# taz.de -- Antisemitismus und die Hamas: Zeit der Ansagen | |
> Linke und Grüne haben muslimische, palästinensische Communitys lange | |
> bevormundet. Jetzt ist Zeit für harte, herzliche Worte. | |
Bild: Pro-Palästina-Demo „Decolonize All“ auf dem Oranienplatz in Berlin, … | |
Selbstverständlich ist es rechtsstaatswidrig, Demonstrationen mit | |
palästinabejahendem Inhalt zu verbieten. Sollen sie sich äußern, all die | |
arabischen Einwanderer, Bürger und Bürgerinnen und Flüchtlinge, dass der | |
deutsche Blick auf Israel ein unvollständiger ist, sofern die | |
palästinensische Perspektive nicht beachtet wird. Klar, Hamas-Feiern müssen | |
verboten bleiben, unser Demonstrationsrecht umfasst alle Anliegen, | |
[1][prinzipiell auch solche, die man selbst falsch findet], aber eben nicht | |
die Feier von Terrorismus oder seine Stilisierung zum Freiheitskampf. Wenn | |
also auf [2][der Berliner Sonnenallee, Epizentrum arabischen Lebens] in | |
Deutschland seit 2014, Demos stattfinden, die anderen missbehagen, muss das | |
ausgehalten werden: Demokratie ist schließlich keine | |
Schneeflockenversammlung. | |
Ebenso rechtsstaatswidrig sind alle [3][Allüren aus dem konservativen | |
Spektrum, die Tauglichkeit für die deutsche Staatsangehörigkeit an ein | |
Bekenntnis zu Israel] und zum Kampf gegen Antisemitismus zu knüpfen. Davon | |
abgesehen, dass diese Art von Gesinnungs-TÜV von allen | |
Einbürgerungswilligen verlangt werden müsste, am besten auch gleich von | |
allen traditionell Deutschen, wäre eine solche Prüfung antiliberal: Als ob | |
die meisten der aus arabischen Ländern zu uns Geflüchteten nicht vor den | |
gleichen Kräften flohen, wie Israel sie jetzt zu bekämpfen hat. | |
Aber: Dass das in der Tat ethisch mit gutem Herzenskompass versehene | |
Publikum palästinensische Demos [4][wünscht, die sich solidarisch mit | |
Israel erklären], dass sie sich in den abgeschlachteten Opfern der | |
Hamas-Metzger wiedererkennen, weil es sie als Nächstes treffen könnte, käme | |
diese islamistische Seilschaft auch hierzulande stärker zu Macht und | |
Einfluss, ist selbstverständlich. Doch so sind die Dinge eben nicht, die | |
stille Mehrheit, hofft man, schweigt noch. Und das hat [5][mit einer | |
linken, multikulturell orientierten Politik zu tun], die die Probleme, die | |
mit aus arabischen (vor allem palästinensischen) Gebieten Eingewanderten | |
sich ergeben, notorisch ignoriert und bagatellisiert. | |
Zum Problem einer ernsthaften Einwanderungs- und Integrationspolitik | |
gehört, hier nur ein paar Facetten, dass Bürgerrechtlerinnen wie Necla | |
Kelek und Seyran Ateş, dass eine in puncto Krieg-gegen-die-Ukraine zwar | |
obszön herzlose, aber in Sachen Islamismus seit der Machtübernahme der | |
Mullahs in Iran 1979 hellwache und klare Alice Schwarzer, dass ein aus | |
einer arabisch-israelischen Familie stammender Ahmad Mansour oder dass ein | |
Islamwissenschaftler wie Ralph Ghadban in unseren Kreisen als „rechts“ | |
abgetan wurden und werden. Dass sie, diese öffentlichen Stimmen, in der Tat | |
im linken Spektrum, auch mit Hilfe der taz, Anlass zu | |
Cancel-Culture-Impulsen geben, aber nicht zu Interesse und Neugier. Sie | |
alle sind in der Vergangenheit faktisch dämonisiert worden: Was sie zu | |
sagen haben, nütze nur den Rechten, so das chronische Abwiegelungsargument. | |
## Menschenrechte statt „Kultur“ | |
Sie alle, mehr oder weniger großen Unterschieden zum Trotz, eint, dass sie | |
auf die muslimisch prägenden Lebensverhältnisse bei uns in Deutschland | |
einen kühlen, in der Regel präzisen Blick werfen – und keine Scheu haben, | |
da, wo „Kultur“ draufsteht, Menschenrechtsverletzungen wahrzunehmen. | |
Anlässe für Kuscheligkeit stiften sie nicht, gut so. Gewalt in den | |
Familien, fehlende Orientierung auf Bildungsaufstiege und bürgerliche | |
Lebensverhältnisse, Appeasement antisemitischen Artikulationen in Moscheen | |
gegenüber – um nur die gröbsten Felder zu benennen. | |
Stattdessen, so die linke und grüne Dauerübung: Alles ist rassistisch, | |
rechtspopulistisch und antiislamisch. Das kommt einem Zerrbild gleich, | |
selbst wenn man die rechtsradikalen Morde des NSU-Komplexes, die | |
mörderischen Brandschatzungen in Solingen, Mölln und anderswo in Rechnung | |
stellt. | |
„Nie wieder ist jetzt“ – und das bedeutet auch im Hinblick auf das Sprech… | |
mit und zu den muslimischen (besonders: palästinaaffinen) Communitys: Es | |
ist keine Zeit für Paternalisierungen. [6][Sondern für Ansagen], harte und | |
herzlich gesinnte Klarstellungen. Und die gehen so: [7][Juden und Jüdinnen | |
inklusive ihres aktuell verwundeten Safe Spaces namens Israel liegen uns am | |
Herzen], euch auch. Palästina wie in eurer Phantasie ist nicht mehr. „From | |
the river to the sea …“: vergesst es. Kennen lang eingeborene Deutsche | |
alles längst, die glühenden Konflikte hierzu liegen drei Jahrzehnte zurück: | |
Schlesien ist weg, und Ostpreußen auch. Ihr könnt Rückkehr nach Palästina | |
wünschen, aber lasst es lieber. | |
## Werdet lieber politisch ernstzunehmen! | |
Was viele von euch wollen, wäre ohne einen Holocaust 2.0 nicht zu haben, es | |
käme einem Massaker in ganz Israel im Stil der Hamas gleich. Mithin: Hier | |
ist jetzt eure Heimat, das muss es ja sein, sonst wäret ihr ja nicht | |
gekommen, also macht was draus. Deutschland ist auch der Platz des Islam, | |
aber nicht des Islamismus. Euer Glaube ist einer unter vielen, ja, einer, | |
der sich allen gesellschaftlichen Platz mit Gottlosen zu teilen hat, | |
friedlich. | |
Werdet lieber politisch ernstzunehmen. Und das könnte heißen: Für eure | |
Leute in Gebieten wie Neukölln eine entschieden besser ausgestattete | |
Bildungspolitik zu fordern, mehr Wohnungsbau für bessere | |
Lebensverhältnisse. Und zeigt euch von eurer besten Seite, nämlich, indem | |
ihr euch entschieden fernhaltet von jeder Solidarität mit der Hamas. Und | |
lasst euch nichts einreden von [8][gewissen akademischen Kreisen], die euch | |
[9][in den postkolonial-pädagogischen Zwinggriff] nehmen, solche wie die, | |
die neulich vor dem Auswärtigen Amt „Free Palestine … from German guilt“ | |
skandierten. [10][Das nämlich atmete verdammt die gleiche Luft, wie sie | |
Rechtsradikale in ihre Lungen pressen], die vom deutschen „Schuldkult“ oder | |
einem „Vogelschiss“ namens Nationalsozialismus sprechen. | |
Darüber soll nicht geredet werden, weil es Rechten nütze? Nein. Das | |
Schweigen über die echten Probleme unserer (meist arabischen, manchmal noch | |
türkischen) Neubürgerinnen*, das Hinnehmen von Erregungszuständen, die | |
faktisch und unverhüllt der Freude über den Hamas-Terror gleichkommen, | |
nützt den Rechten, dies vor allem. | |
2 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Nach-Randale-auf-Pro-Palaestina-Demos/!5963941 | |
[2] /Nahost-Konflikt-in-Berlin/!5963319 | |
[3] /CDU-Vorschlag-zu-Demokratiefoerdergesetz/!5966750 | |
[4] /Nach-dem-Massaker-in-Israel/!5963661 | |
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[6] /Antisemitismus-nach-dem-Hamas-Terror/!5966829 | |
[7] /Juedisches-Leben-in-Deutschland/!5966881 | |
[8] /Leon-Kahane-ueber-die-Kunstszene/!5966637 | |
[9] /Linker-Antisemitismus/!5966630 | |
[10] /Israels-Botschafter-ueber-Antisemitismus/!5037129 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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