# taz.de -- Anti-AfD-Demo in Altglienicke: Trillerpfeifen und Blumen | |
> Der Ortsteil Altglienicke ist eine Hochburg der AfD. Trotzdem ist die | |
> Gegenveranstaltung zu einer Demo der Rechten deutlich größer und lauter. | |
Bild: Muss immer mal wieder gesagt werden | |
BERLIN taz | Steigende Mieten und Energiekosten, Ärztemangel und | |
Umweltprobleme: „Auf alle diese Fragen hat die AfD keine einzige Antwort | |
anzubieten“, erklärt Anne Helm, die Fraktionsvorsitzende der Linken am | |
Mittwoch auf einer Kundgebung gegen die rechtspopulistische Partei in | |
Altglienicke. „Ihre einzige Antwort lautet: Die Nachbarn mit ausländischem | |
Pass oder mit einem anderen Familienmodell sind schuld. Das ist | |
kreuzgefährlich.“ | |
Der Ortsteil im äußersten Südosten Berlins ist eine Hochburg der AfD. | |
Traditionell ist Altglienicke eine Einfamilienhaussiedlung, aber seit den | |
1980er Jahren entstanden mehrere neue Wohngebiete, die sich zu sozialen | |
Brennpunkten entwickelt haben. Auch Flüchtlingsunterkünfte wurden in großer | |
Zahl geschaffen, begleitet von Protesten aus der rechten Ecke. Genau hier | |
hat die AfD am Mittwoch zu einer Kundgebung eingeladen. Gut 50 Anhänger | |
sind gekommen, überwiegend ältere Männer, darunter mehrere Mandatsträger | |
aus dem Abgeordnetenhaus und der BVV Treptow-Köpenick. „Ein trauriger, | |
verbitterter Haufen“, wie einer der Redner der Gegenkundgebung sagt. | |
Das örtliche Bündnis für Demokratie hält dagegen – auch wenn dessen | |
Vorsitzender, der SPD-Abgeordnete Lars Düsterhöft, die AfD-Kundgebung für | |
einen Testballon mit wenig Resonanz hält. Rund 250 Menschen sind zur | |
Gegendemo gekommen, darunter viele Kinder aus dem Wohngebiet. Die kommen | |
nicht etwa nur wegen des Tischfußballs und der kostenlosen Wurst vom Grill, | |
sondern weil sie etwas gegen die AfD tun wollen, erklärt ein 14-jähriger | |
Junge aus einer arabischen Familie der taz. „An denen stört mich so alles.“ | |
Und er ist gut informiert: „Sie sind ausländerfeindlich. Sie wollen, dass | |
meine Familie nicht mehr in Deutschland lebt. Sie wollen Kinder ab 12 in | |
Haft bringen.“ Ein 11-Jähriger ergänzt: „Die wollen nur Park- und keine | |
Fußballplätze.“ | |
Ein paar Meter weiter, zwischen einem vietnamesischen Blumenladen und einer | |
griechischen Bäckerei, spult die AfD ihr Programm ab: „Null Toleranz für | |
Asylbetrug“ und „Haftstrafen für Klimakleber“ fordert sie, es geht auch | |
gegen Gendersprache, die Nachverdichtung von Wohngebieten, um Wohnungen für | |
Geflüchtete zu schaffen, für mehr Parkplätze, gegen die „Bevorzugung des | |
Fahrrades“ und „Regenbogenpropaganda“. | |
## Talar und Regenbogen | |
Gegen die Ausgrenzung queerer Menschen spricht sich auf der Gegenkundgebung | |
der Theologe in Ausbildung Bastian Schmidt von der queeren Gemeinde Berlin | |
aus. Mit Talar und Regenbogenkrawatte ist er als Theologe und Schwuler | |
erkennbar. Nach seiner Rede wird er von einem Anwohner mit dem Tod bedroht: | |
„Wenn es dunkel wird, bist du der Erste, den ich umbringe“, sagt ein | |
alkoholisierter Mann, von dem nicht ganz klar ist, ob er zur AfD-Kundgebung | |
gehört. Die Polizei separiert den Angreifer und nimmt Anzeige auf. | |
„Dass so viele Kinder gekommen sind, zeigt doch: Die Zukunft bleibt bunt“, | |
freut sich SPD-Fraktionschef Read Saleh. „Lasst euch eure Zukunft nicht | |
nehmen.“ Als Saleh die Teilnehmer auffordert, den AfDlern den Daumen zu | |
zeigen und fünfmal „Nie wieder“ zu rufen, machen vor allem die Kinder | |
begeistert mit. | |
Der Strom für die Lautsprecheranlage der Gegendemo kommt übrigens direkt | |
vom Finanzsenator: Stefan Evers hat hier sein Wahlkreisbüro. Aus voller | |
Kehle und bis die AfD ihren Stand abgebaut hat, rufen die Kinder „Haut ab“ | |
und blasen in ihre Trillerpfeifen. Danach wird noch Tischfußball gespielt | |
und mit Kreide auf die Straße gemalt: Bunte Blumen und „Nie wieder“. | |
14 Sep 2023 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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