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# taz.de -- Bundeskongress der Gewerkschaft: Krieg und Frieden bei Verdi
> Der Ukrainekrieg beschäftigt die Gewerkschaft vor ihrem Bundeskongress.
> Auch Schlichtungsvereinbarungen werden diskutiert.
Bild: Beim Bundeskongress von Verdi könnte es kontroverse Debatte geben
Berlin taz | Eigentlich könnte man [1][dieses Jahr bei Verdi] zufrieden mit
sich sein. Zuerst setzte die Dienstleistungsgewerkschaft für die rund
160.000 Beschäftigten der [2][Deutschen Post Gehaltssteigerungen] von nach
eigenen Angaben bis zu 16,1 Prozent durch. Dann erzielte Verdi bei den
Tarifverhandlungen mit Bund und Kommunen – der größten Tarifrunde dieses
Jahr – die „größte Tarifsteigerung in der Nachkriegsgeschichte [3][im
öffentlichen Dienst“].
Doch [4][die Reallohnverluste der letzten Jahre] relativieren die Erfolge
gleich wieder. Ursache für die Verluste sind vor allem die horrenden
Inflationszahlen, die durch die Energiepreiskrise infolge des russischen
Angriffkriegs auf die Ukraine ausgelöst wurden. Dabei ist dies nicht der
einzige Grund, warum der Krieg in der Ukraine die
Dienstleistungsgewerkschaft rund um ihren am Sonntag beginnenden
Bundeskongress beschäftigt.
Sechs Tage lang beraten rund 1.000 Verdi-Mitglieder in Berlin. Sie
diskutieren, stimmen ab und legen fest, wie die Gewerkschaft in den
kommenden Jahren politisch und gesellschaftlich aufgestellt sein wird.
Anders als bei der IG Metall stehen dieses Jahr bei ihr jedoch keine großen
Rochaden an.
Die wichtigste personelle Erneuerung ist da noch, dass Stefanie
Nutzenberger, die im Vorstand für Handel, Frauen-, Gender- und
Gleichstellungspolitik zuständig ist, nicht mehr zur Wiederwahl antritt.
Die derzeitige Leiterin des Fachbereichs Handel in Nordrhein-Westfalen,
Silke Zimmer, gilt als Nachfolgerin abgemacht.
## Petition bereits 10.000 Mal unterschrieben
Es dürfte also eigentlich ein eher ruhigerer Gewerkschaftskongress werden –
wäre da nicht der Krieg in der Ukraine. „Hebt Eure Hand nicht für einen
erneuten Schulterschluss der Gewerkschaften mit dem deutschen Kriegskurs“,
heißt es in einer Onlinepetition an die Verdi-Delegierten. Man habe nicht
vergessen, was 1914 geschah: „Die Gewerkschaftsführungen in ganz Europa
schickten unter Bruch aller vorherigen Beschlüsse ihre Mitglieder in den
Krieg – angeblich `gegen den russischen Despoten-Zaren`, tatsächlich aber
für den Profit von Krupp, Thyssen und Co.“
Die Petition richtet sich gegen einen Leitantrag, den der Gewerkschaftsrat
unter dem etwas sperrigen Titel „Perspektiven für Frieden, Sicherheit und
Abrüstung in einer Welt im Umbruch“ einbrachte. Die Petent*innen warnen,
dass durch der Antrag der „finale Kniefall vor militaristischer Logik“ sei.
Immerhin wurde ihr Online-Aufruf bereits über 10.000 Mal unterschrieben.
„Krieg und Frieden wird ein großer Punkt auf dem Kongress sein“, bestätigt
Anja Voigt, Krankenpflegerin und Delegierte aus Berlin die Wichtigkeit des
Themas. Anhand der Antworten auf den Antrag sehe man, wie divers die
Meinungen zum Krieg in der Ukraine seien. Die Ehrenamtliche treibt
allerdings auch ein anderes Thema um: die Schlichtungsvereinbarung zwischen
Verdi, Bund und Kommunen. Diese sieht vor, dass die Tarifpartner*innen
eine Schlichtung anrufen können, wenn die Tarifverhandlungen festgefahren
sind, um auf diesem Wege doch noch eine Einigung zu erzielen.
## Diskussion um unbefristete Streiks
In der Gewerkschaft mehren sich die Stimmen, die eine Kündigung dieser
Vereinbarung fordern. Ihre Kritik: Mit der Vereinbarung werden die
Mitglieder am Streiken gehindert. Denn während der Schlichtung [5][herrscht
Friedenspflicht] und den Gewerkschaften sind damit Arbeitskampfmaßnahmen,
mit deren Hilfe die Gewerkschaften Druck auf die Arbeitgeber aufbauen
können, untersagt.
So geschah es auch Anfang des Jahres. Wochenlang kämpften die
Verdi-Mitglieder im öffentlichen Dienst mit Warnstreiks für ihre
Forderungen. 10,5 Prozent beziehungsweise mindestens 500 Euro mehr Gehalt
im Monat wollte die Gewerkschaft in den Verhandlungen mit Bund und Kommunen
erreichen. Immer wieder wurde laut über eine Urabstimmung über einen
unbefristeten Streik nachgedacht. Nach einer ergebnislosen dritten
Verhandlungsrunde schien es fast so weit.
Doch die Arbeitgeber riefen die Schlichtung an. Heraus kam ein Kompromiss:
steuer- und abgabenfreie Einmalzahlungen von insgesamt 3.000 Euro und
tabellenwirksame Lohnerhöhungen im nächsten Jahr von mindestens 340 Euro.
„Das ist kein schlechtes Ergebnis. Mit einem Streik wäre aber mehr drin
gewesen“, meint denn auch Krankenpflegerin Voigt.
Ganz so gemächlich scheint der Verdi-Bundeskongress offenbar also doch
nicht zu werden. Zumal die Gewerkschaft viele neue Mitglieder verzeichnen
kann, die sich nun auch in der Gewerkschaft einbringen wollen. Allein durch
die Arbeitskämpfe bei der Deutschen Post und im öffentlichen Dienst von
Bund und Länder konnte Verdi Anfang des Jahres etwa 50.000 zusätzliche
Mitglieder gewinnen. Und derzeit läuft der Arbeitskampf im Handel und im
Herbst stehen die Tarifverhandlungen mit den Ländern an.
15 Sep 2023
## LINKS
[1] /Streit-um-den-Industriestrompreis/!5956776
[2] /Beigelegter-Tarifkonflikt-bei-der-Post/!5918542
[3] /Tarifeinigung-im-oeffentlichen-Dienst/!5927175
[4] /Warnstreik-im-Einzelhandel/!5950064
[5] /Urabstimmung-der-EVG-ueber-Streik/!5931106
## AUTOREN
Simon Poelchau
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