# taz.de -- Proteste gegen IAA in München: Klima-Aktivist*innen eingekesselt | |
> MItglieder des Bündnisses „Smash IAA“ geraten am Rande der IAA in Münch… | |
> an knüppelnde Polizist*innen. | |
Bild: Polizisten lösen eine Straßenblockade vom Bündnis „No Future for IAA… | |
München taz | Schwarz-lila Rauchschwaden wabern über die Bavariastraße im | |
Münchener Stadtteil Sendling. Etwa 150 Aktivist*innen des | |
Aktionsbündnisses „No Future for IAA“ tummeln sich in der kleinen | |
Nebenstraße. Einige von ihnen errichten eine Barrikade aus Fahrrädern, | |
andere setzen sich auf die Straße und eine Kleingruppe erklimmt das Dach | |
des ehemaligen Sozialkaufhauses „Weißer Rabe“. Sie rufen: | |
„A-Anti-Antikapitalista.“ An einer nahen Straße errichtet eine Gruppe ein | |
Tripod und wirft mitgebrachte Autoreifen auf die Straße. Die Polizei ist | |
weit und breit nicht zu sehen. | |
„Wir besetzen hier symbolisch dieses leerstehende Gebäude und protestieren | |
damit gegen die Immobilienpolitik der Stadt München“, sagt Lou Schmitz, | |
Sprecherin des Aktionsbündnisses „No Future for IAA“. Das Gebäude steht | |
seit 2021 leer. Der Eigentümer, die Concept Bau GmbH, hatte im vergangenen | |
Jahr eine Anfrage zur Zwischennutzung abgelehnt und angekündigt, hier 35 | |
Luxuswohnungen zu schaffen. Geschehen ist seither nichts. Die Gruppe | |
fordert, dass die Stadt sich einschaltet und per Vorkaufsrecht den Raum | |
wieder der Öffentlichkeit zugänglich macht. | |
Erneut wählen die Aktivist*innen von „No Future for IAA“ das Mittel der | |
– in diesem Fall symbolischen – Hausbesetzung. Bereits 2021, bei der | |
letzten IAA, war eine Gruppe in ein Gebäude eingedrungen und hatte dieses | |
für einige Stunden besetzt. Die Sprecherin Lou Schmitz sagt zu der Aktion | |
am Samstagmittag: „Wir wollen einen Kontrapunkt zu den Werbeflächen der IAA | |
setzen und ein dauerhaft selbstverwaltetes Kulturzentrum schaffen.“ | |
Zahlreiche öffentliche Plätze in der Innenstadt sind zu Ausstellungsflächen | |
umgewandelt und seien somit für die Profite der Autoindustrie privatisiert, | |
während das Leben in München immer unbezahlbarer werde, so Schmitz. „Wir | |
wenden uns mit der Aktion gegen ein System, das Profitinteressen von | |
Konzernen über die Grundbedürfnisse von Menschen stellt“, so Schmitz | |
weiter. Die Nachbar*innen beobachten das Spektakel vor ihrer Tür. Auf | |
Nachfrage sagt ein Mann, der auf einem Balkon gegenüber des Gebäudes steht, | |
er finde es sehr schade, dass das Ladenlokal leer stehe. | |
Eine andere Aktion zur gleichen Zeit an der Donnersbergerbrücke im | |
Stadtteil Neuhausen gelingt derweil nicht. Rund 300 Aktivist*innen des | |
Klima- und Klassenkampfbündnisses „Smash IAA“ hatten sich um 11 Uhr an zwei | |
geheimen Treffpunkten versammelt und waren unter der Brücke hindurch in | |
Richtung der Münchener Mercedes-Benz-Niederlassung gelaufen. Doch | |
Polizeiautos mit Sirenen und Blaulicht treffen gleichzeitig ein und | |
schneiden ihnen den Weg ab. Polizist*innen springen aus den Wagen, | |
rufen „Zurück!“ und schlagen mit Knüppeln auf die Aktivist*innen ein. | |
Einigen Protestierer*innen gelingt es, an der Polizeikette | |
vorbeizukommen und in Richtung des Haupteingangs des Mercedes-Towers zu | |
rennen. Doch da ist Ende: Die Polizei kesselt rund 100 Personen auf dem | |
Vorplatz zwischen dort parkenden Vorführwagen. Nach einigen Minuten kommen | |
200 weitere Aktivist*innen mit einer Straßenbahn an. „Ob hier, ob da, | |
Smash IAA“, rufen sie und laufen als Verstärkung zu ihren | |
Mitstreiter*innen in den Polizeikessel. | |
„Wir wollen mit unseren Aktionen zeigen, dass Klimaschutz und Klassenkampf | |
zusammengedacht werden müssen“, sagt die Sprecherin des Bündnisses, Mira | |
Klein. Mercedes sei nicht nur ein Klimakiller, sondern auch in die | |
Rüstungsindustrie verstrickt und folge als großer Player im | |
kapitalistischen System zwangsläufig einer skrupellosen Profitlogik. | |
Der Misserfolg der Aktion und das Nicht-Stattfinden weiterer Aktionen in | |
der Münchener Innenstadt ergeben im Laufe des Wochenendes das Bild einer | |
schwierigen Protestsituation auf feindlichem Terrain. Das Verhältnis von | |
Polizist*innen zu Aktivist*innen in der Stadt liegt bei vier zu | |
eins: 4.500 Beamt*innen sind im Einsatz, rund 1.500 | |
Klimaschützer*innen sind zum Protest vor Ort. Schon am Freitag waren | |
geplante Aktionen im Innenstadtbereich ausgefallen – die Polizeipräsenz | |
dort war schlicht zu hoch. Die Außenflächen der Automesse, die sich über | |
die zentralen Plätze der Stadt verteilt, sind von Polizist*innen | |
belagert. Lediglich einer Handvoll Aktivist*innen gelang es für wenige | |
Minuten, zwei Protest-Transparente im VW-Showroom zu entrollen. | |
Ein größerer Erfolg war am Freitag eine Blockade in einstündiger Entfernung | |
von München, in Dingolfing. Rund 150 Aktivist*innen des Bündnisses | |
„Sand im Getriebe“ hatten dort [1][über mehrere Stunden ein Tor eines | |
BMW-Werks blockiert]. Am Abend löste die Gruppe die Blockade freiwillig | |
auf. Die Polizei kesselte sie auf dem Weg zum Bahnhof ein und nahm die | |
Personalien auf. | |
Aktivist*innen und Beobachter*innen berichteten immer wieder von | |
Personenkontrollen in der Innenstadt und vor dem Protestcamp. Dabei greifen | |
Polizist*innen augenscheinlich auf Daten und Fotos von Einzelpersonen | |
zurück. Immer wieder ist zu beobachten, wie zivile Beamt*innen auf ihren | |
Telefonen durch Porträtbilder scrollen. Auf taz-Anfrage gibt die | |
Pressestelle der Polizei an, es handele sich lediglich um ein Informations- | |
und Abfragesystem der bayerischen Polizei. Eine Datenbank, in der die | |
Personalien von Klimaaktivist*innen gesammelt würden, gebe es nicht. | |
39 Personen befinden sich derzeit in Polizeigewahrsam. | |
Nach einer halben Stunde treffen auch in der Bavariastraße bei dem | |
besetzten Haus bayerische Bereitschaftspolizist*innen ein und | |
umstellen die Klimaaktivist*innen. Es kommt zu kleineren Schubsereien, als | |
sich ein voll vermummter Polizist an der Gruppe vorbei drängelt. Die | |
Aktivist*innen bleiben dabei laut, aber defensiv. | |
Eine Aktivistin wird gewaltsam von der Polizei aus der Gruppe gezerrt und | |
muss nach einer Panikattacke von Sanitäter*innen versorgt werden. Die | |
Polizist*innen hätten Angst, dass die Aktivistin sich festklebe, sagen | |
sie. Über der Sitzblockade haben die Aktivist*innen jetzt | |
Rettungsdecken gegen die Sonne aufgespannt. Zwei hissen, unter dem Knattern | |
des Polizeihubschraubers, auf einem nahen Hausdach ein weiteres Transparent | |
mit der Aufschrift: „Die Stadt gehört uns!“ | |
Nach mehr als zwei Stunden macht die Polizei zum ersten Mal eine Durchsage. | |
Man werte die Sitzblockade als Versammlung und fordere dazu auf, die | |
Rettungsdecken zu entfernen. Der Sonnenschutz gelte als Vermummung. | |
Außerdem will die Polizei den Protest auf den Gehsteig zwingen. Die | |
Aktivist*innen bewegen sich nicht vom Fleck, um 13:40 Uhr löst die | |
Polizei die Versammlung per Durchsage auf. Polizist*innen tragen die | |
Aktivist*innen, teils mit Schmerzgriffen davon, um ihre Personalien | |
aufzunehmen. Es stünden Ordnungswidrigkeiten und Straftaten im Raum. Zur | |
gleichen Zeit wird die Versammlung vor dem Mercedes-Turm beendet. Für den | |
Nachmittag rufen die Protestbündnisse zu einer Aktions-Schnitzeljagd auf | |
der Automesse auf. | |
9 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
Michael Trammer | |
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