| # taz.de -- Problembär Berliner Schulreinigung: Sauberer wird’s nicht | |
| > Gleich mehrere Bezirke haben ihre Ausgaben für die Schulreinigung | |
| > runtergefahren. Wird demnächst auch bei der Tagesreinigung der Rotstift | |
| > angesetzt? | |
| Bild: Der blitzsaubere Eindruck täuscht: Viele Berliner Schulklos sind eine hy… | |
| Berlin taz | „Wir brauchen definitiv nicht nur eine Schulbauoffensive, | |
| sondern auch eine Schulreinigungsoffensive“, sagt die Berliner | |
| Linken-Abgeordnete Hendrikje Klein. Nur so könne Kindern und Jugendlichen | |
| in ihren Schulen ein Ort geboten werden, an dem sie gut und gerne lernen. | |
| Viele Berliner Schulen sind mit Blick auf die hygienischen Bedingungen von | |
| diesem Anspruch freilich weit entfernt. Ein Problem, das seit Jahren | |
| bekannt und immer wieder benannt wird. Umso erstaunlicher ist dabei, dass | |
| gleich mehrere Bezirke ihre Ausgaben für die Schulreinigung zuletzt | |
| ordentlich runtergefahren haben. Das geht aus einer aktuellen Antwort der | |
| Senatsbildungsverwaltung auf eine schriftliche Anfrage von Hendrikje Klein | |
| und Franziska Brychcy von der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus hervor. | |
| Die Zahlen für das laufende Jahr sind zwar bislang nur hochgerechnet und | |
| also vorläufig. Sie zeigen aber eine eindeutige Tendenz, und die weist | |
| vielerorts nach unten. Besonders drastisch sind die Einsparungen demnach in | |
| Tempelhof-Schöneberg. Hatte der Bezirk 2022 noch fast 5,5 Millionen Euro in | |
| die Schulreinigung gesteckt, dürften es im laufenden Jahr nicht mal 4,4 | |
| Millionen Euro sein. | |
| Ähnlich die Entwicklung in Pankow. Schlug der Einsatz von Besen, Mopp und | |
| Lappen an den Schulen des Ostberliner Großbezirks im Vorjahr noch mit rund | |
| 7,6 Millionen Euro zu Buche, werden es 2023 aller Voraussicht nach gut 1 | |
| Million Euro weniger sein. | |
| ## Schwarz-rote Lippenbekenntnisse | |
| „Für saubere Schulen wollen wir ausreichend Reinigungspersonal in | |
| unbefristeten Arbeitsverhältnissen, in tariflicher Bindung, mit Kriterien | |
| von guter Arbeit und enger Bindung an die jeweiligen Schulstandorte | |
| gewährleisten“, heißt es im Koalitionsvertrag von CDU und SPD. | |
| Allein, die Reinigung der allgemeinbildenden öffentlichen Schulen ist nicht | |
| Angelegenheit des Senats, sondern der Bezirke, die damit private Firmen | |
| beauftragen. Und die Bezirke wiederum klagen schon seit Langem über die | |
| strukturelle Unterfinanzierung durch den Senat. | |
| In Sachen Schulreinigung folgt daher offenkundig das, was das Bündnis | |
| „Saubere Schulen“ aus Gewerkschaften und der 2019 ins Leben gerufenen | |
| Initiative „Schule in Not“ beharrlich auf die Palme bringt: Der Zuschlag | |
| für die Schulreinigung geht an Billiganbieter, die den Preis- und damit | |
| auch Zeitdruck an ihre [1][ohnehin prekär beschäftigten | |
| Mitarbeiter:innen] weiterreichen. Egal, was im Koalitionsvertrag | |
| steht. | |
| Franziska Brychcy, Linke-Landeschefin und bildungspolitische | |
| Fraktionssprecherin, blickt in dem Zusammenhang auch mit Sorge auf die | |
| Zukunft der sogenannten Tagesreinigung. Die Finanzierung dieser | |
| zusätzlichen Reinigung der Schulgebäude wurde 2019 von der damaligen | |
| rot-rot-grünen Koalition auf den Weg gebracht, im bisherigen Haushalt | |
| stehen hierfür berlinweit 8,6 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung. Im | |
| aktuell debattierten Senatsentwurf für den Doppelhaushalt 2024/25 kann man | |
| den Posten Tagesreinigung der Schulen hingegen lange suchen. Er taucht | |
| schlicht nicht auf. | |
| ## Bildungsverwaltung wiegelt ab | |
| Keine Panik, heißt es in der Antwort der Bildungsverwaltung. Der Betrag von | |
| 8,6 Millionen Euro für die Tagesreinigung sei „verstetigt worden“ und stehe | |
| den Bezirken nun „dauerhaft über die Globalsumme zur Verfügung“. Mit | |
| anderen Worten: Das Geld ist nicht weg, es ist nur woanders. | |
| Das Problem sei aber, dass die Mittel für die Tagesreinigung im | |
| „Globalsumme“ genannten großen Pauschaltopf für die Bezirke nicht mehr | |
| zweckgebunden sind, so Franziska Brychcy. Die Bezirke können damit frei | |
| entscheiden, ob sie das Geld nur für die zusätzliche Schulreinigung | |
| ausgeben oder für andere Zwecke. Angesichts der klammen Finanzlage | |
| zahlreicher Bezirke, so die Befürchtung der Linken, könnte von Letzterem | |
| demnächst munter Gebrauch gemacht werden. | |
| „Konkret wissen wir bereits von Streichungen beziehungsweise Kürzungen der | |
| Tagesreinigung in Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf“, sagt | |
| Linke-Politikerin Hendrikje Klein. Beide genannten Bezirksämter hüllen sich | |
| auffälligerweise in Schweigen. Anfragen der taz blieben unbeantwortet. | |
| Susanne Kühne von der Initiative „Schule in Not“ beunruhigt das | |
| kolportierte Streichkonzert. Die Pankower Mutter eines Sechstklässlers | |
| bezeichnet es als „absolut unverantwortlich“, sollten die Gelder für die | |
| Tagesreinigung zweckentfremdet werden. Schließlich habe man damit gute | |
| Erfahrungen gemacht, insbesondere für die Sauberkeit der Sanitärbereiche. | |
| Kühne verweist zudem auf eine jüngst erschienene [2][Untersuchung der | |
| German Toilet Organization], die verdeutlicht, wie dringend notwendig eine | |
| bessere Schulreinigung ist. | |
| Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass knapp die Hälfte der | |
| Schüler:innen in Berlin die Sanitäranlagen nicht zum Urinieren und über | |
| zwei Drittel nicht für „das große Geschäft“ nutzen würden. „Wir könn… | |
| also ausrechnen, wie es aussehen wird, wenn die Tagesreinigung eingestellt | |
| wird“, sagt Kühne zur taz. Die gesundheitlichen Folgen für die Kinder wie | |
| Bauchschmerzen seien dramatisch. | |
| ## Rekommunalisierung in weite Ferne gerückt | |
| Auch Hendrikje Klein ist alarmiert. „Kürzungen hätten ebenso die Folge, | |
| dass die ohnehin oft prekären Arbeitsverhältnisse der Putzkräfte zu | |
| weiteren Verschlechterungen wie Lohnkürzungen und Stresssituationen mit der | |
| Schule durch schlechte Reinigungsleistungen führen“, sagt Klein zur taz. | |
| Eine Lösung sieht sie in der [3][Rekommunalisierung] der vor Jahrzehnten an | |
| private Dienstleister outgesourcten Schulreinigung. | |
| Über den Weg der Rekommunalisierung, für den sich die Gewerkschaften, | |
| „Schule in Not“, die Linke, aber auch die Grünen starkmachen, könnten hohe | |
| Qualitätsstandards sowie gute Arbeitsbedingungen für die Putzkräfte einfach | |
| gesteuert werden, so Klein. Die Linken-Abgeordnete fordert: „Der Senat muss | |
| hierzu endlich liefern, anstatt die Schulreinigung als Sparbüchse zu | |
| nutzen.“ | |
| Das Problem: SPD und – mehr noch – CDU zeigen nicht das geringste | |
| Interesse, das trotz aller sozialdemokratischen Blockadequalitäten vom | |
| rot-grün-roten Vorgängersenat zaghaft angeschobene Projekt | |
| Rekommunalisierung auch nur irgendwie weiterzuverfolgen. | |
| 28 Sep 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Schulreinigung-in-Berlin/!5819178 | |
| [2] /Schultoiletten-in-Berlin/!5955880 | |
| [3] /Rekommunalisierung-der-Schulreinigung/!5857218 | |
| ## AUTOREN | |
| Elena Kirillidis | |
| Rainer Rutz | |
| ## TAGS | |
| Gebäudereinigungsbranche | |
| Berliner Bezirke | |
| Schwarz-rote Koalition in Berlin | |
| Haushaltskrise | |
| Rekommunalisierung | |
| Gebäudereinigungsbranche | |
| Mindestlohn | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Bundesweiter Schul-Toiletten-Gipfel: Entwicklungshilfe im eigenen Land | |
| Nicht nur an Berliner Schulen sind die Sanitäranlagen in einem desaströsen | |
| Zustand. Schuld ist auch die Sparpolitik der letzten Jahrzehnte. | |
| Schultoiletten in Berlin: Was tun, wenn es stinkt | |
| Dreck, Zerstörung und Gestank: Das ist der Normalzustand von Berliner | |
| Schultoiletten, wie jetzt auch eine neue Studie belegt. | |
| Rekommunalisierung der Schulreinigung: Bezirke haben das Geld zum Putzen | |
| Drei Bezirke bekommen Geld für Modellprojekte, um ihre Schulen selbst zu | |
| putzen. Noch vor der Sommerpause sollen Details vereinbart werden. | |
| Schulreinigung in Berlin: Putzen bleibt prekär | |
| In Neukölln wird an den meisten Schulen noch immer nicht zum | |
| Vergabemindestlohn geputzt. Das Bezirksamt sagt, ihm seien die Hände | |
| gebunden. |