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# taz.de -- Diplomatie in Nahost: Einen Flächenbrand verhindern
> Die EU ringt um eine Haltung zum Krieg in Israel. US-Außenminister
> Blinken bringt Verhandlungen in der Region voran.
Bild: „Produktive Gespräche“: US-Außenminister Antony Blinken am Sonntag …
Brüssel/Berlin taz | Mindestens 120 Menschen sind seit mehr als einer Woche
[1][in Geiselhaft der Terrorgruppe Hamas], eine Bodenoffensive des
israelischen Militärs im Gazastreifen naht, und trotz
Evakuierungsaufforderungen seitens Israels droht eine humanitäre
Katastrophe im Norden Gazas: Verhandlungen auf höchster diplomatischer
Ebene laufen derzeit auf Hochtouren, um ein Überschwappen des Kriegs in
Israel auf die Nachbarstaaten abzuwenden.
US-Außenminister Antony Blinken ist seit Donnerstag unterwegs in der
Region; zunächst in Israel, um die Solidarität und Unterstützung der
Vereinigten Staaten zu bekräftigen, dann zu Vermittlungsversuchen zunächst
in Jordanien, Katar, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Zentral dürfte Blinkens Treffen mit dem saudi-arabischen Kronprinzen
Mohammed bin Salman in Riad an diesem Sonntag gewesen sein. Die Gespräche
fanden hinter verschlossenen Türen statt, waren laut Blinken aber „sehr
produktiv“. Sowohl die USA als auch Saudi-Arabien wollen einen Flächenbrand
in der Region verhindern.
Kronprinz Mohammed verurteilte zugleich die Angriffe auf Zivilisten und
betonte, die Palästinenser müssten „ihre legitimen Rechte erhalten und
einen gerechten und dauerhaften Frieden erreichen“. Kurz nach Ausbruch des
Krieges hatte Saudi-Arabien Gespräche über eine diplomatische Annäherung
mit Israel gestoppt. Die USA waren damals als Vermittler aufgetreten.
Blinkens nächste Station wird Ägypten. Die USA setzen sich für einen Deal
mit Ägypten zu den Geflüchteten aus dem Norden Gazas ein. Am Montag soll es
zurück nach Israel gehen.
## EU-Sondergipfel am Dienstag
Während die Weltgemeinschaft im Wettlauf gegen die Zeit alle mögliche
diplomatischen Kanäle anzapft, haben die 27 EU-Staaten eine Woche nach dem
Angriff [2][der Hamas] auf Israel immer noch keine gemeinsame Linie
gefunden. Nach heftigem Streit hat EU-Ratspräsident Charles Michel nun
einen EU-Sondergipfel einberufen, der am Dienstag stattfinden soll.
Auslöser des Streits war ein Besuch von Kommissionspräsidentin Ursula von
der Leyen in Israel. Sie hatte dort – ähnlich wie die Bundesregierung –
ihre uneingeschränkte Solidarität bekundet. „Israel hat das Recht und die
Pflicht, auf Hamas’ Kriegsakt zu antworten“, sagte sie und fügte hinzu.
„Europa steht an der Seite Israels.“
Von der Leyen sagte jedoch nichts zur katastrophalen humanitären Lage im
Gazastreifen und zur geplanten israelischen Militäroffensive. Daraufhin
hagelte es Kritik aus mehreren EU-Ländern: Spanien, Frankreich und Irland
mahnten eine ausgewogenere Position an, EU-Diplomaten warfen ihr einen
Alleingang vor.
Für die Außenpolitik ist in Brüssel der Rat – also die Vertretung der
EU-Länder – und der Außenbeauftragte Josep Borrell zuständig. Borrell hatte
die Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch Israel angemahnt.
Ratspräsident Michel hatte zunächst geschwiegen, will nun aber von der
Leyen in die Schranken weisen. Der belgische Politiker liegt seit langem im
Clinch mit der Kommissionschefin. Seit einer gemeinsamen Türkei-Reise, die
mit einem Eklat endete, ringen beide um die Deutungshoheit in der
Außenpolitik. Mit ihrer offenbar unabgesprochenen Reise nach Israel könnte
von der Leyen nun zu weit gegangen sein.
## Luftwaffe hilft mit
Aber: Auch Michel und Borrell haben die Nahostpolitik, die früher ein
Schwerpunkt der europäischen Diplomatie war, vernachlässigt. Heute hat die
EU in der Region kaum noch Einfluss. Auch eine neue diplomatische
Initiative zeichnet sich nicht ab. Sie dürfte ohnehin zu spät kommen. Wenn
überhaupt, dann könnten nur die USA noch mäßigend auf Israel einwirken und
die Gegner Israels von neuen Attacken abschrecken, heißt es in Brüssel.
Rund 100.000 deutsche beziehungsweise Doppelstaatler:innen befinden
sich in Israel.
Unter den Geiseln der Hamas werden acht Personen mit deutscher
Staatsangehörigkeit vermutet. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) war
am Freitag nach Israel gereist, um die Unterstützung Deutschlands zu
unterstreichen. Aber auch um mit Angehörigen, unter anderem der
verschleppten Künstlerin Shani Louk, zu sprechen. Im Anschluss reiste
Baerbock ebenfalls nach Ägypten, um Vermittlungen voranzubringen. Auch die
Frage nach einem humanitären Korridor für Menschen aus dem Norden des
Gazastreifens war Teil der Gespräche.
Damit deutsche Staatsbürger:innen aus Israel ausreisen können, ist nun
auch die Luftwaffe der Bundeswehr im Einsatz. Bis Sonntag haben drei
Flugzeuge die Deutschen wieder zurückgebracht. Bereits am Donnerstag und
Freitag waren Sonderflüge der Lufthansa auf Bitten des Auswärtigen Amtes
gestartet. Das Auswärtige Amt sprach zudem eine Reisewarnung für Israel,
die palästinensischen Gebiete sowie den Libanon aus.
15 Oct 2023
## LINKS
[1] /Entfuehrte-Israelis-in-Gaza/!5966308
[2] /Angriff-auf-Israel/!5963299
## AUTOREN
Tanja Tricarico
Eric Bonse
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