# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Klimakampf heißt Antifa | |
> An der deutschen Autoideologie zeigt sich, wie Kapitalismus, Klimakrise, | |
> und Faschismus zusammenhängen. Einige Termine, um sich zu wehren. | |
Bild: Der Kampf gegen die Klimakrise ist antifaschistisch | |
Kein Land steht so sehr für den Autokapitalismus wie Deutschland. Alleine | |
2019 rollten hier über 4,7 Millionen PKWs vom Band. Eine | |
Dreiviertelmillionen Menschen erwirtschafteten 2021 sage und schreibe 411 | |
Milliarden Euro Umsatz für die Konzerne. Doch nicht nur die Autos selbst | |
bilden das Rückgrat des deutschen Kapitals. Das Auto ist auch Symbol einer | |
reaktionären Ideologie, die dieses zum Identifikationssymbol | |
männlich-kapitalistischer Freiheitsvorstellungen erhebt. | |
Jahrzehntelang wurde das Auto von der Werbeindustrie sexualisiert und mit | |
einem Aufstiegsversprechen verknüpft. Für die eigene Sportkarre soll Mann | |
vor dem Chef buckeln, sich abrackern und verschulden. Der imaginierten | |
Tauschlogik dieser Ideologie zufolge, soll sich das geopferte | |
Selbstwertgefühl später doppelt wieder reinholen lassen, wenn der Schlitten | |
mit mörderischen zweihundert Sachen über die Autobahn gejagt wird. Die | |
deutsche Autoideologie bietet den Lohnarbeitenden Gehorsam gegen mit | |
toxischer Männlichkeit angereicherten Konsum – lange erfolgreich. | |
Doch dieses System hat Risse bekommen. Nicht nur erfüllt der neoliberale | |
Kapitalismus sein Aufstiegsversprechen schon lange nicht mehr. Wie ein | |
Tinnitus stören auch die brennenden Wälder und überfluteten Dörfer | |
zunehmend die heile Welt der Ideologie. Denn die Gewalt der Klimakrise | |
lässt sich nicht so leicht verstecken, wie die miserablen | |
Arbeitsbedingungen im Globalen Süden. Vor allem für den neusten | |
Greenwashing-Schrei, das E-Auto, wird [1][massig Lithium benötigt, wofür | |
neue neokoloniale Systeme der Ausbeutung geschaffen werden]. | |
## Von München bis Berlin: E-Autos versenken | |
In München werden Klimaaktivist:innen die ganze Woche über versuchen, | |
diese versteckte Gewalt des globalen Kapitalismus sichtbar zu machen. Denn | |
dort findet seit Dienstag ein besonders obszönes Happening des | |
Autokapitalismus statt: Die [2][Internationale-Automobil-Ausstellung], eine | |
riesige Greenwashing-Propaganda-Show der Konzerne, beschützt von 4.500 | |
Polizist:innen. Alle, die nach München fahren, sollten beim | |
[3][Mobilitätswendecamp] und der [4][Demo am Sonntag] (10.09.) | |
vorbeischauen (Luitpoldpark, 11 Uhr). | |
Aber auch in Berlin und Umgebung lässt sich am Klimakampf teilnehmen. Denn | |
in Brandenburg hat sich noch so ein reaktionärer Autokapitalist | |
eingenistet: Elon Musk. Inmitten einer versandenden Umgebung will dieser | |
seine Tesla-Fabrik in Grünheide ausbauen, die schon jetzt teilweise so viel | |
Wasser verbrauchen soll, wie eine Stadt mit 40.000-Einwohner:innen. Ein | |
Bündnis von Menschen und Gruppen, die sich dagegen stellen, lädt am Samstag | |
(09.09.), um 14 Uhr, am Regionalbahnhof Fangschleuse, [5][zu einem | |
Waldspaziergang ein], um sich über diesen Ort der Zerstörung zu | |
informieren. | |
## Die Klimakrise ist rassistisch | |
In der [6][Zwille] (TU Berlin) findet am Samstag (09.09.) von 11 bis 17 Uhr | |
zudem in ein [7][Aktionstraining] von Ende Gelände [8][für die kommende | |
Großaktion (22. – 24. September) auf Rügen] statt. Wer bei der Letzten | |
Generation mitmachen will, kann am Dienstag (12.09.) zu [9][einem | |
Infovortrag ins Zielona Góra] kommen (19 Uhr). Auch lohnt sich ein | |
Abstecher zum [10][Climate Justice Camp], das vom 2. bis zum 9. September | |
im Invalidenpark stattfindet. Infoveranstaltungen informieren etwa darüber, | |
wie die Klimakrise Menschen aus dem Globalen Süden zur Flucht zwingt. | |
Doch selbst wenn es den vor den Zerstörungen des fossilen Kapitalismus | |
flüchtenden Menschen gelingt, sich durch das tödliche europäische | |
Grenzregime durchzuschlagen, erwartet sie in Berlin oft rassistische | |
Stigmatisierung und Polizeigewalt. Betroffen sind z.B. Schwarze Menschen im | |
Görlitzer Park. Für sie könnte es sogar noch schlimmer werden: Am Freitag | |
(8.09.) wollen Senat, Polizei und Bezirk auf einem „Sicherheitsgipfel“ über | |
neue Repressionstaktiken nachdenken. [11][Um 16 Uhr findet deshalb ein | |
Gegenprotest unter dem Motto „No Cops for Görli!“ statt]. | |
Die Klimakrise birgt auch eine faschistische Gefahr. Zu beobachten ist | |
diese regelmäßig bei den Gewaltausbrüchen gegen Aktivist:innen der | |
Letzten Generation. Statt gegen die Klimakrise zu kämpfen, so scheint es, | |
ziehen es viele Menschen vor, die Bedrohungen zu leugnen und sich mitsamt | |
der eigenen Privilegien einzumauern. Das Auto wird dann in ein Symbol | |
kapitalistischer Freiheit umgedichtet und krampfhaft verteidigt, die | |
Klimakrise zu einer (jüdischen) Verschwörung erklärt und der Kampf gegen | |
alles Progressive, Fremde und Nicht-Heteronormative eröffnet. | |
## „Wehret den Anfängen!“ ist vorbei | |
In Deutschland wissen wir, wohin das führt. Um vor dem Nazismus zu mahnen, | |
haben 1945 Überlebende aus KZs und Zuchthäusern den „Tag der Erinnerung und | |
Mahnung“ ins Leben gerufen. Der VVN-BdA ruft deshalb am Sonntag (10.09.) zu | |
einem [12][Aktionstag gegen Rassismus, Neonazismus und Krieg] auf. Am | |
Franz-Mehring-Platz 1 ist den ganzen Tag Programm, um 11 Uhr startet am | |
Pariser Platz ein antifaschistischer Fahrradkorso. | |
Konkret werden muss die antifaschistische Praxis aber bereits einen Tag | |
vorher, am Donnerstag. Da kommt nämlich Björn Höcke nach Oranienburg. Dass | |
sich der Ober-Nazi der AfD überhaupt so nah an Berlin heran traut, sollte | |
genug Motivation sein, um ihm ein deftiges antifaschistisches Anreiseverbot | |
auszusprechen. [13][Das Demokratieforum Oranienburg veranstaltet einen | |
Gegenprotest], zu dem auch Linkspartei, Aufstehen gegen Rassismus und | |
Gewerkschaften aufgerufen haben (Bahnhof Oranienburg, 18 Uhr). | |
Der Fall Höcke zeigt: Für „Wehret den Anfängen!“ ist es längst zu spät. | |
Insbesondere in den Plattenvierteln am Stadtrand ist die Lage schlecht. | |
Junge Menschen aus Marzahn-Hellersdorf wollen der rechten Hegemonie aber | |
etwas entgegensetzen und veranstalten auch dieses Jahr die | |
„[14][Plattenaktionstage“ vom 8. bis zum 10. September]. Im autonomen | |
Jugendzentrum La Casa gibt es das ganze Wochenende kostenlose Vorträge, | |
Workshop und Konzerte. Am Freitag (08.09.) findet am Cottbusser Platz ab 16 | |
Uhr [15][ein Straßenfest mit Rapkonzert, Graffiti und Küfa statt]. | |
Antifaschistisch leben, das kann auch heißen, sich keinen hetero-normativen | |
oder sonstigen Normen zu unterwerfen, sondern sich in seiner Individualität | |
zu zelebrieren. „Freaks und Krüppel, Verrückte und Lahme, Eigensinnige und | |
Blinde, Taube und Normalgestörte“ sind deshalb am Samstag (09.09.) zur | |
„Behindert und Verrückt Pride Parade“ aufgerufen, um für mehr Inklusion u… | |
Sichtbarkeit zu kämpfen. Deutschland sei immer noch „europäisches | |
Schlusslicht in puncto pluralem und inklusivem Umgang mit verrückten, | |
behinderten und nicht hetero-cis-normativen Körpern“, [16][so der Aufruf]. | |
Auf die Straße, um das zu ändern! (Hermannplatz, 15 Uhr) | |
4 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://sand-im-getriebe.mobi/blog/2023/07/28/warum-die-produktion-von-elek… | |
[2] /Autolobby-und-Letzte-Generation-auf-IAA/!5950346 | |
[3] https://mobilitaetswendecamp.noblogs.org/camp-infos/anreise/ | |
[4] https://mobilitaetswendecamp.noblogs.org/blockiaa-demo/ | |
[5] https://stressfaktor.squat.net/node/291222 | |
[6] https://www.openstreetmap.org/node/2502014633#map=17/52.51114/13.32840 | |
[7] https://eg-berlin.org/beitrag/vorbereitungstermine-zur-aktion-gegen-das-gep… | |
[8] https://www.ende-gelaende.org/news/kein-lng-auf-ruegen-kein-lng-weltweit-ge… | |
[9] https://stressfaktor.squat.net/node/294236 | |
[10] https://www.verkehrswendecamp.de/cjc-programm/ | |
[11] https://stressfaktor.squat.net/node/294262 | |
[12] https://tag-der-mahnung.vvn-bda.de/ | |
[13] https://www.aufstehen-gegen-rassismus.de/aktuelles/2023-09-07_noafd-oranie… | |
[14] https://stressfaktor.squat.net/node/291604 | |
[15] https://stressfaktor.squat.net/node/294215 | |
[16] https://pride-parade.de/die-parade/parade-2023/aufruf-behindert-und-verrue… | |
## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
## TAGS | |
taz Plan | |
Kolumne Bewegung | |
Antikapitalismus | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Ende Gelände! | |
Antifaschismus | |
Elon Musk | |
Autoverkehr | |
Mobilitätswende | |
Schwerpunkt Antifa | |
taz Plan | |
taz Plan | |
Kulturkampf | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Rassismus | |
taz Plan | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bewegungstermine in Berlin: Jetzt bloß zusammenhalten! | |
Trotz Differenzen müssen Linke gegen die Angriffe auf die Letzte Generation | |
Einheit zeigen. Gedacht wird kommende Woche auch Opfern rechter Gewalt. | |
Bewegungstermine in Berlin: Für ein autonomes Leben | |
Klima, reproduktive Rechte, Iran, Wohnen – am Wochenende gilt es, | |
Widerstand gegen Angriffe auf das selbstbestimmte Leben zu leisten. | |
Umgang mit dem Rechtsruck: Linke Hausaufgaben | |
Es klingt nur scheinbar paradox, ist aber dennoch wahr: Der politische und | |
gesellschaftliche Kampf gegen rechts wird links entschieden. | |
Bewegungstermine in Berlin: Erinnern, Tanzen und Dagegenhalten | |
Die Ferien sind vorbei, die Struggles nicht. „A100 wegbassen!“, | |
Antikriegsdemo und mehr laden zum Aktivwerden und -bleiben ein. Worauf | |
warten Sie? | |
Bewegungstermine in Berlin: Zivilcourage und Aufklärung | |
Hinschauen und Einmischen sind nicht optional, Schweigen ist nicht immer | |
Gold. Das untersteichen die Bewegungstermine der kommenden Tage. | |
Bewegungstermine in Berlin: Für offene Straßen und Grenzen | |
Rechtsextreme Diskurse werden für queere, geflüchtete und aktivistische | |
Menschen immer gefährlicher. Was tun? Solidarisch in die Offensive gehen. |