# taz.de -- Parlamentswahl in der Slowakei: Gewinnt ein linker Orbán? | |
> In den Umfragen führt die Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten | |
> Robert Fico. Seine Kampagne knüpft an prorussische Desinformation an. | |
Bild: Macht sich schick für das Comeback: Robert Fico trat 2018 als Ministerpr… | |
Prag taz | Vor mehr als fünf Jahren brachte der brutale Doppelmord am | |
Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová in der | |
Slowakei mafiöse, gewaltbereite Strukturen innerhalb des Staats ans Licht, | |
die bis in Justiz und ins Regierungsamt reichten. Damals gingen | |
Zehntausende „für eine anständige Slowakei“ auf die Straße. Das bereitete | |
der sechsjährigen Regierungszeit von Ministerpräsident Robert Fico | |
innerhalb von vierzehn Tagen ein eher abruptes Ende. | |
Die Morde an Kuciak und Kušnírová standen im Frühjahr 2018 für das | |
Scheitern Ficos als Politiker und Mensch: Unter seiner Herrschaft | |
entstanden die Bedingungen dafür. | |
[1][Ficos Abgang als Ministerpräsident] und im Jahr darauf die Wahl der | |
Bürgerrechtsaktivistin Zuzana Čaputová zur Präsidentin schien die Forderung | |
nach einer anständigen Slowakei zu erfüllen. Allerdings folgte auf Ficos | |
Regierung nur noch Chaos. Vor allem unter dem [2][konservativen | |
Ministerpräsidenten Igor Matovič], das an diesem Samstag einen neuen | |
Höhepunkt erreichen könnte: Bei vorgezogenen Wahlen bestimmt die Slowakei | |
ein neues Parlament. | |
Übrig [3][vom Traum einer neuen Slowakei ist nur noch Präsidentin | |
Čaputová]. Die hat allerdings angekündigt, im Interesse ihrer | |
Lebensqualität nicht erneut kandidieren zu wollen, wenn ihre Amtszeit im | |
kommenden Jahr ausläuft. Doch da ist noch etwas aus den fast revolutionären | |
Tagen im März 2018, an das sich dieser Tage viele Slowakinnen und Slowaken | |
mehr oder weniger gerne erinnern: das Grinsen Robert Ficos bei seinem | |
Rücktritt, begleitet von den Worten: „Ich gehe ja nicht weg“. | |
## Wahlumfragen in der Slowakei | |
Heute, fünf Jahre später, gilt Fico als Favorit der Wahlen. Mit seiner | |
populistisch-sozialdemokratischen Partei Smer führt er die Wahlumfragen an. | |
Demnach würde die Smer mit etwa 19 Prozent den höchsten Stimmanteil | |
einfahren. | |
Dicht auf den Fersen ist die relativ neue Partei „Progressive Slowakei“ | |
(PS). Ihr gehörte früher [4][auch Zuzana Čaputová an, bis sie Präsidentin | |
wurde]. Die PS liegt in Umfragen bei mehr als 16,5 Prozent. In manchen holt | |
sie den höchsten Stimmanteil. Ihr Vorsitzender und Mitbegründer Michal | |
Šimečka ist noch keine 40 Jahre alt, studierte in Oxford und wurde 2019, | |
frisch gewählt, einer der stellvertretenden Vorsitzenden des | |
Europaparlaments. | |
Auf dem dritten in den Umfragen rangiert derweil die Hlas (Stimme), die der | |
ehemalige Fico-Günstling Peter Pellegrini 2020 gegründet hat. Sie ist der | |
Smer immer noch nahe, aber etwas liberaler. | |
An vierter Stelle im Rennen um die 150 Sitze im Nationalrat der | |
Slowakischen Republik steht zurzeit die OľaNO, die Partei von Igor Matovič, | |
die die letzten regulären Wahlen 2021 für sich entscheiden konnte. Dessen | |
[5][chaotischer Führungsstil] und seine Konflikte mit Koalitionspartnern, | |
führten dazu, dass in der Slowakei eine [6][Interimsregierung und eine | |
Neuwahl] nötig wurden. Trotzdem bekommt Matovič in Umfragen immer noch | |
knapp zehn Prozent der Stimmen. | |
Zwei weitere Ein-Mann-Parteien aus der unglücklichen Regierungskoalition | |
von 2021 könnten es auch dieses Mal über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen: | |
die SaS (Freiheit und Solidarität) des Wirtschaftsliberalen Richard Sulík | |
liegt bei 7,3 Prozent. Für die „Wir sind Familie“ des elffachen Vaters, | |
Milliardärs und ehemaligen Schwarzmarkthändlers Boris Kollar könnte es bei | |
einem derzeitigen Stimmanteil von 5,1 Prozent jedoch knapp werden. | |
## Showdown zwischen Fico und PS | |
Wahrscheinlich ist, dass es bei diesen Wahlen zu einem Showdown zwischen | |
Smer und der PS kommen wird. Wobei dann auch zwei Welten | |
aufeinandertreffen. Die PS präsentiert sich als progressiv, liberal und | |
proeuropäisch. Ihr größtes Wählerpotential hat sie bei jungen Menschen in | |
größeren Städten. | |
Für den Rest des Landes, unter wertkonservativen bis klerikalen Katholiken, | |
die bis heute den Charakter der Slowakei bestimmen, gilt sie als | |
Schreckgespenst. Forderungen nach gleichgeschlechtlicher oder | |
geschlechtlicher Selbstbestimmung, wie sie die PS vertritt, gelten in | |
weiten Teilen des Landes noch immer als inakzeptabel. | |
Robert Fico bedient hingegen mit seiner Wahlkampagne die prorussische | |
Desinformation, die die Slowakei in diesen Wahlen im Griff zu haben | |
scheint. Immer wieder erklärt er öffentlich, Russland müsse sich gegen eine | |
NATO-Erweiterung wehren. Er lehnt Hilfe für die Ukraine und ukrainische | |
Flüchtlinge ab. Viktor Orbán nennt er als Vorbild. Mit seinem Ritt auf der | |
Desinformationswelle spricht Fico rund 46 Prozent der Slowaken an, die | |
lieber an Verschwörungstheorien als an eine „anständige Slowakei“ glauben. | |
28 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Alexandra Mostyn | |
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