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# taz.de -- Die AfD und die Identitären: Ein Feigenblatt
> Ein AfD-Bundestagsabgeordneter stellt einen langjährigen Identitären ein.
> In der Partei scheint das niemanden zu stören. Trotz
> Unvereinbarkeitsliste.
Bild: Unter seinem Einfluss immer radikaler: AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, hi…
Berlin taz | Angesichts der Radikalisierung der AfD ist die
Unvereinbarkeitsliste zu rechtsextremen Organisationen schon länger wenig
mehr als ein Papiertiger. Das jüngste Beispiel: Björn Höcke huldigte
öffentlich Frank Haußner, der in Thüringen häufig Demos organisiert und
bekennender Bewunderer des mutmaßlichen [1][Reichsbürger-Putschisten Prinz
Reuß] ist. Zur Erinnerung: Dessen Gruppe plante mutmaßlich, unter anderem
mit einem KSK-Soldaten und Waffengewalt den Bundestag zu stürmen und hatte
bereits mithilfe einer ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten den Bundestag
und das Regierungsviertel besichtigt und dabei Videos gedreht.
Dass zivilgesellschaftliche Recherche-Initiativen ausdauernd auf Kontakte
der Thüringer AfD zu Reichsbürger*innen aus [2][exakt diesem Umfeld
hinweisen], scheint Höcke aber im Gegenteil geradezu Ansporn zu sein.
Demonstrativ erneuerte er bei einem Auftritt in Heiligenstadt Ende August
[3][den Schulterschluss mit Haußner] auf einer Demo: „Wir sind gemeinsam
die Volksopposition für Deutschland! Deswegen war es mir wichtig, den Frank
Haußner mitzubringen.“ Höcke bedankte sich für sein „Engagement bei den
Freiheitskämpfern auf der Straße“.
Ähnliches gilt aber auch für die Personalpolitik von AfD-Abgeordneten, etwa
bei Personen, die sich in extrem rechten Gruppierungen organisieren, etwa
der Identitären Bewegung: So befindet sich der Name der Organisation zwar
weiter offiziell auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD, trotzdem
beschäftigt der Bundestagsabgeordnete René Springer nach taz-Informationen
Jonas Schick, der aus der Identitären Bewegung stammt. Mittlerweile
inszeniert sich der rechtsextreme Aktivist als rechtsintellektueller
Nachwuchs der neuen Rechten. Er gibt beispielsweise die neurechte
Zeitschrift [4][D][5][ie Kehre] heraus und schreibt reaktionäre Aufsätze
für die Zeitschrift Sezession des rechtsextremen Strategen Götz Kubitschek.
Seine Zeitung, die Ökologie als Thema von rechts besetzen will, bekommt
[6][höchste Weihen auch aus der AfD]. Ein Interview mit Höcke findet sich
dort neben Beiträgen des ehemaligen Brandenburger AfD-Pressesprechers Jörg
Dittus. Unterstützung bekommt Schick für sein Magazin von Götz Kubitschek
und seinem rechtsextremen Institut für Staatspolitik in Schnellroda. In
gemeinsamen Talkformaten diskutieren Schick, Kubitschek und Co. etwa die
Thesen des finnischen Ökofaschisten Pentti Linkola, der „Überbevölkerung�…
also das „Übermaß an Leben“ durch ein „Übermaß an Tod“ ausgleichen …
und auch Völkermord für den Naturschutz befürwortete. Schick immerhin
findet es zu radikal, die Weltbevölkerung mit einem großen Sprung auf zwei
Milliarden zu dezimieren.
## „Natur- und Heimatschutz“
Ansonsten verknüpft das [7][von Schick herausgegebene Magazin] auch in
historischer rechter Tradition „Natur- und Heimatschutz“ mit völkischer
Romantik. Man will die Klimakrise im Umfeld von Identitärer Bewegung,
AfD-Jugend und Schnellroda für sich nutzbar machen und problematisiert
dabei „Überbevölkerung“ statt Klimagase. Der Name „Die Kehre“ bezieht…
auf den antisemitischen Philosophen Martin Heidegger und dessen Essay „Die
Technik und die Kehre“ – er lehnte die Moderne ab und sah im
Nationalsozialismus die Möglichkeit einer Umkehr.
Die Inhalte sind entsprechend reaktionär und illiberal: Es gehe um „einen
Weg vom Ende der europäischen Geschichte zurück zu ihrem Anfang“, wie
Schick in seinem ersten Vorwort schrieb. Das „antifaschistische
pressearchiv und bildungszentrum berlin“ apabiz, [8][das eine Broschüre zum
Thema] herausgegeben hat, beschrieb Die Kehre in der Tradition des
NPD-nahen Ökomagazins Umwelt & Aktiv – eine Reihe von Kehre-Autoren
spielten auch in der NPD-Publikation schon eine Rolle. Das Magazin weise
eine gewisse Nähe zu klassischer Blut-und-Boden-Ideologie und
neonazistischen Konzepten von der ethnopluralisitischen Imagination von
„Lebensraum“ als eine Art von Biotop für jede „Ethnie“ auf – ideolog…
ein nahtloser Übergang zur Identitären Bewegung.
Der Fall zeigt einmal mehr, wie extrem rechte Gruppierungen an Einfluss auf
die AfD gewinnen. Der neurechte Thinktank des Ideologen Götz Kubitschek
bleibt zwar eine prätentiöse Bubble von mehr oder weniger verkappten
Rechtsintellektuellen, aber mittlerweile sitzen dessen Demagogen eben durch
die AfD an Schaltstellen in Bundestagsbüros und versuchen, von dort aus auf
den Diskurs zu wirken.
## Ausweichende Antworten
Der Bundestagsabgeordnete René Springer will auf Anfrage der taz nicht
beantworten, ob er vor der Einstellung von Schick von dessen Engagement bei
der Identitären Bewegung gewusst hat. Ebenso wenig wie seine
Personalpolitik zur Unvereinbarkeitsliste der eigenen Partei passe.
Eingestellt habe er Schick, gerade weil ihn das Magazin Die Kehre
beeindruckt habe, sagt Springer der taz. Er schätze Schicks
„Intellektualität und seine Haltung in politischen Fragen“. Die Kehre
beziehe Springer selbst im Abo – „um das Vorfeld zu stärken“, wie er sag…
Also jene extreme Gruppierungen, die der AfD ideologisch nahestehen.Ob es
innerparteiliche Kritik an der Einstellung gegeben habe, will Springer
ebenfalls nicht beantworten. Schick selbst antwortete nicht auf
taz-Anfrage.
Bereits kürzlich ist öffentlich geworden, dass der [9][Thüringer
Abgeordnete Jürgen Pohl] den völkisch-nationalistischen Nachwuchsideologen
Benedikt Kaiser eingestellt hat, der den auch von Höcke propagierten
„solidarischen Patriotismus“ proklamiert und ebenfalls Stammautor bei der
Kehre ist. Kaiser stammt aus der Kameradschaftsszene in Sachsen und war
unter anderem auch in Neonazi-Strukturen aktiv – unter anderem bei den
„Nationalen Sozialisten Chemnitz“. Auch Pohl pries daraufhin demonstrativ
dessen Intellektualität, direkte Kritik an dessen Einstellung habe es nicht
gegeben.
Kritiker dieser Grenzverwischung innerhalb der AfD äußern sich kaum mehr
öffentlich. Vermutlich haben einige noch im Hinterkopf, was zuletzt
passierte, als es [10][eine innerparteiliche Auseinandersetzung um Jonas
Schick] gab. Erika Steinbach, AfD-Mitglied seit Anfang 2022 und Vorsitzende
der Erasmus-Stiftung, distanzierte sich deutlich von einer Veranstaltung
von der nur gleichnamigen Erasmus-Stiftung Schleswig-Holstein – eben weil
jener Schick als Redner auftreten sollte, dessen Positionen sie
„indiskutabel“ nannte. Ebenso kritisierte sie das Institut für
Staatspolitik, weil dort NPD-Kader ein und aus gingen, wie Steinbach sagte.
Sie erntete dafür einen rechten Shitstorm, sogar ein Mitglied des
Bundesvorstand ergriff Partei für den langjährigen Identitären Schick.
Die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Identitäre Bewegung
umfasste laut Jahresbericht 2022 bundesweit rund 500 Mitglieder. Ihre
politischen Ziele sind ein ethnisch und kulturell homogener Staat, in dem
allein die ethnische Herkunft über die Zugehörigkeit zum deutschen Volk
entscheidet, Minderheiten werden entsprechend abgewertet, die
Kernprinzipien des Grundgesetzes wie die Unantastbarkeit der Menschenwürde
entsprechend abgelehnt.
## Kaum verhohlene Umsturzfantasien
Das in der AfD immer häufiger benutzte Schlagwort „Remigration“ ist ein
Buzzword der Identitären Bewegung, das nicht zuletzt gerne von
AfD-Politikern wie Höcke benutzt wird und letztlich realpolitisch wohl
nichts anderes als gewaltsame Deportationen bedeuten würde. Zuletzt wurde
es laut von der Parteitagsbühne der Europakandidatin Irmhild Boßdorf
gerufen, deren Tochter ebenfalls in der Identitären Bewegung aktiv war,
dort mittlerweile die antifeministische Splittergruppe „Lukreta“ gegründet
hat.
Öffentlichkeitswirksame Aktionen der Identitären Bewegung wurden in den
letzten Jahren allerdings seltener – dafür rückten viele zahlreiche Akteure
der Bewegung noch näher an die AfD heran – oder wie Schick direkt in ein
AfD-Bundestagsbüro. Identitäre kamen zuletzt auch bei rechtsextreme Medien
oder anderen rechtsextremen Organisationen wie Ein Prozent unter. Derzeit
sammelt die Identitäre Bewegung gerade Spenden für ihr Konto bei der
Sparkasse Paderborn-Detmold, nachdem es Hausdurchsuchungen wegen
Volksverhetzung und Nötigung nach einer Aktion vor einer
Flüchtlingsunterkunft im bayerischen Peutenhausen mit einem rassistischen
Banner und Pyrotechnik gegeben hat.
Im deutschsprachigen Raum gilt der Österreicher Martin Sellner als Kopf der
Identitären. Der hat sich zwar zuletzt offiziell von aktivistischen
Aktionen losgesagt, fokussiert sich mittlerweile auf propagandistische
Publikationen. Seine kaum verhohlenen Umsturzabsichten veröffentlichte er
mittlerweile auch in Buchform in Schnellroda – zuletzt etwa mit der
Publikation „Regime Change von rechts“.
4 Sep 2023
## LINKS
[1] https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&…
[2] https://twitter.com/ostdivan/status/1696488958862262376
[3] /Verhaeltnis-von-AfD-zu-Reichsbuergern/!5900281
[4] /Rechtes-Oeko-Magazin-Die-Kehre/!5690299
[5] /Rechtes-Oeko-Magazin-Die-Kehre/!5690299
[6] /Rechte-Oeko-Zeitung-Die-Kehre/!5797511
[7] https://www.apabiz.de/2022/oekologie-von-rechts-das-magazin-die-kehre-teil-…
[8] https://www.apabiz.de/wp-content/uploads/2022/10/magazine_9_web.pdf
[9] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus245569766/AfD-Abgeordneter-Pohl…
[10] /Politische-Stiftung-der-AfD/!5900074
## AUTOREN
Gareth Joswig
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