# taz.de -- Vorgeschichte des Angriffs auf Israel: Wie Gaza zu Gaza wurde | |
> Der Küstenstreifen und Israel haben eine wechselvolle Geschichte. Von | |
> weitgehend friedlichem Grenzverkehr in den Achtzigern zu Terror und | |
> Blockade. | |
Bild: Zeit der Besatzung: Israelische Soldaten durchsuchen palästinensiche Jug… | |
Ein Autounfall, bei dem vier Palästinenser zu Tode kamen, gab im Dezember | |
1987 den Anstoß zur [1][Ersten Intifada]. Der Ort des Unglücks war nicht | |
weit vom Grenzübergang Erez entfernt. Irgendwann baute das israelische | |
Militär dort eine Schranke auf, mehr nicht. SoldatInnen prüften Papiere. | |
Wer über die entsprechende Genehmigung verfügte, konnte sogar mit dem Auto | |
ein- und ausreisen. Zigtausende palästinensische Männer fuhren täglich zur | |
Arbeit nach Israel, in die naheliegenden Kibbuzim, nach Sderot, Aschkelon | |
und Tel Aviv. | |
Viele Palästinenser fanden Arbeit in den Siedlungen, bauten Häuser, | |
pflanzten und ernteten Gemüse. Umgekehrt kamen Israelis zum Einkaufen. Die | |
überwiegend friedliche Koexistenz funktionierte, auch wenn der Unmut der | |
PalästinenserInnen über die Besatzung groß war. Die Intifada belastete zwar | |
das Zusammenleben der beiden Völker im Gazastreifen, doch der Widerstand | |
der Steinewerfer zielte in erster Linie auf das israelische Militär. | |
Die [2][Osloer Prinzipienerklärung], die Israel und die Palästinensische | |
Befreiungsorganisation (PLO) im September 1993 unterzeichneten, trieb die | |
Abkopplung Israels vom Gazastreifen entscheidend voran. Gaza sollte | |
unabhängiger werden. Sogar der Bau eines Flughafens war vorgesehen. Im | |
Dezember 1998 kam es schließlich im Beisein des damaligen US-Präsidenten | |
Bill Clinton zur feierlichen Eröffnung des Gaza International Airport. | |
Schon im November war von dort aus eine erste Maschine gestartet. Viel mehr | |
sollten es nicht werden. | |
Entlang der israelischen Grenze begann der Bau von Trennanlagen, die über | |
die Jahre immer massiver wurden. Palästinensische Arbeiter verbringen, wenn | |
sie überhaupt noch einreisen dürfen, Stunden: an den Kontrollen auf | |
palästinensischer Seite, dann in dem rund einen Kilometer langen Weg durch | |
eine Art Betonschlauch und schließlich auf israelischer Seite an den | |
Sicherheitsanlagen und -prozeduren. Terroristen fernzuhalten war die | |
Hoffnung in Israel. Das führte dazu, dass sich der Terror, der mit Beginn | |
der Zweiten Intifada im Herbst 2000 massiv zunahm, verstärkt gegen die | |
SiedlerInnen im Gazastreifen richtete. | |
## Ein hoher Blutzoll für die Siedlungen | |
Der hohe Blutzoll unter den Sicherheitskräften, die die Siedlungen bewachen | |
mussten, war schließlich zentraler Grund für den früheren | |
Ministerpräsidenten Ariel Scharon, die Siedlungen im August 2005 aufzulösen | |
und die Besatzung in Gaza zu beenden. Trotz vehementer Proteste der eigenen | |
nationalreligiösen Landsleute. | |
Wohnhäuser wurden von der Armee zerstört, Gewächshäuser ließ man stehen, | |
nachdem Privatleute aus den USA rund 15 Millionen Dollar Spenden gesammelt | |
hatten, um sie Israel abzukaufen. James Wolfensohn, damals Weltbank-Chef, | |
gab eine halbe Million aus eigener Tasche dazu, damit den PalästinenerInnen | |
diese Wirtschaftsquelle erhalten bliebe. Innerhalb von Tagen waren die | |
Gewächshäuser allerdings von Plünderern so zugerichtet worden, dass sich | |
niemand die Mühe machte, sie wiederaufzubauen. | |
Kaum sechs Monate nach dem Abzug der Israelis bescherten die | |
PalästinenserInnen der Hamas den Wahlsieg. Die Fatah im Westjordanland | |
ignorierte das Ergebnis, für den Gazastreifen war es fatal. Israel und | |
Hamas boykottieren einander, was vor allem den Grenzverkehr enorm | |
erschwert. Die Einnahmen aus Arbeit in Israel blieben über viele Jahre | |
nahezu komplett aus. Israel unterband infolge von Terror den Export | |
palästinensischer Güter. | |
Dazu kam, dass die Hamas den Menschen in Gaza hohe Steuern abverlangt. Die | |
als hermetisch geltenden Trennanlagen führten die Hamas erneut zur | |
veränderten Strategie. Weil Terroristen nicht mehr nach Israel kamen und | |
die SiedlerInnen abgezogen waren, konzentrierte man sich fortan auf | |
Raketen- und Tunnelbau. Die Kibbuzim und die Ortschaften im Umfeld vom | |
Gazastreifen wurden zur neuen Front. | |
Jede militärische Konfrontation verschärfte das Elend. Seit Jahren | |
funktionieren die Kläranlagen nicht, das Abwasser aus hunderttausenden | |
Haushalten fließt ungefiltert ins Mittelmeer. Strom gibt es nur sporadisch, | |
Treibstoff, Medikamente und Nahrungsmittel müssen aus Israel eingekauft | |
werden. Infolge der Hamas-Angriffe hat Israel die Lieferungen eingestellt, | |
[3][von denen 2,3 Millionen Menschen abhängen]. | |
14 Oct 2023 | |
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[1] /Im-zweiten-Jahr-der-Intifada/!1808233/ | |
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## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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