| # taz.de -- Autorin übers Dichten auf Englisch: „Irland ist eine Seelenheima… | |
| > Wenn die Mutter- nicht die poetische Sprache ist: Karin Molde ist | |
| > eigentlich Lehrerin. Heute stellt sie ihr erstes Gedichtbuch in Bremen | |
| > vor. | |
| Bild: Rauhe Schönheit: Schafe im irischen Winter | |
| taz: Frau Molde, können Sie sich noch an ihren ersten [1][Irlandbesuch] | |
| erinnern? | |
| Karin Molde: Ja, der ist prägend gewesen. Ich war 19 und bin durch das Land | |
| getrampt, wie es so viele machten: 1986 war das. Ich musste mich dann | |
| verabschieden. Ich stand auf dem [2][Schiff] und, das klingt total | |
| pathetisch, sah die Insel Irland im Dunst verschwinden – und hatte schon | |
| fürchterliches Heimweh. Ich habe mir geschworen: Wenn ich das nächste Mal | |
| hinfahre, bleibe ich länger. | |
| Wie bald haben Sie das geschafft? | |
| 1990/91 für ein Jahr, im Rahmen meines Anglistikstudiums und eines | |
| Erasmus-Austausches. Da war ich an der University of Ulster in Coleraine, | |
| [3][Nordirland]. Das war spannend, weil es ja noch die Zeit der „Troubles“ | |
| war … | |
| … die englische Bezeichnung des Nordirlandkonflikts. | |
| Für das zweite Semester bin ich an die University of Galway umgezogen. Das | |
| Auslandsjahr hatte zur Folge, dass ich mich im Westen Irlands sehr | |
| verwurzelt habe und seitdem auch fast wie in einem Spagat lebe. Irland ist | |
| mehr eine Seelenheimat. Richtig lange dort leben, etwa ein halbes Jahr dort | |
| und ein halbes Jahr hier, das geht leider nicht – ich bin ja Lehrerin und | |
| beruflich gebunden. | |
| Können Sie benennen, was es war, das da so sehr Ihr Herz eingenommen hat? | |
| Man verliebt sich in das Land, man begegnet Menschen, man verliebt sich in | |
| einen Menschen. Außerdem liebe ich wilde Landschaften, die gibt es in | |
| Irland noch. Diese Wildheit der Steilküste und des Atlantiks, karges, | |
| steiniges Land und die Weite der Moore, da fühle ich mich zu Hause. | |
| Und die Menschen? | |
| Ohne dass es stereotyp werden soll: Die Menschen in Irland, deren Wesensart | |
| ist eine tolle Mischung, die ich als junger Mensch nicht kannte. Auf der | |
| einen Seite [4][Zurückhaltung, was das Private angeht]. Auf der anderen | |
| Seite sind sie sehr aufgeschlossen, lebendig, erzählen gerne – und sie sind | |
| poetisch. Man kann in einer Kneipe an der Theke über ein Gedicht ins | |
| Gespräch kommen. Das ist mir in Deutschland nie passiert. | |
| Sie schreiben seit 2016 Gedichte auf Englisch. Warum Gedichte – und warum | |
| auf Englisch? | |
| Bei der Lyrik geht es darum, eine bildliche Sprache zu finden und damit zu | |
| versuchen, Teile des Lebens oder des eigenen Selbst zu verstehen. Das ist | |
| eine Chiffrierung nicht nur für den Leser, sondern auch für mich als | |
| Autorin. Da entstehen Bilder und Erlebnisse, die etwas aufschließen können, | |
| was bisher nicht bewusst war. Durch die Lyrik kommt es zur Verdichtung und | |
| zur Verfremdung, und es ist durch die Wahl der englischen Sprache eine | |
| zweifache Verfremdung. Die ist aber keine Kopfgeburt: Das Englische liegt | |
| mir sehr nahe am Herzen. Es gibt Situationen im Alltag, in denen ich ins | |
| Englisch falle …, wenn es sehr emotional wird. Englisch ist meine poetische | |
| Sprache. | |
| Was ist das für ein Buch, das Sie nun auch in Deutschland vorstellen? | |
| Es ist ein kleiner Gedichtband, meine erste eigene Veröffentlichung, | |
| [5][herausgegeben von Moonstone Press, Philadelphia/USA]. Darin geht es | |
| thematisch um Herkunft und Identität. Somit gibt es auch diese Brücke | |
| zwischen Deutschland, Norddeutschland und Irland. | |
| Sie haben vorher [6][in Anthologien] und Magazinen veröffentlicht. | |
| Versammelt das Buch jüngere Texte oder ist es ein Zug durchs gesamte | |
| Schaffen? | |
| Es ist das erste Gedicht enthalten, das ich je in einer Zeitschrift | |
| veröffentlicht habe. Etwa ein Drittel der Texte sind schon woanders | |
| erschienen. Dieser Band ist aber nur ein Ausschnitt aus meiner Arbeit, und | |
| das Gedicht, das ihn beschließt, soll einen Ausblick geben: Die Reise geht | |
| ins südliche Afrika und nach [7][Tansania]. | |
| 11 Nov 2023 | |
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| [5] https://moonstone-arts-center.square.site/product/molde-karin-self-portrait… | |
| [6] https://moonstone-arts-center.square.site/product/remembering-toni-morrison… | |
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| ## AUTOREN | |
| Alexander Diehl | |
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