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# taz.de -- Komödie von Herbert Fritsch in Basel: Der Kalauer bleibt drin
> Bei Herbert Fritsch laufen sie noch gegen jede Wand, die Damen und Herren
> der Komödie „Pferd frisst Hut“. In Basel macht Grönemeyer die Musik daz…
Bild: Die fabelhafte Crew von „Pferd frisst Hut“
[1][Herbert-Fritsch-Fans] wissen, was sie erwartet. Es ist eine Art von
motorischem Extrakt, der Wagner-Opern ebenso erfasst wie selbstverfassten
Nonsens. Seit der Ex-Volksbühnenstar die Seiten gewechselt hat und ganz
vorne in der Zunft der Regisseure mitmischt, ist das so. Mit einer
stilisierten Ästhetik, artistischer Slapstickmotorik, mit bewährten und
auch schon etwas abgenutzten Gags. Bei Fritsch laufen sie noch gegen jede
Wand, kriegen immer wieder eine abrupt geöffnete Tür mit voller Wucht ins
Gesicht oder schauen dem Mann auf die Hose, wenn irgendwas auch nur „klein“
genannt wird. So in der Art. Man muss sich schon bewusst von der Ursubstanz
des Theaters unterhalten lassen wollen, um hier gut bedient zu werden.
Das legendäre „Murmel Murmel“ an der Volksbühne war dafür sozusagen das
Opus 1 in einem inzwischen auch die Oper einbeziehenden, flott wuchernden
Werkverzeichnis. Manchmal endet sein Kopfsprung in bekannte Stücke (wie in
Rossinis „Barbier“ in Wien) mit einer scheppernden Bruchlandung. Dann
wieder gelingt es ihm, mit einem für seine Methode scheinbar nicht
geeigneten Stück (wie ausgerechnet Wagners „Fliegender Holländer“ an der
Komischen Oper in Berlin) unerwartet treffsicher zu faszinieren.
Eugène Labiches „Ein Florentinerhut“ von 1851 ist per se eine Steilvorlage
fürs Fritschtheater. Hier sind das Tempo und die Verwirrung angelegt und
warten nur auf die Turbobeschleunigung und ein Ensemble, das mitspielt.
Für seine schon zweite Inszenierung dieses Klassikers kommt diesmal ein
Sahnehäubchen obendrauf: Kein Geringerer als [2][Herbert Grönemeyer] hat
für die Basler Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin, die jetzt in
Basel Premiere hatte, ganze 16 Songs und einige Zwischenmusiken
beigesteuert. Thomas Meadowcroft hat sie fürs große Orchester arrangiert
und Thomas Wise und das Sinfonieorchester Basel sorgen dafür, dass es
tatsächlich nach einer musikalischen Komödie klingt, die irgendwo zwischen
Vaudeville-Show, Musical und Boulevardkomödie mit der Musik Blinde Kuh
spielt, und mal das eine, mal das andere erwischt.
## Seitensprung kaschieren
Der Titel „Pferd frisst Hut“, bringt die Vorgeschichte auf den Punkt und
liefert das erste Bild zur Ouvertüre. Der Raum, in dem dann die Jagd nach
einem Ersatzhut beginnt (und wie immer auch vom Regisseur stammt), ist bunt
und schief, hat 10 Türen und eine Drehtür im Zentrum oberhalb einer gelben
Treppe.
Der Besitzer des Hut fressenden Pferdes Fadinard muss Ersatz beschaffen,
denn der Hut gehörte einer verheirateten Frau mit eifersüchtigem Ehemann.
Der Hut-Fress-Unfall passierte bei einem Schäferstündchen der Hutbesitzerin
mit ihrem Lover. Dass der Pferdebesitzer gerade heiraten will und die
gesamte Verwandtschaft schon in den Taxis auf den Startschuss wartet,
gehört zu der Kombination von Unwahrscheinlichkeiten, aus dem der
Treibstoff für Komödienchaos gemacht ist.
Und das entfesselt Fritsch mit seiner fabelhaften Crew. Wenn die unter die
etwas lang geratenen gesprochenen Passagen gemischten Songs direkt nach
Grönemeyer klingen (wie bei Christopher Nells Fadinard und bei Sarah
Bauerett als seiner rau röhrenden, Hüte machenden Ex Clara), ist es eine
wahre Freude. Bei den eher im gängigen Musicalsound daherkommenden Songs
ist es vor allem die ironische Überspitzung, in die Fritsch seine
Interpreten treibt, die die Nummern eine rettende Handbreit über den
Reim-dich-oder-ich-schlag-dich-Klippen der Grönemeyer-Texte schweben
lässt.
Für sich genommen wären die meisten Bum-bum-bum oder La-la-la gerahmten
Sprüche als Songlyrik nur schwer auszuhalten. Weil sie aber allesamt eine
so perfekte Nonsenssohle aufs Parkett legen, muss man in den etwas
überlangen drei Stunden selbst über Klassiker herzlich lachen. Über den
Hut, der immer wieder weiterhüpft, wenn ihn sein Besitzer aufheben will,
oder über die zwei Herren in der Badewanne. Frei nach dem Motto: die Ente,
äh, der Kalauer bleibt drin.
6 Nov 2023
## LINKS
[1] /Auszeichnung-fuer-Herbert-Fritsch/!5404013
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## AUTOREN
Joachim Lange
## TAGS
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