Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Erneuerbare Energien: Deutliche Zuwächse bei Photovoltaik
> Nie wurde mehr Photovoltaik installiert als in diesem Jahr, 700.000
> Anlagen waren es bisher. Allerdings stockt der Ausbau beim Windstrom
> weiterhin.
Bild: Solarpaneele auf einem Hopfenfeld in Bayern ergeben ein harmonisches Bild
Berlin taz | Der Plan ist mit 110 Prozent übererfüllt, und das schon nach
drei Quartalen: Nach den Daten der Bundesnetzagentur wurden von Januar bis
Ende September mehr als 700.000 neue Sonnenkraftwerke mit einer Leistung
von 9.900 Megawatt installiert. Die Pläne der Bundesregierung sahen bis
Jahresende ursprünglich 9.000 Megawatt vor. Damit ist schon jetzt auch der
bisherige Rekord übertroffen: 2012 wurden in Deutschland über 8.000
Megawatt neu aufgebaut, in diesem Jahr könnten es 12.000 werden.
Die Gründe für den neuen deutschen Sonnenrausch liegen auf der Hand: Anfang
des Jahres senkte die Bundesregierung die Mehrwertsteuer für
Solarkraftwerke auf null, weshalb die Anlagen auf einen Schlag 19 Prozent
billiger wurden. Zweitens ist der Strompreis in den letzten Jahren stark
gestiegen, weshalb selbst genutzter Solarstrom wirtschaftlich attraktiv
ist, und dank technologischer Lernkurve die Anlagen heute nur noch halb so
teuer sind wie vor 15 Jahren. Mit den sogenannten „Balkonkraftwerken“ gibt
es drittens ein Produkt, das einen neuen Nutzerstamm erschloss: Menschen,
die selbst kein Eigenheim besitzen, können solche Stecker-Solargeräte sehr
einfach nutzen. Vielerorts gibt es Förderung für den Kauf dieser
Kleinkraftwerke, das Land Sachsen zahlt beispielsweise pauschal 300 Euro
pro Anlage, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern fördern Mieter:innen mit
500 Euro.
Allerdings ist das neue Solartempo immer noch zu langsam. Beschlusslage der
Regierung ist, dass Deutschland im Jahr 2030 seinen Bruttostromverbrauch zu
mindestens 80 Prozent aus erneuerbaren Energien deckt. [1][Im ersten
Halbjahr 2023 waren es 57,7 Prozent]. Nach den Plänen des
Bundeswirtschaftsministeriums sollen deshalb ab 2026 jährlich 22.000
Megawatt neu zugebaut werden – also deutlich mehr als in diesem Jahr. Dafür
ist eine Infrastruktur notwendig, die es heute so noch nicht gibt: mehr
Lieferanten, mehr Händler, mehr Installateure und besser ausgestattete
Behörden, die den Zubau managen können. [2][Das Land Brandenburg hat
beispielsweise gerade eine Solar-Initiative gestartet], bis 2030 soll die
installierte Photovoltaikleistung im Land auf 18.000 Megawatt fast
verdreifacht werden. „Insbesondere Dachanlagen, Parkplatz-PV und sonstige
besondere Solaranlagen wie Agri- oder Floating-PV“ sollen gefördert werden,
heißt es aus dem Wirtschaftsministerium in Potsdam. Brandenburg zählt
weltweit zu den Regionen mit der höchsten Solarstromdichte, statistisch
sind pro Kopf 2,4 Kilowatt Sonnenkraft installiert. Schlusslicht unter den
Flächenländern ist Nordrhein-Westfalen mit 0,4 Kilowatt pro Kopf.
Allerdings leben in NRW siebenmal so viele Menschen wie in Brandenburg.
Während der Solarausbau Fahrt aufgenommen hat, hinkt die Windkraft
hinterher: Auch hier sollten in diesem Jahr Windräder mit einer Leistung
von 9.000 Megawatt neu ans Netz gehen, in den ersten neun Monaten wurden
gerade einmal halb so viele neu aufgestellt. Auch hier liegen die Gründe
auf der Hand. Der wichtigste: Das Investitionsverfahren funktioniert nicht.
## Windradausbau scheitert an Verfahren
In Deutschland kann ein Investor nicht einfach so einen Windpark bauen, er
muss sich dafür bewerben. Die Bundesnetzagentur schreibt einen Plan aus,
wie viel Windkraft in einem bestimmten Zeitraum aufgebaut werden soll.
Investoren bieten dann zu einem bestimmten Preis für die Kilowattstunde
Windstrom: Den Zuschlag bekommt, wer zu den günstigsten Kosten baut. Dieses
Verfahren ausgedacht hatten sich vor mehr als zehn Jahren der damalige
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und sein Kollege aus dem
Umweltressort, Norbert Röttgen (CDU). Bis dahin wurde der Ausbau der
Windkraft über die EEG-Umlage finanziert, die für alle Investoren gleich
war. Rösler und Röttgen argumentierten, mit den Ausschreibungen werde die
Energiewende billiger. Vor allem aber ist sie dadurch langsamer geworden.
Zwar gibt es mittlerweile Ausnahmen für kleine Projekte bis 15 Megawatt:
Diese können ohne Ausschreibung gebaut werden. „Ausschreibung immer noch
unterzeichnet“, teilte aber die Bundesnetzagentur im August mit.
Ursprünglich wollte die Behörde fast 3.200 Megawatt ausschreiben,
eingereicht wurden Gebote gerade einmal für 1.436 Megawatt. Um ein Angebot
abgeben zu können, müssen Investoren das Projekt so detailreich planen,
dass der Preis, zu dem sie bauen wollen, auch belastbar ist. Diese
Planungskosten gehen schnell in den sechsstelligen Eurobereich und sind
riskant. Denn ob der gebotene Preis tatsächlich erzielt werden kann, hängt
auch von Rahmenbedingungen ab, die Investoren nicht beeinflussen können.
So beklagt der Bundesverband Windenergie beispielsweise, [3][dass bei der
bundeseigenen Autobahn GmbH 15.000 Verfahren aufgelaufen sind]: Für den Bau
eines mittelgroßen Windrads sind etwa 15 Schwerlasttransporte notwendig,
etwa für die Flügel. Fehlt die Genehmigung, kann der bestellte
Installationskran nicht arbeiten. Der kostet etwa 15.000 Euro pro Tag,
Kosten, die in der eng getakteten Installationsbranche schnell anwachsen
und nicht kalkulierbar sind. Auch fehlt der Kran an anderer Stelle.
8 Oct 2023
## LINKS
[1] https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2023…
[2] https://mwae.brandenburg.de/sixcms/detail.php?id=1080228
[3] /Schwertransporte-fuer-Windradbau/!5949981
## AUTOREN
Nick Reimer
## TAGS
Erneuerbare Energien
Photovoltaik
Klima
Solarenergie
Schwerpunkt Atomkraft
Erneuerbare Energien
Strommarkt
Erneuerbare Energien
Solarenergie
Energiewende
Solarenergie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Photovoltaik in Berlin: Solarboom ohne Senat
Auf landeseigenen Gebäude tut sich nichts beim Solarausbau. Im vergangenen
Jahr wurden nur drei Solaranlagen in Betrieb genommen.
Report zu Kernenergie: Atomstrom weltweit auf dem Rückzug
Der Anteil von Kernenergie am globalen Strommix sank im vergangenen Jahr
auf 9,2 Prozent. Die Investitionen fließen derweil in andere
Energiequellen.
Ausbaupläne der EU: Turbo für die Windkraft
Die Europäische Union will die Windenergie ausbauen, die Kommission legt
einen Aktionsplan vor. Konkrete Maßnahmen stehen da aber kaum drin.
Viel Wind um EU-Windkraftpaket: Die auf Zubauzahlen starren
Leider etwas entrückt, was die EU in Sachen Windkraft da vor hat. Man
sollte ihre Rolle nicht überschätzen, sie kann nur bedingt Hemmnisse
beseitigen.
Ausbau der Windenergie: Erneuerbare Energien kommen voran
In Deutschland wurden bis September mehr Windräder gebaut als im gesamten
Vorjahr. Spitzenreiter beim Ausbau ist Schleswig-Holstein, Bayern schneidet
schlecht ab.
Krise der Photovoltaik-Produzenten: Solarstrom boomt, Hersteller leiden
Billige Photovoltaikmodule aus China drohen EU-Produkte zu verdrängen.
Zugleich werden in Deutschland so viele Solaranlagen wie noch nie
aufgestellt.
Solarpolitik in Deutschland: Deutschland muss autonomer werden
Eine eigene Solarindustrie würde Deutschland und Europa von autoritären
Staaten unabhängiger machen. Um das zu erreichen, braucht es Investitionen.
Solarstrom für Elektroautos: Neues Förderprogramm gestartet
Zu Hause eigenen Solarstrom tanken, das wird nun vom Bund gefördert. Kritik
kommt vom Verbraucherschutz. Denn: Ein erheblicher Eigenanteil ist zu
leisten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.