# taz.de -- Bröckelnde Brandmauer in Thüringen: CDU-Testballon in Thüringen | |
> Einfacher wird das Regieren nicht: Trotz Schulterschluss von CDU, AfD und | |
> FDP strebt die RRG-Minderheitsregierung einen Haushalt mit der CDU an. | |
Bild: AfD-Fraktion zeigt nach der Abstimmung über die Grunderwerbssteuer im Th… | |
DRESDEN taz | Das triumphierende Grinsen schwand einfach nicht aus dem | |
Gesicht des Thüringer CDU-Landtagsfraktionschefs Mario Voigt beim | |
MDR-Interview. Am Donnerstagabend nach dem [1][Abstimmungscoup mit AfD und | |
FDP] zur Senkung der Grunderwerbsteuer lobte er die Entlastung junger | |
Familien und tadelte die „Parteitaktik“ der rot-rot-grünen | |
Minderheitskoalition. Deren Vertreter wie Linken-Fraktionsvorsitzender | |
Steffen Dittes aber sprechen von einem „elementaren Präzedenzfall“. Die | |
Frage ist, wie das bisherige Arrangement mit der CDU zur Mehrheitsfindung | |
im Landtag noch fortgeführt werden kann. | |
Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt ist [2][am Vormittag jenes | |
„schwärzesten Tages seiner parlamentarischen Laufbahn“,] wie | |
Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow formulierte, auch der Entwurf des | |
Landeshaushalts 2024 ins Parlament eingebracht worden. Drei Jahre lang | |
hatten sich Linke, SPD und Grüne in quälenden Haushaltsverhandlungen | |
Kompromisse abringen lassen, weil ihnen vier Stimmen zur Mehrheit fehlen. | |
Der Zeitpunkt des Zusammengehens von CDU, AfD und FDP war also pointiert | |
gewählt. Und wohl abgestimmt, wie mehrere Quellen bestätigen. | |
Für Steffen Dittes handelt es sich deshalb nicht um eine Bagatelle, wie | |
eine ähnliche Machtdemonstration der Opposition beim Spielhallengesetz. | |
„Wir können den Haushalt mithilfe von AfD und FDP auch gegen die Regierung | |
gestalten“, sei die Botschaft der Union. Das komme einer | |
„Quasi-Koalitionsbildung“ gleich. „Wer aber übernimmt dann die | |
Verantwortung?“, fragt Dittes. Mit Blick auf das Wahljahr 2024 sei | |
Thüringen nun ein Testballon für eine mögliche Tolerierung einer | |
CDU-Minderheitsregierung durch die AfD oder gar eine Koalition mit ihr. | |
Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Hey reagierte mit Unverständnis | |
auf das Vorgehen der CDU. „Trotz des Angebots, das Thema Familienförderung | |
bei Wohneigentum während der Haushaltsverhandlungen miteinander zu klären, | |
hat die CDU noch vor der ersten Lesung des Haushaltes schon im Ausschuss | |
und nun im Parlament die Mehrheit rechts der Mitte genutzt“, kritisiert er. | |
Dass die Union „lieber mit Björn Höcke“ abstimme, habe er bis zum Schluss | |
nicht glauben wollen. „Die AfD hat nun erstmals in einem deutschen | |
Parlament Gestaltungsmacht über den Landeshaushalt bekommen“, konstatiert | |
Hey. Neben dieser Enttäuschung sei es besonders verstörend, dass nach der | |
Abstimmung breitbeinig verkündet wurde, es folge „jetzt jeden Monat so ein | |
Knaller“. | |
## „Krasse Beschleunigung des Rechtsrucks“ | |
Madeleine Henfling, Parlamentarische Geschäftsführerin der kleinen Fraktion | |
der Bündnisgrünen, hat das CDU-Vorgehen nicht überrascht, wohl aber, wie | |
eiskalt sie es durchgezogen hat. Denn die „krasse Beschleunigung des | |
Rechtsrucks“ der Union insgesamt sei seit Monaten offenkundig. Obschon sich | |
RRG „bis zum Erbrechen kompromissbereit“ gezeigt habe, werde das Aushandeln | |
konkreter Vorhaben immer schwieriger. | |
Henfling und Dittes erklären dies mit „Verzweiflung, gar Panik“ einer | |
Thüringer CDU, die in Umfragen bei 20 Prozent stagniert. Deshalb stecke in | |
der keineswegs geschlossenen Landespartei auch kein Abweichler den Kopf | |
heraus. | |
Die Grüne hält die strategische Liaison mit der AfD für einen schweren | |
Fehler, der „Mythos Rückgewinnung von AfD-Wählern“ werde nur die | |
Rechtsradikalen stärken. Der vergangene Donnerstag habe gezeigt, dass die | |
CDU sie zu einem Machtfaktor aufgewertet hat, resümiert der Linke Steffen | |
Dittes. | |
Verdrossen, aber konsequent und auch alternativlos will die | |
Minderheitskoalition dennoch das bisherige Verfahren bei den anstehenden | |
Haushaltsberatungen fortsetzen, also erneut auf die CDU zugehen. Das dafür | |
erforderliche Minimalvertrauen sei schwer gestört, aber nicht zerstört, | |
schätzt Steffen Dittes ein. | |
Wie die CDU ihre Forderungen finanzieren will, die sich laut Koalition auf | |
eine Dreiviertelmilliarde summieren, muss sie noch erklären. Eine Sabotage | |
des Haushalts könne sie sich wegen der im kommenden Jahr gleichfalls | |
anstehenden Kommunalwahlen aber nicht leisten, meint Madeleine Henfling. | |
Während die Thüringer CDU den Rückhalt der Bundespartei und von Friedrich | |
Merz genießt, bleibt ihr Partner FDP auf sich allein gestellt. Die | |
Bundesliberalen haben bekräftigt, dass sie den [3][Wahlkampf von Thomas | |
Kemmerich] & Co 2024 nicht unterstützen werden. | |
17 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Schwarz-braune-Allianzen-in-Thueringen/!5957057 | |
[2] /Brandmauer-broeckelt-in-Thueringen/!5960403 | |
[3] /Die-FDP-in-der-Bundesregierung/!5935571 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
## TAGS | |
Dammbruch | |
Grunderwerbsteuer | |
GNS | |
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen | |
Schwerpunkt Ostdeutschland | |
Gendern | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Thüringer Landtag | |
Schwerpunkt Thüringen | |
AfD Sachsen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
CDU scheitert mit Antrag zum Verbot: Gendern in Thüringen noch erlaubt | |
Die CDU ist damit gescheitert, das Binnen-Sternchen in offiziellen | |
Schreiben im Land zu verbieten. Doch die Partei will ihre Initiative nicht | |
aufgeben. | |
Die CDU in Thüringen: Das Kooperationsverbot kippen | |
Zur Deutschlandkoalition wird es in Thüringen kaum reichen. Denkbar wäre | |
eine Minderheitsregierung aus CDU, SPD und FDP mit Tolerierung der Linken. | |
AfD stimmt mit Thüringer CDU: Union gibt sich geschlossen | |
Die Erfurter CDU erhält vom Parteivorstand Verständnis nach ihrer | |
Abstimmung mit der AfD. Die Union beteuert, keine Vorabsprachen getroffen | |
zu haben. | |
Keine Handbreit auch in Europa?: Hochmut vor dem Fall der Brandmauer | |
Empörung über Thüringen, Achselzucken angesichts der EU-Migrationspolitik. | |
Wie war das noch mal mit den Werten und der Abgrenzung nach ganz rechts? | |
Schwarz-braune Allianzen in Thüringen: Welche Brandmauer? | |
Die Thüringer CDU erpresst die Landesregierung mit einem Antrag, den sie | |
nur mit der AfD durchbringen kann und schwächt so die demokratischen | |
Kräfte. | |
Was tun gegen Rechtspopulismus?: Alle Macht den Kommunen | |
Nach jüngsten Erfolgen der AfD ist das Land in Aufruhr. Rechtspopulismus | |
hat dort den größten Erfolg, wo demokratische Parteien auf dem Rückzug | |
sind. |