Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Unterschiedliche Mentalität: Sich an Musk ein Beispiel nehmen
> Das typisch deutsche Bedenkenträgertum, in dem die Regierung schwelgt,
> bringt nichts. Bei aller Kritik am Unternehmer: einfach mal machen, wäre
> hilfreich.
Bild: Elon Musk ist ein Macher, aber nicht immer im besten Sinne
Der allerschönste Ort der westlichen Welt ist da, wo sie endet, an der
Pazifikküste von Kalifornien. Da gibt es einen Fahrrad- und Fußgängerweg
direkt am Meer, an dem die Leute aus dem Collegestädtchen Santa Cruz
joggen, Fahrrad fahren oder den Surfern zusehen. Und nun ist dieser
geteerte Weg an zwei Stellen weggebrochen und an seiner Stelle klaffen
tiefe Löcher. Ein Menetekel! Dachte ich sofort brav, als ich die Löcher
sah. Die Erwärmung des Pazifiks führt dazu, dass die kalifornische Küste
erodiert, die strand- und steilküstennahen Häuser werden wohl irgendwann
weggerissen werden, während die anderen abbrennen durch zunehmend
unkontrollierbare Feuer.
Ich saß in dieser Woche am nördlichen Stadtrand von Santa Cruz mit dem
großen [1][Schriftsteller Jonathan Franzen] (das Adjektiv ist hier wirklich
angebracht). Franzen drehte sich um, zeigte auf einen ziemlich nahen Punkt
und sagte: „Bis hierhin kam 2020 das Feuer.“ Es zerstörte 1.500 Gebäude im
County. Im Big-Basin-Nationalpark über der Stadt brannten 97 Prozent der
Bäume ab. Es ist deprimierend, die verkohlten Reste zu sehen und zu
riechen. Es ist auch deprimierend, morgens in die Stadt zu radeln und die
Straßen voller Obdachloser zu sehen.
Und dennoch habe ich den Menetekel-Gedanken verworfen, weil das einfach zu
bequem und vor allem zu unproduktiv ist. Mich nerven die um sich greifenden
publizistischen Menetekel-Serien, die Altlinken und neuerdings auch manche
Liberale, die den Untergang des Westens beschwören.
Es ist wichtig, dass der Illusionismus, den wir viele Jahrzehnte pflegen
konnten, jetzt schleunigst zumindest teilweise abgelöst wird von einem
harten, unangenehmen Blick auf die Realität des 21. Jahrhunderts. Die
Perspektive ist ganz und gar nicht beruhigend: geopolitisch, militärisch,
wirtschaftlich, die liberaldemokratischen Errungenschaften betreffend. Und
eben vor allem, was die Erderhitzung angeht, die verschwindenden Arten und
fruchtbaren Böden, und dass es kein demokratisches Instrumentarium gibt, um
die Interessenvielfalt der Weltbevölkerung, Staaten und global
emittierenden Unternehmen in dieser zentralen Frage so zu bündeln, dass im
Sinne einer Verringerung von Katastrophen gehandelt werden kann.
## Nicht herumheulen, sondern machen
Genau deshalb darf man die bequeme Läuft-doch-Kultur der
Nachkriegsbundesrepublik jetzt nicht mit einer
Alles-wird-sowieso-böse-enden-Kultur ablösen. Aber was kann man tun, wenn
man realistisch sein will und trotzdem weder defätistisch noch auf eine
neue Art naiv?
Schwierig, klar, aber ich schlage vor, neben der und zur Beförderung
sozialökologischer Mehrheiten, eine kalifornische Kultur zu entwickeln. Das
meint nicht staatsfeindlichen „Neoliberalismus“,
IT-Milliardärs-Weltherrschaft, wenige Superreiche und viele Arme. Es meint
– das ist ein Gedanke, der [2][vom Stanford-Intellektuellen Hans Ulrich
Gumbrecht inspiriert] ist –, dass ein Ich keine arme Wurst ist oder nur
noch von der Frührente träumt. Sondern dass das Ich etwas für sich und das
bessere Ganze hinkriegen will und sich dafür tatsächlich volle Pulle – und
politisch unterstützt – auf den Weg machen kann.
[3][Es gibt viel zu problematisieren an Elon Musk], aber der Junge hat
etwas gemacht. Der Gedanke geht nun so, dass man nicht (nur) sagt, dass
sein Werk gefährlich sei (was es ist). Progressive Kultur ist, selbst etwas
marktwirtschaftlich oder nachbarschaftlich hinkriegen zu wollen, was eine
emissionsfreie Weltgesellschaft befördert oder einen Unterschied macht für
drei Leute – aber hier einen existenziellen. Kalifornien hat großartige
Seiten und wenn wir selbst auch welche haben, dann sollten wir nicht
rumheulen, sondern sie jetzt in Handlung umsetzen.
10 Sep 2023
## LINKS
[1] /Neuer-Roman-von-Jonathan-Franzen/!580555
[2] /Stanford-Professor-ueber-Deutschland/!5904094
[3] /Elon-Musk-und-das-X/!5955322
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Kolumne Die eine Frage
wochentaz
Gesellschaftliches Miteinander
Kalifornien
Elon Musk
Schwerpunkt AfD
Twitter / X
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Twitter / X
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte um Rechtsruck: Die Mehrheit will ihre Ruhe
Wir sollten keinen Rechtsruck beschwören und die Deutschen in Lager
sortieren. Wir sollten sie für das Gemeinsame gewinnen, an dem sie
teilhaben.
Elon Musk und das X: Was „Longtermismus“ bedeutet
Kritiker*innen bezeichnen die Strömung als „Eugenik unter anderem
Namen“. Doch nicht nur Musk ist fasziniert von der Idee des Longtermismus.
Trump stellt sich Behörden in Georgia: Ein Foto für die Ewigkeit
Ex-Präsident Donald Trump war im Gefängnis und musste ein Foto von sich
machen lassen. Kaum war er wieder frei, nutzte er das für seinen Wahlkampf.
Elon Musk und Twitter: Regeln werden ihn nicht stoppen
Elon Musk behandelt Twitter genauso wie die ganze Welt: als Spielzeug. Was
das für den Kurzmitteilungsdienst bedeutet? Eher nichts Gutes.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.