus: Verbündete verprellt
Die grüne NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur geht auf
Konfrontationskurs mit Anti-Atom-Aktivist:innen. Damit setzt sie die
Rückendeckung der Basis aufs Spiel.
BUND über Atommüll-Fahrten durch NRW: „Castor-Transporte stoppen“
Die geplanten Atommülltransporte seien gefährlich und unnötig, sagen
Kerstin Ciesla und Matthias Eickhoff. Es brauche ein Machtwort von ganz
oben.
Proteste von Anti-Atom-Initiativen: NRW drohen Castortransporte
Schon 2024 könnten hoch radioaktive Brennelemente per LKW mitten durch NRW
rollen. Atomkraftgegner:innen sprechen von „sinnloser
Atommüllverschiebung“.
Anti-Atom-Radtour: Kein Zurück in die Zukunft
Auf einer Tour entlang der letzten Atomkraftwerke feiern Umweltschützer
den Ausstieg. Von Brokdorf bis Wyhl besuchen sie Schauplätze alter Kämpfe.
Proteste gegen Atommüll-Lieferungen: Castortransport reloaded in Ahaus
Noch in diesem Jahr drohen neue Transporte mit hochradioaktivem
Atombrennstoff ins Münsterland. Dagegen gibt es Widerstand.
Brennelemente aus Versuchsreaktor: Atommüll-Export in die USA beantragt
Die Jülicher Gesellschaft für Nuklearanlagen will 152 Castor-Behälter nach
Amerika transportieren. Die Grünen sind empört, die Regierung laviert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.