| # taz.de -- Nach Bootsunglücken vor Lampedusa: Notstand als neue Normalität | |
| > Das Aufnahmelager auf der Insel Lampedusa ist wieder überfüllt. In den | |
| > letzten Tagen erreichten erneut rund 2.000 Geflüchtete die Küste | |
| > Italiens. | |
| Bild: Die spanische Open Arms rettete in der letzten Woche in zehn Einsätzen 1… | |
| Rom taz | Erneut sind in der Straße von Sizilien wohl zahlreiche Menschen | |
| ums Leben gekommen. Am Samstag kenterten rund 50 Kilometer vor Lampedusa | |
| bei schwerer See zwei Boote, die 92 Personen an Bord hatten. 57 von ihnen | |
| konnten gerettet werden, doch ein Kleinkind, vermutlich kaum älter als ein | |
| Jahr, sowie eine junge Frau wurden tot geborgen, und 33 Menschen werden | |
| vermisst. Ihre Überlebenschance ist minimal. | |
| Schon am Freitag war ein weiteres Boot an den Felsen der Küste Lampedusas | |
| zerschellt. Alle 34 Insassen hatten sich an Land retten können, mussten | |
| dann aber dort zwei Tage lang ausharren, da die zerklüfteten Felsen von | |
| Land aus nicht erreichbar sind und da eine Bergung vom Meer aus wegen der | |
| hohen Wellen unmöglich war. Zunächst wurden sie aus der Luft mit | |
| Lebensmitteln und Wasser versorgt, ehe sie dann am Sonntag mit einem | |
| Hubschrauber von der Klippe geholt wurden. | |
| Die meisten von ihnen wurden [1][ins Aufnahmelager auf der Insel gebracht], | |
| während drei Frauen ins örtliche Krankenhaus kamen. Das auf 400 Menschen | |
| ausgelegte Lager ist gegenwärtig wieder heillos überfüllt; rund 2.400 | |
| Personen werden derzeit dort beherbergt. Am Montag sollten 360 Personen mit | |
| Flügen nach Sizilien gebracht werden, da die Überfahrt mit der Fähre wegen | |
| der schlechten Witterungsbedingungen unterbrochen ist. | |
| ## Die meisten Flüchtlinge starten in Sfax, Tunesien | |
| Damit setzt sich jener „Notstand“ fort, der schon seit Monaten Normalität | |
| ist: Auch in den letzten Tagen erreichten wieder rund 2.000 Flüchtlinge | |
| Lampedusa. [2][Die meisten von ihnen waren im tunesischen Sfax in See | |
| gestochen]. Im Jahr 2023 haben bisher 92.000 Menschen auf dem Seeweg | |
| Italien erreicht, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. | |
| Für Italiens Rechtsregierung ist das ein alles andere als zweitrangiges | |
| Problem, hatte sie doch im Wahlkampf vor einem Jahr verkündet, sie werde | |
| dem weiteren Zustrom von Migrant*innen einen Riegel vorschieben. Den | |
| Worten waren Taten gefolgt. Zunächst [3][hatte Innenminister Matteo | |
| Piantedosi den in der Seenotrettung tätigen NGOs schikanöse | |
| Arbeitsbedingungen aufgelegt]. Danach dürfen sie pro Einsatz nur noch eine | |
| Rettungsaktion durchführen und müssen danach sofort den ihnen von Rom | |
| zugewiesenen Hafen ansteuern, um so „multiple Rettungsaktionen“ zu | |
| verhindern. Und jene Häfen liegen oft weit im Norden, mehr als 1.000 | |
| Seemeilen vom Einsatzgebiet entfernt, womit die NGO-Schiffe bis zu einer | |
| Woche aus dem Verkehr gezogen sind. | |
| ## Tunis treibt Menschen zur Flucht übers Mittelmeer | |
| Zudem hat Ministerpräsidentin Meloni in den letzten Monaten eine [4][rege | |
| diplomatische Aktivität entfaltet], war sie mehrfach – begleitet auch von | |
| der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – mit Tunesiens | |
| Präsident Kais Saied zusammengetroffen, hatte die [5][EU Saied auf Italiens | |
| Initiative hin Millionenhilfen in Aussicht gestellt, damit Tunesien weitere | |
| Abfahrten verhindere]. Kein Thema war in dem Dialog mit Tunesien allerdings | |
| die Tatsache, dass Präsident Saied mit seiner Kampagne gegen | |
| Migrant*innen aus dem subsaharischen Afrika und den dadurch ausgelösten, | |
| teils pogromartigen Verfolgungen in den letzten Monaten überhaupt erst | |
| tausende Menschen zur Flucht übers Mittelmeer Richtung Italien getrieben | |
| hat. | |
| Resultate in ihrem Sinne kann Meloni bisher nicht verbuchen, und bei den | |
| Schikanen gegen die NGOs ruderte die Regierung in den letzten Tagen | |
| wenigstens teilweise zurück. So erfolgten jetzt mehrfach auf direkte | |
| Anweisung der italienischen Küstenwache hin multiple Rettungsaktionen, so | |
| rettete die spanische Open Arms in der letzten Woche in zehn Einsätzen 199 | |
| Menschen. | |
| An der Schikane der Zuweisung weit entfernter Häfen hält die Regierung | |
| dennoch fest. Trotz des schlechten Wetters sollte die Open Arms erst einen | |
| Teil der Flüchtlinge in Lampedusa ausschiffen, dann aber ins apulische | |
| Brindisi weiterfahren. Selbst konnte die Küstenwache die dann von den NGOs | |
| durchgeführten Einsätze nicht fahren: Ihren Schiffen war der Sprit | |
| ausgegangen, weil mangels rechtzeitiger Lieferung die Treibstofftanks auf | |
| Lampedusa leer waren. | |
| 7 Aug 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Flucht-von-Tunesien-nach-Lampedusa/!5699558 | |
| [2] /Tunesien-deportiert-Migrantinnen/!5947548 | |
| [3] /Italien-erlaesst-Dekret-zur-Seenotrettung/!5897423 | |
| [4] /Internationale-Konferenz-ueber-Migration-in-Rom/!5948982 | |
| [5] /EU-Migrationsdeal-mit-Tunesien/!5944945 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Braun | |
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