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# taz.de -- Landesparteitag der Berliner CDU: Nicht mal Autofahrer ausgrenzen
> Kai Wegner wird als CDU-Landeschef mit Rekordergebnis wiedergewählt. Er
> gibt sich unideologisch – und streichelt doch die konservative Seele.
Bild: Der als CDU-Landeschef wiedergewählte Kai Wegner neben der neuen General…
Berlin taz | Die Wahlen haben noch gar nicht begonnen beim Berliner
CDU-Landesparteitag, da nimmt Kai Wegner, der Regierungschef, der an diesem
Samstag auch als Parteivorsitzender wiedergewählt werden will, das Ergebnis
im Grunde genommen vorweg. Er dankt einfach schon mal, dass er seinen Job
im Roten Rathaus nicht allein machen müsse – „es ist einfach großartig, so
eine Partei hinter sich zu wissen.“ Dass es eine Mannschaftsleitung gewesen
sei, dorthin zu kommen.
Das ist schon mehr als der Wink mit dem Zaunpfahl und schließt direkt an
die Mahnung des als Generalsekretär ausscheidenden Stefan Evers an: Es sei
keine Zeit für Grabenkämpfe, wie sie andere Parteien und Regierungen
prägen“. Andere Parteien? Auch Ärger in seiner eigenen CDU hatte Wegner
Ende April fast den Einzug ins Rote Rathaus gekostet: Da klappte im
Abgeordnetenhaus seine Wahl zum Regierungschef erst im dritten Durchgang
und auch das [1][möglicherweise – die Abstimmung war geheim – nur mit
AfD-Stimmen].
Auch CDUler, nicht bloß kritische SPDler in der gerade vereinbarten
schwarz-roten Koalition, hatten Wegner damals dem Vernehmen nach die Stimme
verweigert – enttäuscht davon, bei der Postenvergabe im Senat leer
ausgegangen zu sein. „Ich weiß, dass ich den einen oder anderen verärgert
habe“, deutet Wegner am Samstag in seiner Rede immerhin an, sei es durch
Personalentscheidungen oder inhaltlich. Aber er habe so handeln müssen,
weil es „das Beste für Berlin“ gewesen sei. So ist auch der
Koalitionsvertrag mit der SPD überschrieben.
Würden sich die rund 280 Delegierten im Saal Europa des Hotel Estrel in
Neukölln davon beeindrucken und auf Loyalität verpflichten lassen? Und
würden sie auch mit großer Mehrheit auf seinen Vorschlag hin [2][Ottilie
Klein zur Generalsekretärin] und Nachfolgerin von Evers wählen, der als
Finanzsenator ausreichend anderweitig ausgelastet ist? Von Klein waren etwa
in ihrem Heimat-Kreisverband Mitte im Vorfeld nicht alle sonderlich
begeistert gewesen. Immerhin klatschen die Delegierten schon nach Wegners
mehr als einstündiger Rede so lange wie selten in den vergangenen zwei
Jahrzehnten – ebenso lange hatte ja auch kein Regierender Bürgermeister aus
den eigenen Reihen zu ihnen gesprochen.
Eine halbe Stunde später zeigt sich, dass der Applausometer richtig lag:
94,7 Prozent stimmen für Wegner – bei seiner Wahl vor zwei Jahren waren es
87,8 Prozent, 2019 bei seiner ersten Wahl 76,9, jeweils ohne
Gegenkandidatur. Vorausgegangen war damals ein harter Machtkampf mit seiner
Vorgängerin Monika Grütters, die ihre Bewerbung schließlich zurückzog.
Klein muss sich mit nur 72,6 Prozent zufrieden geben. Vorgänger Evers, der
später zu einem der vier Vize-Vorsitzenden gewählt wird, war 2016
allerdings noch mit weit knapperer Mehrheit ins Amt gekommen. „Das ist
genau das Signal, das in die Stadt raus muss – diese CDU ist geschlossen“,
reagiert Wegner auf sein Ergebnis. Er wäre angeblich schon mit einem
Ergebnis knapp unter 90 Prozent nicht unzufrieden gewesen.
Wegners Rede ist zuvor stark von dem Bemühen geprägt, sich als Brückenbauer
und pragmatischer, unideologischer Problemlöser zu präsentieren. „Ich will
in keine Schublade passen“, sagte er. Das knüpfte an Aussagen [3][jüngst im
Interview mit der taz] an. Dabei darauf angesprochen, wie es als CDUler an
der Spitze einer strukturell linken Stadt sei, antwortete er: „Ich will,
dass die Verwaltung funktioniert, dass wir genug Schulen und Kitaplätze
haben, dass Menschen sicher von A nach B kommen – wenn das eine „linke
Stadt“ ausmacht, dann soll es so sein.“
Dieser schier über den Parteien schwebende Redner vergisst am Samstag aber
dennoch nicht, dass die Delegierten im Tagungssaal vor ihm CDU-Mitglieder
sind. In der Verkehrspolitik wie in der Sicherheitspolitik bekommen die zu
hören, was das konservative Herz erwärmt: Von Radfahrern, die Autofahrer
terrorisieren würden, spricht Wegner etwa. Und wenn die Menschen mit dem
Auto unterwegs sein wollten, „dann sollen sie das auch tun.“ Mit Blick auf
den Görlitzer Park kündigt er an: „Die Zeit der falsch verstandenen
Toleranz ist vorbei.“ Er lobte Jugend- und Sozialarbeit, „aber wir brauchen
auch Repression in diesem Park.“ Und Clan-Kriminalität müsse man auch
Clan-Kriminalität nennen.
Gleichzeitig betont Wegner, dass es für ihn bei Sicherheit nicht nur um die
innere, sondern auch um die soziale gehe. „Wenn immer mehr Menschen zur
Tafel gehen müssen, dann ist die soziale Gerechtigkeit nicht mehr
gewährleistet, dann müssen wir uns kümmern.“ Dazu erinnert er an das „C�…
Parteikürzel, das für das Christliche steht.
All das stellt Wegner in einen historischen Kontext. Genau 75 Jahre ist es
an diesem Samstag her, dass Berlins damaliger Oberbürgermeister Ernst
Reuter drei Monate nach Beginn der Berlin-Blockade vor dem Reichstag sprach
und forderte: [4][„Völker der Welt, schaut auf diese Stadt]“. Auch Wegner
will Berlin in den Fokus der Welt rücken und malt am Sanmstagvormittag
gleich mehrere Varianten aus. Eine davon lautet: „Ich möchte, dass die
Menschen auf Berlin schauen und sagen: Hier wird keiner ausgegrenzt – noch
nicht mal, wenn er mit dem Auto unterwegs ist.“
9 Sep 2023
## LINKS
[1] /Wahl-von-Kai-Wegner-in-Berlin/!5931160
[2] /Wechsel-beim-CDU-Landesparteitag/!5950071
[3] /Schwarz-Rot-in-Berlin/!5957659
[4] https://www.swr.de/swr2/wissen/archivradio/voelker-der-welt-schaut-auf-dies…
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
CDU Berlin
Kai Wegner
Stefan Evers
Kai Wegner
Schwerpunkt AfD in Berlin
CDU Berlin
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