# taz.de -- Stolpersteinverlegung: Den Namen zurückgeben | |
> Kreuzberg hat einen Stolperstein für Käte Rogalli bekommen. Es ist der | |
> erste Stolperstein für eine trans Person ohne Deadnaming. | |
Bild: Der neu verlegte Stolperstein zum Gedenken an Käte Rogalli | |
BERLIN taz | In der Hagelberger Straße ist es ruhig, es regnet, | |
zwischendurch kommt auch mal die Sonne raus. Etwa 40 Menschen haben sich | |
trotz des wechselhaften Wetters versammelt, um Käte Rogallis zu gedenken. | |
Hier, vor der Hausnummer 21, wird an diesem Donnerstag ein Stolperstein für | |
sie verlegt. Das Ungewöhnliche daran? Erstmals steht nicht der Deadname | |
einer [1][trans-Person] – also der Name, der ihr bei der Geburt zugewiesen | |
wurde –, sondern ihr selbstgewählter Name auf einem Stolperstein. „Damit | |
setzen wir ein erinnerungspolitisches Zeichen für einen transsensiblen | |
Umgang mit historischen Quellen“, sagt Trans-Historiker*in [2][Kai* | |
Brust], welche*r die Verlegung gemeinsam mit dem bildungspolitischen | |
[3][Kollektiv „Educat“] initiiert hat. | |
„Käte hatte es von Anfang an nicht leicht im Leben“, schildert Brust. | |
Demnach wurde Käte Rogalli von ihren Eltern rausgeworfen, weil sie sich | |
nicht mit dem männlichen Geschlecht identifizierte, das ihr bei ihrer | |
Geburt im September 1903 zugewiesen wurde. Davon ließ sie sich aber nicht | |
einschüchtern: in den 20ern lebte Rogalli in Berlin offen als Frau und | |
bezeichnete sich selbst als Transvestit – die damals geläufige Bezeichnung | |
für trans Personen. Rogalli arbeitete als technische Zeichnerin und | |
Feinmechanikerin. Immer wieder erfuhr sie trans- und homofeindliche | |
Diskriminierung. | |
Im [4][Nationalsozialismus] wurde sie mehrfach denunziert und von der | |
Gestapo schikaniert und inhaftiert. „Sie bekam das Sorgerecht für ihre | |
Kinder entzogen, wurde gezwungen, Männerkleidung zu tragen, und musste | |
Zwangsarbeit leisten“, schildert Brust. 1937 wurde Käte Rogalli für ein | |
Jahr in das KZ Sachsenhausen verschleppt, später musste sie zwei Jahre lang | |
in Bayern Zwangsarbeit leisten. Ab 1941 wurde Käte Rogalli in den | |
Wittenauer Heilstätten zwangspsychiatrisiert, wo sie sich 1943 das Leben | |
nahm. Diese Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen seien in den Akten klar | |
nachlesbar, meint Brust. | |
## Keine transsensible Methodik in der Geschichtswissenschaft | |
Dass Stolpersteine für trans Personen bislang nur mit deren Deadname | |
verlegt wurden, liegt Brust zufolge daran, dass lange keine Sensibilität im | |
Umgang mit Menschen, die sich selbst als Transvestiten identifiziert haben, | |
da war. Nicht immer könne man nachweisen, wie die Personen sich | |
identifiziert haben, sagt Brust. Viele hätten außerdem ihre Identität | |
verborgen, um sich selbst zu schützen. „Es gibt einfach keine transsensible | |
Methodik innerhalb der Geschichtswissenschaft“, so Brust. | |
Der Stolperstein für Käte Rogalli sei daher ein wichtiger Schritt für die | |
queere Erinnerungskultur, gerade in Bezug aus die NS-Geschichte. Trotzdem | |
bedeutet das wohl nicht unbedingt, dass es künftig gar kein Deadnaming mehr | |
auf Stolpersteinen gibt. „Das ist immer von der Initiative abhängig, die | |
den [5][Stolperstein] verlegt“, erklärt Brust. | |
Seit dem Start des Projekts vor 30 Jahren wurden in Europa mehr als 100.000 | |
Stolpersteine verlegt. Allein in Berlin befindet sich rund ein Zehntel | |
davon. Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, wo nun auch Rogallis | |
Stolperstein in der Hagelberger Straße liegt, sind es inzwischen rund | |
1.000. | |
31 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Transpersonen/!t5682795 | |
[2] https://www.gwi-boell.de/de/person/kai-brust | |
[3] https://www.educat-kollektiv.org/ | |
[4] /Schwerpunkt-Nationalsozialismus/!t5007882 | |
[5] /Stolpersteine/!t5016672 | |
## AUTOREN | |
Marlena Wessollek | |
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