# taz.de -- Berlins CDU-Chef führt Kritiker an: Vom Merzianer zum Anti-Merz | |
> Kai Wegner gibt seinem Bundesvorsitzenden diese Woche erneut Kontra – dem | |
> Mann, den er bei seinem Anlauf zum Parteivorsitz unterstützt hat. | |
Bild: Was sagt er jetzt nun wieder? Kai Wegner hat seinem Parteichef Merz zulet… | |
„Friedrich Merz bringt aus meiner Sicht das mit, was unser Land und die CDU | |
jetzt brauchen, er spricht eine klare Sprache und er hat ein erkennbares | |
Profil.“ Wer das ist, der diese Worte im Februar 2020 gesagt und sich dabei | |
für Merz und gegen dessen Konkurrenz um den CDU-Parteivorsitz ausgesprochen | |
hat? Kein anderer als Kai Wegner – der Mann, der dem 2022 tatsächlich zum | |
Parteichef gewordenen Merz nun zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit Kontra | |
gegeben hat. | |
Erst forderte Wegner Ende Juli seinen Bundesvorsitzenden auf, die | |
Brandmauer zur AfD einzuhalten, egal ob auf kommunaler, auf Landes- oder | |
Bundesebene. Merz' zumindest missverständliche Äußerungen dazu [1][im | |
ZDF-Sommerinterview] waren auf viel Ablehnung in der CDU gestoßen, Wegners | |
Ansage wurde jedoch am stärksten beachtet. | |
Zum zweiten Mal Kontra gab es am Montag nach Merz' Spruch beim | |
niederbayerischen Volksfest Gillamoos, wonach Gillamoos und nicht Kreuzberg | |
Deutschland sei. Dazu sagte Wegners Regierungssprecherin (und tat das aller | |
Wahrscheinlichkeit nach im Sinne ihre Chefs): „[2][Wir mögen Kreuzberg,] | |
und Deutschland, und das Sauerland, und Gillamoos. Und ein bisschen | |
Kreuzberg für alle wäre auch gut.“ | |
Dass vor allem Wegners Kritik an Merz' Rütteln an der Brandmauer so stark | |
wahrgenommen wird, hat mit seiner immer noch neuen Rolle als Regierender | |
Bürgermeister und erfolgreicher Wahlkämpfer zu tun. Nur als Chef des | |
kleinen Berliner CDU-Landesverbands hätte er mutmaßlich weit weniger | |
Aufsehen erregt. Wobei Wegner ja bloß auf einen offiziellen | |
[3][Parteitagsbeschluss der CDU von 2018] pocht, in dem es heißt: „Die CDU | |
Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit | |
sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland | |
ab.“ | |
Gleich mehrere Gründe dürften Wegner motiviert haben, sich von seinem | |
Bundesvorsitzenden vor allem in Sachen AfD abzugrenzen: Zum einen der | |
Wunsch, vergessen zu machen, dass er Ende April im Abgeordnetenhaus | |
möglicherweise nur dank AfD-Stimmen zum Regierungschef gewählt wurde. Die | |
Grünen-Fraktionsspitze hatte damals prognostiziert, der Makel des Verdachts | |
werde ihn nicht verlassen. Unabhängig davon nennt Wegner die AfD, wie | |
[4][jüngst im taz-Interview,] „meinen politischen Feind“. | |
## Grundsätzliche Zweifel an Merz | |
Merz' Haltung zur AfD wie auch die Anti-Kreuzberg-Äußerung könnten Wegner | |
zur Überzeugung gebracht haben, dass Merz grundsätzlich nicht der richtige | |
Spitzenmann für eine moderne CDU ist, die der Berliner Parteivorsitzende | |
nach eigenen Worten anstrebt. Dabei dürfte es Wegner um die Landes- wie die | |
Bundesebene gehen. | |
Schließlich ist von ihm allenthalben zu hören, er wolle Berlin, das er als | |
tief gespalten wahrnimmt, wieder einen. Einen Bundesvorsitzenden oder sogar | |
Kanzlerkandidaten, der mit Sprüchen eine solche Spaltung noch vertieft, | |
kann Wegner dabei nicht gebrauchen. Gleiches gilt für die Bundesebene: Ohne | |
deutlich mehr Stimmen von Großstädtern und Frauen wird die CDU nach der | |
Wahl 2025 kaum ins Kanzleramt zurückkehren. | |
Der Mann, den Wegner stattdessen mutmaßlich gern als Spitzenkandidat bei | |
der nächsten Bundestagswahl sähe, ist für die Berliner CDU ein alter | |
Bekannter: Hendrik Wüst war noch nicht Ministerpräsident, sondern gerade | |
mal drei Jahre Verkehrsminister in Nordrhein-Westfalen, als ihn die | |
Berliner CDU 2020 zu ihrer ersten digitalen Mitgliederkonferenz holte. | |
Was Wegners Vertrauen in Merz zudem gleichfalls nicht gestärkt haben | |
dürfte, um es vorsichtig auszudrücken: dass der Bundesvorsitzende Gerüchten | |
oder sogar konkreten Überlegungen nicht entgegentrat, die Bundesebene | |
dränge darauf, Wegner bei der Wiederholungswahl im Februar nicht erneut als | |
Spitzenkandidat antreten zu lassen. | |
## Da hat sich etwas angesammelt | |
Angebliche Erwägungen, ihn durch Ex-Bundesminister Jens Spahn zu ersetzen, | |
wurden zwar vorrangig Merz' damaligem Generalsekretär Mario Czaja | |
zugeschrieben, [5][einem langjährigen Gegenspieler Wegners]. Doch es ist | |
wie stets: So etwas stößt niemand an, der nicht zumindest annimmt, dabei | |
mit Billigung des Chefs zu handeln. Zwar gab man sich bei einem | |
Landesparteitag kurz vor der Wiederholungswahl versöhnt – aber Merz' | |
Auftritt dort wirkte weder begeistert noch begeisternd. | |
Einen solchen Chef dann nicht noch weiter aufsteigen lassen zu wollen, | |
lässt sich auch nachvollziehen, ohne ein CDU-Parteibuch in der Tasche oder | |
der Schreibtischschublade liegen zu haben. | |
8 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zdf.de/politik/berlin-direkt/berlin-direkt---sommerinterview-vo… | |
[2] https://www.sueddeutsche.de/politik/parteien-abensberg-kreuzberg-oder-gilla… | |
[3] https://archiv.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/cdu_deutschlands_unsere_ha… | |
[4] /Schwarz-Rot-in-Berlin/!5957659 | |
[5] /Landesparteitag-der-Christdemokraten/!5858325 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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