# taz.de -- Chemieindustrie in Deutschland: Noch zu abhängig von den Fossilen | |
> In der kommenden Woche findet im Kanzleramt ein Chemiegipfel statt. Der | |
> Sektor verbraucht mehr Energie als jeder andere Industriezweig, so eine | |
> Studie. | |
Bild: Energieintensiv: das BASF-Werk in Ludwigshafen | |
Berlin taz | Ist derzeit in der Debatte um den [1][Industriestrompreis] von | |
energieintensiven Unternehmen die Rede, dann geht es vor allem auch um eine | |
Branche: die Chemieindustrie. Denn deutsche Chemiefirmen haben im Jahr 2020 | |
insgesamt 383 Milliarden Kilowattstunden an Energie und Rohstoffe wie Öl | |
und Gas verbraucht, wie eine am Mittwoch vom Umweltverband BUND | |
veröffentlichte Studie zeigt. Demnach stehen die rund 750 hiesigen | |
Chemieunternehmen für ein Viertel des Energieverbrauchs der deutschen | |
Industrie. | |
„Die Chemieindustrie frisst fossile Rohstoffe und treibt damit die Klima- | |
und Ressourcenkrise massiv voran“, kommentierte BUND-Geschäftsführerin | |
Antje von Broock die Studienergebnisse. Alleine mit dem Gasverbrauch der | |
chemischen Industrie könnten 38 Prozent des Gasbedarfs der Privathaushalte | |
gedeckt werden. | |
„Besonders erschreckend“ für von Broock: Ein Fünftel seines Energie- und | |
Rohstoffbedarfs verwende der Chemiesektor für die Produktion von | |
Plastikverpackungen – also Müll. In diesem Zusammenhang erinnert die | |
Organisation daran, dass die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag | |
versprochen habe, den Ressourcenverbrauch zu senken. | |
Für die Chemieindustrie sind Erdöl und Erdgas die beiden wichtigsten | |
Rohstoffe. Beide werden in der Produktion eingesetzt. Erdgas dient darüber | |
hinaus zur Wärmegewinnung. Wärme aus Erdgas macht 18 Prozent der | |
verwendeten Energiebedarfs des Chemiesektors aus. Strom spielt in der | |
Branche bisher eine weniger wichtige Rolle. | |
Dennoch wird es bei dem am Mittwoch kommender Woche im Kanzleramt | |
stattfindenden Chemiegipfel vornehmlich um den Industriestrompreis gehen. | |
„Immer häufiger fallen Investitionsentscheidungen gegen den Standort | |
Deutschland und somit gegen Zehntausende Arbeitsplätze“, heißt es im | |
Vorfeld des Gipfels in einem Papier einer „Chemie-Allianz“ von mittlerweile | |
zwölf [2][Bundesländern]. | |
## Höherer Strombedarf durch Dekarbonisierung | |
Ohne preiswerte Energie könne jedoch keine Industrie bestehen. So fordern | |
die Länder die Ampel auf, mit geeigneten Maßnahmen schnellstmöglich einen | |
international wettbewerbsfähigen Strompreis zu gewährleisten, der auch dem | |
energieintensiven Mittelstand sowie den Betreibern von Chemieparks | |
offenstehe. | |
Denn im Rahmen eines klimafreundlichen Umbaus der Industrie werden | |
Prozesse, für die es derzeit Gas und Erdöl braucht, auf elektrische | |
Prozesse umgestellt werden müssen. „Die Strompreise sind dabei von | |
herausragender Bedeutung, denn in sehr vielen Fällen erfordert die | |
Dekarbonisierung der Prozesse große Mengen Strom“, argumentiert das von | |
Robert Habeck geführte Wirtschaftsministerium für einen | |
Industriestrompreis. Bisher scheiterte dessen Einführung am Veto von | |
Kanzler Olaf Scholz (SPD) und der FDP. | |
Unterdessen erarbeitete der Ökonom Tom Krebs eine Alternative zum | |
Industriestrompreis. Demnach könnte die Strompreisbremse modifiziert und | |
bis maximal 2030 verlängert werden. Eine solche Maßnahme wäre „ein | |
zentraler Baustein einer übergreifenden wirtschaftspolitischen Stärkung der | |
deutschen Wirtschaft“, schreibt Krebs in einer von der | |
[3][gewerkschaftsnahen] Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie. | |
Von dieser Maßnahme hätten nicht nur die energieintensive Industrie, | |
sondern auch kleinere Unternehmen und private Haushalte etwas. Denn auch | |
für diese soll laut Krebs der Strompreis gedeckelt werden. Für | |
tarifgebundene Unternehmen schlägt der Ökonom einen zusätzlichen Rabatt | |
beim Strompreis vor. | |
21 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Simon Poelchau | |
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