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# taz.de -- Ende Gelände gegen LNG auf Rügen: „Diese Insel kriegst du nie“
> Die Bundesregierung plant den Bau eines LNG-Terminals auf Rügen – und
> setzt die Energiewende aufs Spiel. Aktivist:innen haben den Hafen
> besetzt.
Bild: Ende Gelände unterstützt den Protest gegen das LNG Terminal auf Rügen
Rügen taz | [1][Klimaaktivist:innen von Ende Gelände] haben am
Samstag im Rahmen einer Demonstration gegen ein geplantes LNG-Terminal vor
Rügen das Hafengelände von Mukran besetzt. Etwa 200 Protestierende
schafften es auf einen Stapel von Pipeline-Rohren, die sie mit Slogans wie
„Fight LNG“ bemaltem. Dem vorausgegangen war ein [2][Durchbruch durch
Polizeiketten] am Rande einer Demonstration.
Der Protest richtet sich gegen den Plan der Bundesregierung, ab Anfang des
nächsten Jahres im Hafen von Mukran ein [3][schwimmendes LNG-Terminal] aus
zwei Regasifizierungsschiffen in Betrieb zu nehmen, betrieben vom
Gaskonzern Deutsche Regas. Das in flüssiger Form angelieferte Fracking-Gas
soll dort wieder in gasförmigen Zustand verwandelt und dann über eine 50
Kilometer lange Pipeline durch das hochsensible Ökosystem Greifswalder
Bodden nach Lubmin bei Greifswald transportiert werden. Insgesamt hat der
Bund an fünf Standorten acht schwimmende und drei feste LNG-Terminals
geplant – als Ersatz für russische Erdgaslieferungen.
Auf Rügen haben die im Januar bekannt gewordenen Pläne für Entsetzen
gesorgt; etwa wegen des damit verbundenen dauerhaften Lärms, der Licht- und
Umweltverschmutzung. Doch 1.200 Einwendungen gegen das Projekt, 60.000
Unterschriften einer Petition, unzählige Gespräche oder Demonstrationen
konnten dem Großprojekt bislang nichts anhaben. Inzwischen wird der erste
Teil der Pipeline gebaut, aufgrund des LNG-Beschleunigungsgesetzes ohne
Umweltprüfungen.
## Vereint in der Kritik
Gestartet war die Demonstration am Vormittag in Sassnitz im Nordosten der
Insel in der Nähe des Hafens Mukran. Auf dem Kundgebungsplatz, mit der
Ostsee im Rücken sprachen etwa ein Dutzend Engagierte von lokalen
Initiativen und Umweltverbänden. Radikale Kapitalismusgegner:innen
mit Schlauchschals vermischten sich mit Anwohner:innen, die davon
berichteten, wie durch die Arbeiten jetzt schon der Strand vibriere. Eine
Vertreterin des Gemeinderats fasste die Stimmung zusammen: „Nicht aufgeben,
bis das Ding nicht wirklich durch ist.“ Der anwesende Bürgermeister von
Sassnitz, Leon Kräusche, Befürworter des Projekts, traute sich trotz
Aufforderung nicht ans Mikrofon. Die Menge skandierte: „LNG – diese Insel
kriegst Du nie.“
Angeführt wurde der Demonstrationszug von Mitgliedern der Bürgerinitiative
Lebenswertes Rügen. Dem Block von etwa 200 Menschen folgte der Ende
Gelände-Block mit 400 Teilnehmer:innen in weißen Maleranzügen. Nach
über zweistündigem Fußmarsch brach der Block aus; die eine Hälfte
verschaffte sich Zugang zum Hafengelände. Ein weiterer Finger, der
ebenfalls Rohre besetzten wollte, die vor der Küste aufgestapelt waren,
wurde nach dem Überwinden eines Zaunes von der Polizei gestoppt. Die
Aktivist:innen konnten sich daraufhin wieder dem verbliebenen Demozug
anschließen.
Diejenigen, die es zu ihrem Ziel, einer letztlich symbolischen Blockade
geschafft hatten, machten es sich dagegen bequem, lagen auf und [4][in den
Röhren] oder gaben Interviews. Die Polizei schirmte den Bereich lediglich
ab. Nach mehr als drei Stunden ließ sie die Aktivist:innen ohne
Personalienfeststellungen abziehen.
Am Freitag hatte im Protestcamp auf dem Biohof Frankenthal, inmitten umher
laufender Hühner, die zentrale Pressekonferenz für die Proteste
stattgefunden, die den Schulterschluss zwischen Anwohner:innen,
linksradikalen Aktivist:innen, Umweltverbänden und Wissenschaft
symbolisierte: vereint in der Kritik, dass die LNG-Teminals fatal für Rügen
und seine Natur, aber auch für die deutsche Energiewende und die damit
verbundenen Klimaziele – Klimaneutralität bis 2045 – sind. Deutschland
brauche das Gas nicht, sondern würde Überkapazitäten aufbauen, die dann
wiederum exportiert würden, so die gemeinsame Überzeugung.
## Gasspeicher in Deutschland und Europa sind gefüllt
Christian von Hirschhausen, Professor für Infrastrukturpolitik der TU
Berlin stellte ein am selben Tag erschienenes [5][Gutachten des Deutschen
Instituts für Wirtschaftsforschung] (DIW) vor. Das Ergebnis: Mukran ist zur
Vermeidung einer Gasmangellage nicht notwendig. So seien die Gasspeicher in
Deutschland und Europa „schon jetzt vollständig gefüllt“ und wären allei…
in der Lage, den Gasbedarf in zwei sehr kalten Winter zu decken. Dass mit
den LNG-Terminals Überkapazitäten aufgebaut werden, die den Klimazielen der
Bundesregierung widersprechen, hatten zuvor schon mehrere Gutachten
festgestellt.
Zudem, so von Hirschhausen, gefährde das Projekt den „Lebensraum Ostsee und
behindert eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung“ der touristisch
geprägten Insel. Der immer wieder verbreiteten Erzählung, die Infrastruktur
könnte anschließend für Wasserstoff genutzt werden, erteilte er angesichts
der fehlenden Industrie auf Rügen eine klare Absage: Ergo: „Die
Bundesregierung sollte den Ausbau der LNG-Infrastuktur stoppen.“
Milena Pressentin von der Deutschen Umwelthilfe sprach von
[6][„irreversiblen Schäden“ für das Ökosystem]. „Das ist besonders
dramatisch, weil diese Zerstörung nicht notwendig ist.“ Die Umwelthilfe war
zuletzt mit einem Eilantrag gegen den ersten Teil des Pipelinebaus
gescheitert, strebt nun aber die Klage im Hauptverfahren an. Auch gegen
alle weiteren Stufen des Ausbaus würden Klagen geprüft.
## Fehlende Solidarisierung durch grünes Milieu
Ende Gelände-Sprecherin Charly Dietz sprach von einer Fortsetzung der
„Geschichte neokolonialer Ausbeutung“ – jedes Terminal hier erfordere ein
Exportterminal anderswo; die Fracking-Leidtragenen durch Bodenzerstörung
und Wasserverschmutzung seien überwiegend Einheimische. Notwendig sei ein
„radikaler Systemwechsel.“
Stefanie Dobelstein von der Bürgerinitiative Lebenswertes Rügen freute sich
über die Unterstützung der Klimaaktivist:innen, denn auf der Insel sei
trotz der großen Ablehnung auch schon Resignation zu spüren. Man habe alle
„demokratischen Möglichkeiten genutzt“, aber man werde, gerade auch von
Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck (Grüne), nicht gehört.
Die „fehlende Solidarisierung des Grünen-Milieus“ sei auffällig und ein
zentrales Problem für die Erfolgsaussichten des Protests, so Johannes
Hecht, Protestteilnehmer aus Vorpommern. „Wenn ein FDP-Minister diese
Projekte vorantrieben würde, würde er damit nicht durchkommen.“
23 Sep 2023
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Ende-Gelaende/!t5221778
[2] https://twitter.com/retep_kire/status/1705562420830167410
[3] /LNG-Terminal-auf-Ruegen/!5960294
[4] https://twitter.com/retep_kire/status/1705574833839386748
[5] https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.881326.de/diwkompakt…
[6] /Umweltfolgen-der-LNG-Terminals/!5950073
## AUTOREN
Erik Peter
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