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# taz.de -- 100 Jahre türkische Republik: Gaza-Solidarität als Innenpolitik
> Vor dem hundertjährigen Jubiläum der Türkischen Republik ruft Erdoğan
> einen Palästina-Tag aus. Es ist ein weiterer Schritt weg vom säkularen
> Staat.
Bild: Ankara, Mai 2023: Fahne mit dem Konterfei des türkischen Staatsgründers…
Am Sonntag, dem 29. Oktober 2023, wird die Türkische Republik hundert Jahre
alt. Das Ereignis hätte ein großes Fest werden sollen, doch die Stimmung
ist gedämpft. Das hängt einmal damit zusammen, dass [1][der Krieg im
Gaza-Streifen] derzeit in der Türkei alles überschattet.
Der zweite Grund ist ein interner. Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine
AKP haben ein sehr ambivalentes Verhältnis zur Republik. Einerseits wollen
sie den Nationalstolz befeuern, anderseits herrscht offiziell unter Erdoğan
eine Mischung aus Islamismus und Nationalismus, die mit dem säkularen
Nationalismus der Republikgründer um [2][Mustafa Kemal Atatürk] nicht
kompatibel ist.
Erdoğan will den Säkularismus Atatürks abschaffen und am liebsten den Islam
wieder als Staatsreligion in der Verfassung verankern. Da die Mehrheit der
TürkInnen aber am Republikfeiertag vor allem der Republik Atatürks gedenkt,
stehen Erdoğan und seine Anhänger den Feierlichkeiten eher abweisend
gegenüber.
Doch Erdoğan zeigt in diesen Tagen wieder einmal, warum er sich seit mehr
als 20 Jahren an der Macht gehalten hat und dabei ist, dem Land seinen
Stempel aufzudrücken, wie es vor ihm eben nur Mustafa Kemal Atatürk
gelungen war.
## Großer Palästina-Tag
Er lässt am heutigen Samstag einen großen Palästina-Tag veranstalten, den
die islamistische Hüdar Par Partei, die über Erdoğans AKP-Liste ins
Parlament gekommen ist, auf dem früheren Flughafen Istanbuls mit Erdoğan
als Hauptredner ausrichtet. Da der ganz überwiegende Teil der türkischen
Bevölkerung die massiven Vergeltungsschläge Israels im Gazastreifen
verurteilt, richtet er mit dem Palästina-Tag ein Massenevent aus, das
geeignet ist, die eigentlichen Feiern zum hundertjährigen Bestehen völlig
in den Schatten zu stellen. Statt Gedenken an Atatürk also [3][Solidarität
mit den Palästinensern].
Ideologisch führt das dazu, dass die Türkei sich, statt zu einem säkularen
demokratischen Staat zu werden, wie es Atatürk vorschwebte, immer weiter
vom Westen wegbewegt. Wie einseitig die Erdoğan-Regierung mittlerweile die
Islamisten im Gazastreifen unterstützt, musste zuletzt auch
Wirtschaftsminister Habeck feststellen, der am Donnerstag und Freitag die
Türkei besuchte. „Beim Thema Nahostkrieg waren wir völlig gegensätzlicher
Meinung“, sagte er nach einem Gespräch mit dem neuen Vizepräsidenten Cevdet
Yılmaz.
So nutzt Erdoğan den Krieg in Gaza geschickt, um sein innenpolitisches
Projekt voranzutreiben. Wären da nicht die Massen, die am Sonntag auf allen
Plätzen des Landes Atatürk feiern werden. Sie widersetzen sich hartnäckig
der [4][Islamisierung der Türkei], auch nach 20 Jahren Erdoğan. Zum
hundertsten Jahrestag der Republik ist die Türkei ein gespaltenes Land.
29 Oct 2023
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Nahost-Konflikt/!t5007999
[2] /Mythos-Atatuerk-in-der-Tuerkei/!5173722
[3] /Gedankenkarussell-zum-Nahost-Krieg/!5968661
[4] /Erdoans-Re-Islamisierung-der-Tuerkei/!5379874
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
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Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
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