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# taz.de -- Debatte um den Industriestrompreis: Kollektive Verdrängung ist teu…
> Der Industriestrompreis wird Unternehmen in Deutschland auf lange Sicht
> nicht helfen. Die müssten eigentlich ihren Standort wechseln.
Bild: Die Chemieindustrie, wie BASF in Ludwigshafen, braucht viel Strom – der…
Deutschlands Industrie braucht Energie, Energie, Energie. Aber wo soll sie
herkommen? Und zu welchen Kosten? Diese Debatte nimmt jetzt Fahrt auf, das
Projekt heißt „Industriestrompreis“.
Vereinfacht gesagt: Der grüne Wirtschaftsminister Habeck schlägt vor, dass
[1][energieintensive Industriebetriebe] maximal 6 Cent pro Kilowattstunde
Strom zahlen sollen – wenn sie sich im internationalen Wettbewerb befinden.
Gemeint sind also vor allem Branchen wie die Chemie-, Stahl-, Metall-,
Glas- oder Papierindustrie. Zukünftig kommen noch Batteriefabriken und die
Photovoltaik-Produktion hinzu.
Diese Subventionen sollen bis 2030 gelten, könnten 25 bis 30 Milliarden
Euro kosten und sollen danach auslaufen. Das Ende im Jahr 2030 ist nicht
zufällig gewählt. Zumindest Habeck glaubt, dass bis dahin so viel Ökostrom
vorhanden ist, dass sich [2][die Industrie günstig] selbst versorgen kann.
Vor allem Windräder auf See sollen massenhaft billigen Strom liefern.
Wörtlich steht in Habecks Papier: „Die günstigsten Energiequellen sind
erneuerbar.“
Richtig ist, dass so schnell wie möglich in Solarpaneele, Windräder und
Stromnetze investiert werden muss. Gewagt ist jedoch die These, dass
Öko-Energie immer billiger und im Überfluss vorhanden sein wird.
Die Chemieindustrie ist ein gutes Beispiel. [3][Die Branche hat bereits
ausgerechnet], wie viel Strom sie benötigen würde, wenn sie gänzlich
klimaneutral produzieren soll – und kam auf 685 Terawattstunden im Jahr.
Das ist weit mehr, als derzeit ganz Deutschland an Strom verbraucht. Diese
Unmengen an Ökostrom wird es nicht geben, auch wenn jedes denkbare Windrad
und Solarpaneel installiert wird. Die allermeisten Studien kommen daher zu
dem Ergebnis, dass sich die Chemieindustrie halbieren muss.
## Magisches Denken
Dieser Einschnitt wäre nicht das Ende der Chemieindustrie, aber die
betroffenen Firmen müssten Deutschland verlassen und dort produzieren, wo
sich mehr Ökostrom herstellen lässt. Als Standort würde sich beispielsweise
Namibia anbieten, das mehr Sonnenschein und Wind aufweist.
Der richtige Weg wäre also, diesen Umzug schon jetzt vorzubereiten – statt
teuer den Strompreis für Firmen zu subventionieren, die mittelfristig
sowieso keine Perspektive in Deutschland haben. Eine drängende Frage wäre
etwa: Was soll aus Ludwigshafen werden, wenn ein Teil der Chemieproduktion
abwandern muss? Aber diese Diskussion ist tabu.
Das ist keine Kritik an Habeck. Als Politiker muss er sich an der
Stimmungslage orientieren, und es ist nun mal ein Fakt, dass die
allermeisten Deutschen immer noch hoffen, dass „grünes Wachstum“ möglich
ist. Da unterscheiden sich CSU-Wähler nicht von grünen Anhängern. Wenn
Habeck jetzt beginnen würde, den Chemiestandort Deutschland infrage zu
stellen, würden die Grünen zur „Verbotspartei“ gestempelt und rasante
Verluste erleiden.
Aber diese kollektive Verdrängung ist teuer. Milliardenschwer werden
Unternehmen subventioniert, die langfristig sowieso nicht bleiben können –
und gleichzeitig fehlt dieses Geld dann, um den klimaneutralen Umbau zu
finanzieren.
Das [4][Projekt „Industriestrompreis“ ist] eine Form des magischen Denkens.
Früher haben die Menschen intensiv gebetet, damit es regnet. Das hat die
Tiefdruckgebiete aber nicht interessiert. Jetzt sollen Milliarden zum
Fenster hinausgeworfen werden, auf dass das „grüne Wachstum“ komme. Leider
wird es nicht wahrscheinlicher, nur weil wir es uns so dringend wünschen.
16 Sep 2023
## LINKS
[1] /Subventionen-fuer-Unternehmen/!5954816
[2] /Industriestrompreis-in-der-EU-Kommission/!5958716
[3] https://www.vci.de/vci/downloads-vci/publikation/2019-10-09-studie-roadmap-…
[4] /Bruessler-Erklaerung-der-Bundeslaender/!5958841
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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