# taz.de -- Wassermangel im Dürresommer: Nur Rationierung ist gerecht | |
> Angeblich leben wir in einer Marktwirtschaft. Doch wenn wichtige Güter | |
> knapp werden, hilft die nicht weiter. Dann muss rationiert werden. | |
Bild: Schleswig-Holstein, Ammersbek: ausgetrockneter Lottbeker Teich in der Gem… | |
Wer bekommt wie viel Wasser? Und wofür? Wie lange darf man noch den Rasen | |
sprengen oder Pools füllen? Solche Fragen werden auch in Deutschland | |
relevanter. In den vergangenen Wochen hat es kaum geregnet, ein Ende der | |
Dürre [1][ist nicht abzusehen]. Vor allem im Osten Deutschlands sind die | |
Dürrekarten tiefrot eingefärbt. | |
Es steht ein Wort im Raum, das eigentlich nur aus Kriegszeiten bekannt ist, | |
wenn alles knapp wird: Rationierung. Ganz selbstverständlich arbeitet die | |
Berliner Umweltsenatorin schon [2][an einem Notfallplan], und auch die | |
BürgerInnen staunen nicht, dass Wasser demnächst staatlich zugeteilt werden | |
könnte. | |
Diese allgemeine Erwartung an den Staat, dass er die Regie übernehmen soll, | |
ist jedoch längst nicht so naheliegend, wie die meisten BürgerInnen | |
offenbar intuitiv annehmen. Denn angeblich leben wir in einer | |
„Marktwirtschaft“. Zumindest FDP und Union sind davon fest überzeugt. In | |
einer „Marktwirtschaft“ würde jedoch der Preis regeln, wer wie viel Wasser | |
bekommt. Marktwirtschaft wäre: Wenn Wasser knapp ist, wird es eben teuer. | |
Der Effekt wäre, dass die Reichen weiter ihre Pools füllen und | |
[3][Golfplätze bewässern lassen], weil sie sich die erhöhten Wasserpreise | |
mühelos leisten können. Dafür würde es dann in den armen Quartieren nicht | |
mehr für eine Wassertoilette reichen. | |
Doch offenbar sind die Deutschen keine Marktwirtschaftler, wenn wichtige | |
Güter wie Wasser knapp werden. Dann soll nicht mehr der Preis regieren – | |
sondern die Gerechtigkeit. Jede soll mehr oder minder das Gleiche bekommen. | |
Wenn die Reichen dann auf Pools und Golf verzichten müssen, haben sie eben | |
Pech gehabt. | |
Das hat einen sehr rationalen Kern: Deutschland ist eine Demokratie, geht | |
also davon aus, dass alle Menschen gleich sind und daher jeder eine Stimme | |
hat. Dieser fundamentale Gleichheitsgedanke wird auch ökonomisch zentral, | |
wenn es darum geht, wichtige Güter zu verteilen, sobald sie knapp werden. | |
Nun ist Wasser ein Extrembeispiel, weil Menschen nicht lange überleben | |
können, wenn sie nicht regelmäßig trinken. Da liegt es nahe, auf | |
Rationierung zu setzen, damit alle versorgt sind. Spannend wird es bei | |
Gütern, die nicht unentbehrlich sind. Werden auch sie irgendwann | |
rationiert? Da ist zum Beispiel das Fliegen, ein Lieblingshobby der | |
Deutschen. Schon jetzt ist klar, dass es der Luftfahrt in den nächsten | |
Jahrzehnten [4][nicht gelingen wird], klimaneutral zu werden. | |
Klimaneutralität ist nur möglich, wenn man aufs Fliegen verzichtet. | |
Software-Milliardär Bill Gates weiß auch schon, wie er dieses Problem gern | |
lösen würde: Kerosin muss eben sehr teuer werden. Dann könnte er weiterhin | |
mit seinen Privatjets fliegen, während der große Rest finanziell | |
überfordert wäre und am Boden bleiben muss. | |
Es kann sein, dass sich diese unsoziale Lösung durchsetzt. Schließlich ist | |
die Welt schon jetzt extrem ungerecht. Aber es ist keineswegs sicher. Die | |
Aktionen der „Letzten Generation“ waren sehr unpopulär, solange normale | |
Straßen blockiert wurden. Aber [5][festgeklebte Privatjets] erfreuen große | |
Teile des Publikums. Es ist also durchaus denkbar, dass irgendwann auch | |
Flüge rationiert werden – und zwar für alle gleich. | |
Das Wort „Rationierung“ klingt extrem unattraktiv, weil es staatlichen | |
Dirigismus bedeutet. Doch in einer Welt der Knappheit verliert es seinen | |
Schrecken, weil nur die Rationierung dafür sorgen kann, dass alle zu ihrem | |
Recht kommen. Die Zuteilung von Wasser dürfte daher nur der Anfang sein. | |
22 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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