# taz.de -- Der Kampf von Spaniens Fußballerinnen: Einberufungsbefehl zum Spiel | |
> Gegen ihren Willen werden Spielerinnen des spanischen Weltmeisterteams | |
> für die Auswahl nominiert. Den Streikenden drohen hohe Strafen. | |
Bild: Neues Gesicht, neue Lügen: Montse Tomé vor ihrem ersten Auftritt als sp… | |
BARCELONA taz | Das Hotel Alameda am Flughafen Madrid-Barajas hatte am | |
Dienstagvormittag etwas von einer Militärkaserne. Mit ernsten Gesichtern | |
und überwiegend wortlos trudelten nach und nach einige Nationalspielerinnen | |
ein. Ob sie sich freue, berufen worden zu sein, wurde Misa Rodríguez | |
gefragt. Da drehte sich die Torhüterin von Real Madrid um und sagte: | |
„Nein.“ | |
Bei der Berufung handelte es sich nämlich um eine Einberufung. In den Krieg | |
ziehen müssen Spaniens beste Fußballerinnen zwar glücklicherweise nicht, | |
sie sollen nur am Freitag in Göteborg zum Nations-League-Spitzenspiel gegen | |
den Weltranglistenersten Schweden antreten. | |
Aber dass sie auch das nicht wollen, hatten 39 von ihnen – darunter 21 der | |
23 Weltmeisterinnen – [1][noch am Freitag unmissverständlich dargelegt]. | |
„Null Toleranz“ gegenüber „Personen, die aus einem Verbandsamt heraus | |
Verhaltensweisen gezeigt, ermuntert, verschleiert oder beklatscht haben, | |
die gegen die Würde von Frauen verstoßen“, hatten sie gefordert. | |
Umso größer war dann nicht zuletzt ihre eigene Verblüffung, als 15 | |
Weltmeisterinnen und sogar fünf Spielerinnen, die im Rahmen der seit einem | |
Jahr andauernden Krise zwischen Team und Verband auf die WM verzichtet | |
hatten, am Montagnachmittag von der neuen Nationaltrainerin Montse Tomé | |
nominiert wurden. Denn Reformen hatte es über das Wochenende nicht gegeben | |
## Dreiste Lügen | |
Und anwesend bei Tomés Inthronisierung waren etliche Personen, die für den | |
abgetretenen Skandalpräsidenten Luis Rubiales in den letzten Jahren die | |
Frauenabteilung gemanagt hatten. Auf mehrfache Nachfrage versicherte sie | |
außerdem, mit den Profis gesprochen und also die Nominierung abgesprochen | |
zu haben. | |
Das war offenbar glatt gelogen. Nach spanischem Sportrecht kann mit bis zu | |
fünf Jahren Spielverbot – auch auf Klubebene – belegt werden, wer den | |
Appell einer Landesauswahl ignoriert. Die meisten Spielerinnen denunzierten | |
das Manöver noch am Montagabend. Sie erklärten in einem Kommuniqué, dass | |
sich „an unserem festen Willen, nicht berufen zu werden, nichts geändert | |
hat“. | |
In einer eigenen Mitteilung fügte Stürmerin Jenni Hermoso, Opfer von | |
[2][Rubiales’ Kuss-Attacke nach dem WM-Finale] und nun von Tomé „zu ihrem | |
Schutz“ nicht berufen, spät in der Nacht hinzu: „Es handelt sich um eine | |
weitere Strategie der Spaltung und Manipulation, um uns einzuschüchtern.“ | |
## Das nächste Groteske | |
Die Renitenz sinistrer Methoden unter dem von Rubiales ausgesuchten | |
Nachfolger Pedro Rocha überrascht inzwischen selbst Szenekenner. Wie schon | |
einmal bei Rubiales’ anfänglichem Beharren im Amt hatten Verbandsquellen | |
nämlich noch bis kurz vor der Tomé-Show – bei der sich die Trainerin | |
sichtlich unwohl fühlte – gestreut, dass keine Streikenden berufen würden. | |
Heraus kam die nächste Groteske. | |
In dem ganzen Schauspiel gab die schwächste Figur nach dem Verband zunächst | |
wieder einmal die Regierung ab. Jahrelang stützte sie Rubiales – Sohn eines | |
ehemaligen Bürgermeisters und sozialistischen Parteifreunds – gegen alle | |
Verdachtsmomente und teils sogar Anzeigen wegen Korruption und sexueller | |
Belästigung. Dann gelang es ihr nicht, ihn zum Rücktritt zu bewegen – das | |
tat er aufgrund des Drucks aus der Fifa, oder substanzielle | |
Verbandsreformen anzuschieben. | |
Nun versicherten Sportstaatssekretär Victor Francos und | |
Regierungssprecherin Isabel Rodríguez den Spielerinnen zwar ihre | |
„Unterstützung“, gaben sie ihnen in der entscheidenden Frage des Streiks | |
aber nicht. | |
## Etliche Blamagen bis zum nächsten Schritt | |
„Die nächsten Partien sind sehr wichtig für die Qualifikation zu den | |
Olympischen Spielen, deshalb will die Regierung sie spielen und gewinnen | |
sehen“, erklärte Rodríguez. Medaillen schlagen Werte, [3][so weit der sonst | |
oft gern betonte Feminismus]. | |
Die Spielerinnen aus Madrid sollten sich unterdessen am Nachmittag mit | |
denen anderer Klubs in Valencia treffen, um dort – und nicht im | |
kontaminierten Las Rozas – die Matchvorbereitung anzugehen. Ob das Team | |
vollständig erscheint, war vorerst noch unklar, ob die Regierung gegen | |
eventuell Abtrünnige „das Gesetz anwenden muss“ (Francos) auch. | |
Dem Vernehmen nach wollte der Staatssekretär erstmals selbst mit den | |
Spielerinnen in Kontakt treten und vermitteln. Etliche Blamagen mussten | |
aufgeführt werden, damit er diesen Schritt als notwendig erkannte. | |
19 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Florian Haupt | |
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