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# taz.de -- Kleiderregel an Schulen und Augenklappen: Anständige Klamotte
> Der Bundeselternrat will „lottrige“ Kleidung aus den Schulen verbannen.
> Wenigstens aus erotischer Verklemmtheit und nicht gegen religiöse
> Toleranz.
Bild: Scholz’ Vorschlag ist ein wabernder Flausch an Designerwörten
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Fußball.
Und was wird besser in dieser?
Ich war schon immer Riesen-[1][Basketball]-Fan.
Olaf Scholz plädiert [2][in seinem Deutschlandpakt] für ein „Kräftebündel…
aller demokratischen Parteien. Ist also plötzlich alles Friede, Freude,
Eierkuchen?
Die SPD-geführte Regierung schlägt ein Programm vor, das Arbeitgeber und
CDU-Ministerpräsidenten begrüßen, die Unionsspitze hingegen als „PR-Gag“
(MP Wüst), „nichts Neues“ (Merz) und „Bonsai-Paket“ (Spahn) verspotten…
schrillt Alarm im politischen Seniorenheim. Denn genau so war’s bei Kanzler
Schröders „Agenda“. Die war von Bertelsmann-Stiftung bis Bundespräsident
gefordert worden, doch Oppositionsführerin Merkel knöterte: „Das war nicht
der große Wurf.“ Um als Kanzlerin 16 Jahre von dieser Politik zu
profitieren. Noch ist Scholz’ Vorschlag ein wabernder Flausch an
Designerwörten: Wachstumschancengesetz, Zukunftsfinanzierungsgesetz,
Onlinezugangsgesetz. Charmant an Scholz’ Vorgehen ist einstweilen nur genau
dies: Mit „mutigen Kompromissen“ und „Gemeinsamkeit“ soll die olle Müh…
Parteiendemokratie noch mal zeigen, was sie kann – gegen allerhand wabernde
autoritäre Gelüste.
[3][Die Automesse IAA] zeigt, dass Deutschland nach wie vor an
Verbrennerfahrzeugen festhält. Wird das noch was mit der Mobilitätswende?
Hoch lebe Andreas Flocken, der 1888 in Coburg das erste Elektroauto auf
vier Räder stellte. Kurz drauf sind wir irgendwie falsch abgebogen. Heute
konzentrieren sich deutsche Hersteller auf große, teure „Battery Electric
Vehicles“ – mit starrem Blick auf die Marge pro Fahrzeug. Gefragt sind
kleinere, günstige BEV in hohen Stückzahlen. Schlimm, dass die
Brumm-brumm-Fraktion uns mit gefälschten Abgaswerten betrogen hat,
Verbrenner und Umwelt gingen in eins. Schlimmer, dass sie sich den Quatsch
selbst geglaubt haben.
Nach der [4][Antisemitismus-Affäre um Hubert Aiwanger] kommen die Freien
Wähler in Umfragen auf Rekordwerte von 16 Prozent. [5][Was ist da los in
Bayern?]
Aggressive Ungenauigkeit. Das Bündnis von CSU und FW wird nun Stimmen
sammeln von Leuten, die auf Aiwangers Selbstmitleid reinfallen und
vergorene Judenwitze auch nicht so schlimm finden. Und solchen, die den
Jungs Empörung und Distanzierung abkaufen. Das schließt einander aus,
macht aber zusammen 50 Prozent.
[6][Der Bundeselternrat will „lottrige“ Kleidung aus den Schulen
verbannen]. Sinn für Ästhetik oder einfach nur Bevormundung?
Erst mal ein überkommenes Wort, dem heute „verlottert“ und „Lotterbett“
nachklingen. Die gute Nachricht: Der deutsche Elternrat bezieht seine
Paranoias aus erotischer Verklemmtheit. Das Vorbild, Frankreichs Präsident
Macron, fordert eine „Einheitsbekleidung“ gegen religiöse Toleranz. Das
würde in Deutschland, wo Kruzifixe Klassenräume zieren und Kirchenabhängige
Religionsunterricht erteilen, natürlich ein bisschen schwieriger. An
Frankreichs Schulen wurde just der traditionelle Übermantel Abaya
verboten, Macron schlug zur Güte „T-Shirt, Jeans und Jacke“ vor. In
Deutschland wäre schon viel geholfen, wenn die Schule sekular, kirchenfrei
wäre und somit Vorbild für das Gemeinte.
Nach einem Jogging-Unfall [7][trägt unser Kanzler nun Augenklappe]. Cool
oder peinlich?
Scholz – der Einäugige unter den Linden. Hab’s gegoogelt, alle anderen
Witze sind gemacht. Scholz’ offensive Einladung zu Memes und Scherzen wurde
von der deutschen Pointenindustrie souverän umgesetzt. Wer sagt denn, dass
staatlicher Anschub nix taugt? Mein Klassenkamerad Carsten errang einen
soliden Schulverweis: Er begrüßte unseren kriegsversehrt glasäugigen
Direktor mal zum Unterricht mit der Wendung „Chef, kann ich Sie mal unter
drei Augen sprechen?“ Da liegt die Latte, Lindner.
Die Frage, [8][wie mit Wölfen umgegangen werden soll], ist mittlerweile
sogar bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Brüssel angekommen. Braucht
der Problemwolf mehr Liebe und Zuneigung?
Die Idee, den ausgerotteten Wolf wieder anzusiedeln, hat wohl etwas
Naturromantisches: Beißt er zu, staunen manche, dass das gar nicht stimmt
mit dem heiter spielenden Wölfen und Lämmern auf Jehova-Traktätchen. Ein
Kollege aus einem ARD-Landessender, der ein Bürgerbeteiligungsformat
betreut, erzählte mir: „Wenn bei der Quote gar nichts mehr geht, machen wir
den Wolf.“ Läuft doch.
Und was machen die Borussen?
Dienstag spielt Deutschland gegen Frankreich im Westfalenstadion. Headline:
„Dortmund übt Trainerentlassung“.
Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und trägt Jeans, T-Shirt,
Jacke.
10 Sep 2023
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[5] /Braune-Tradition-zwischen-Main-und-Alpen/!5956403
[6] /Streit-um-Kleidervorschriften-an-Schulen/!5958871
[7] /Scholz-und-seine-Augenklappe/!5956391
[8] /Woelfe-in-Deutschland/!5898413
## AUTOREN
Friedrich Küppersbusch
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